Ener­gie­ver­brauch sen­ken: Bay­reu­ther For­scher ent­wickeln Test­sy­stem für pas­si­ve Kühlmaterialien

Prof. Markus Retsch und D. Qimeng Song (Foto: Uni Bayreuth)
Prof. Markus Retsch und D. Qimeng Song (Foto: Uni Bayreuth)

Die pas­si­ve Tages­küh­lung ist eine viel­ver­spre­chen­de Tech­no­lo­gie zur nach­hal­ti­gen Sen­kung des Ener­gie­ver­brauchs. Sie ver­mei­det die Auf­hei­zung von Gebäu­den durch Son­nen­ein­strah­lung und lei­tet vor­han­de­ne Wär­me ohne exter­nen Ener­gie­ver­brauch ab. For­scher der Uni­ver­si­tät Bay­reuth haben jetzt ein Test­sy­stem geschaf­fen, mit dem die zur pas­si­ven Küh­lung ver­wen­de­ten Mate­ria­li­en zuver­läs­sig cha­rak­te­ri­siert und ver­gli­chen wer­den kön­nen – unab­hän­gig von Wet­ter­ver­hält­nis­sen und Umwelt­be­din­gun­gen. Der in „Cell Reports Phy­si­cal Sci­ence“ vor­ge­stell­te Mess­auf­bau ist der erste Schritt zu einem stan­dar­di­sier­ten, welt­weit anwend­ba­ren Test­sy­stem zur Ver­gleich­bar­keit lei­stungs­star­ker Kühlmaterialien.

„Der welt­weit stei­gen­de fos­si­le Ener­gie­ver­brauch trägt bis heu­te zur glo­ba­len Kli­ma­er­wär­mung bei und ist eine wesent­li­che Ursa­che für die Auf­hei­zung unse­rer Städ­te. Die Küh­lung von Gebäu­den wäh­rend des Tages durch pas­si­ve Kühl­ma­te­ria­li­en hat gro­ßes Poten­ti­al, sich als ein wirk­sa­mes Instru­ment zur Ener­gie­ein­spa­rung zu eta­blie­ren. Für die Ablei­tung der Wär­me wur­den daher vie­le tech­no­lo­gisch inter­es­san­te Mate­ra­li­en und Mate­ri­al­klas­sen ent­wickelt, doch es ist noch immer eine unge­lö­ste Her­aus­for­de­rung, ihre Lei­stungs­fä­hig­keit prä­zi­se zu bestim­men und zu ver­glei­chen. Der von uns kon­zi­pier­te Labor­auf­bau hilft, die­se Schwie­rig­keit zu über­win­den. Es ist ein Test­sy­stem, das unab­hän­gig vom Wet­ter wich­ti­ge Bei­trä­ge zur Cha­rak­te­ri­sie­rung bis­her vor­han­de­ner und zum Design neu­er Kühl­ma­te­ria­li­en lei­stet“, sagt Prof. Dr. Mar­kus Retsch, Pro­jekt­lei­ter der Stu­die und Inha­ber des Lehr­stuhls Phy­si­ka­li­sche Che­mie I an der Uni­ver­si­tät Bayreuth.

Das labor­ba­sier­te Test­sy­stem ahmt die wich­tig­sten Fak­to­ren, wel­che die pas­si­ve Kühl­lei­stung beein­flus­sen, nach. Wesent­li­che Bestand­tei­le sind daher ein Simu­la­tor des Son­nen­lichts, eine mit flüs­si­gem Stick­stoff gekühl­te Alu­mi­ni­um­kup­pel, die Wär­me­strah­lung absor­biert, ein wech­sel­ba­rer Fil­ter, der nur Licht­strah­len mit bestimm­ten Wel­len­län­gen hin­durch lässt, und ein heiz­ba­rer Gas­strom, mit dem eine bestimm­te Umge­bungs­tem­pe­ra­tur fest­ge­legt wer­den kann. Dadurch kön­nen die Inten­si­tät der Son­nen­ein­strah­lung, die auf die Kühl­ma­te­ria­li­en ein­wir­ken­den Tem­pe­ra­tu­ren sowie wei­te­re Umge­bungs­ein­flüs­se im Minia­tur­maß­stab simu­liert wer­den. Im Frei­en ändern sich die­se Fak­to­ren schnell und sind nicht kon­trol­lier­bar, in dem neu­en Mess­auf­bau aus Bay­reuth las­sen sie sich jedoch spe­zi­fisch ein­stel­len. Infol­ge­des­sen sind die Test­ergeb­nis­se jeder­zeit repro­du­zier­bar, unab­hän­gig von Zeit, Ort und Wet­ter. Nur so kön­nen Eigen­schaf­ten und Ver­hal­tens­wei­sen von Kühl­ma­te­ria­li­en mit hoher Prä­zi­si­on cha­rak­te­ri­siert und unter glei­chen Bedin­gun­gen mit­ein­an­der ver­gli­chen wer­den. Der Mess­auf­bau ist robust, kosten­gün­stig und hat über­dies den Vor­teil, dass er ohne gro­ßen tech­ni­schen Auf­wand nach­ge­baut wer­den kann.

Die Bay­reu­ther Wis­sen­schaft­ler haben die hohe Lei­stungs­fä­hig­keit und Zuver­läs­sig­keit des Test­sy­stems an drei unter­schied­li­chen Mate­ria­li­en nach­ge­wie­sen: einem Sil­ber­spie­gel (Ag), einem auf Sil­ber auf­ge­brach­ten Film aus Poly­di­me­thyl­sil­oxan (PDMS) und einem gra­phit­be­schich­te­ten Sili­zi­um Wafer. Dabei haben sie nicht nur Erwär­mun­gen und Abküh­lun­gen der Mate­ria­li­en gete­stet, son­dern auch deren Kühl­lei­stung ermit­telt. „Unser Mess­auf­bau ist der erste Schritt in Rich­tung stan­dar­di­sier­ter Lei­stungs­ver­glei­che zwi­schen Kühl­ma­te­ria­li­en, die welt­weit unter sehr ver­schie­de­nen Kli­ma- und Wet­ter­be­din­gun­gen ent­wickelt wor­den sind. Ein der­ar­ti­ges Test­sy­stem ist eine wich­ti­ge Vor­aus­set­zung dafür, dass die pas­si­ve Küh­lung zu einer glo­bal ange­wand­ten Tech­no­lo­gie wird, die den Ener­gie­ver­brauch signi­fi­kant sin­ken lässt“, sagt Dr. Qimeng Song, Erst­au­tor der Stu­die und Post­doc am Lehr­stuhl von Prof. Dr. Mar­kus Retsch.

Ver­öf­fent­li­chung

Qimeng Song, Tho­mas Tran, Kai Herr­mann, Maxi­mi­li­an Brei­ten­bach, Mar­kus Retsch: A Tail­o­red Indoor Set­up for Repro­du­ci­b­le Pas­si­ve Day­ti­me Coo­ling Cha­rac­te­rizati­on. Cell Reports Phy­si­cal Sci­ence (2022), DOI: https://​dx​.doi​.org/​1​0​.​1​0​1​6​/​j​.​x​c​r​p​.​2​0​2​2​.​1​0​0​986