Zet­tels Refle­xio­nen: Identifikation

Peter Zettel
Peter Zettel

Ich bin ein Mann. Doch was heißt das? Das bedeu­tet nur, dass ich die bio­lo­gi­sche Aus­stat­tung habe, die man braucht, um ein männ­li­ches Exem­plar zu sein. Doch es geht nicht nur um die Fra­ge der Fort­pflan­zung, son­dern auch um viel mehr – nicht nur bei uns Menschen.

Auch bei Tie­ren ver­bin­det sich mit der bio­lo­gi­schen Funk­ti­on des Geschlechts eine sozia­le, ein Sozi­al­ver­hal­ten. Des­we­gen wür­de einem Löwen das (nicht nur sexu­el­le) Ver­hal­ten eines Bono­bo-Männ­chens gelin­de gesagt per­vers vorkommen.

Jede Iden­ti­fi­ka­ti­on, sei es eine geschlecht­li­che oder mit einem Beruf hat vor allem auch eine sozia­le Funk­ti­on. Wenn sich Frau­en über Män­ner auf­re­gen fra­ge ich immer, wer denn eigent­lich die prä­gen­den Per­so­nen im Leben eines Man­nes sind: 9 Mona­te in Mamas Bauch, dann als Säug­ling und Klein­kind abhän­gig von der Mut­ter, danach im Kin­der­gar­ten meist von Frau­en erzo­gen wie auch in der Grundschule.

Wer prägt also die jun­gen Män­ner und bringt ihnen bei sich mit der klas­si­schen Rol­le als Mann zu iden­ti­fi­zie­ren? In erster Linie wohl nicht die Väter! Ein Argu­ment, das mir noch nie­mand wider­legt hat. Und so lan­ge gilt es (für mich).

Es ist nicht das Geschlecht, das einen Mann zum Mann macht (oder eine Frau zur Frau), son­der die öko­no­mi­schen Inter­es­sen der Gesell­schaft. Woll­ten bei uns Män­ner und Frau­en wirk­lich gleich­be­rech­tigt leben, bräuch­te es eine ande­re Ökonomie.

In der Maslow­schen Bedürf­nis­py­ra­mi­de ste­hen die phy­sio­lo­gi­schen Bedürf­nis­se, die Sicher­heits­be­dürf­nis­se und die Sozia­len Bedürf­nis­se vor den per­sön­li­chen Bedürf­nis­sen. Und genau die wür­den durch eine wirk­li­che Gleich­be­rech­ti­gung gefähr­det – in die­sem Wirt­schafts­sy­stem, denn das wür­de so nicht mehr funktionieren.

Man kann dies sehr gut an den Bono­bos sehen. Die Bono­bo­män­ner waren – wie bei den mei­sten Affen – rich­ti­ge Machos. Das war aber ganz offen­sicht­lich eine Not­wen­dig­keit auf­grund der öko­no­mi­schen Bedin­gun­gen. Als in der Savan­ne, in der sie leben, eine Spe­zi­es von Fein­den ver­schwan­den (ich weiß lei­der nicht mehr, was das waren), kamen die Affen von den Bäu­men her­un­ter und leb­ten mehr und mehr auf dem Boden.

Was den weib­li­chen Tie­ren die Chan­ce bot, sich zusam­men­zu­tun und gemein­sam den Her­ren zu zei­gen, wo der Bartel den Most holt – mit ande­ren Wor­ten, sie beka­men Dre­sche, wenn sie sich nicht so ver­hiel­ten, wie die Damen das wollten.

Geän­der­te Umwelt­be­din­gun­gen, ande­res Lebens­um­feld, ande­res sozia­les Ver­hal­ten. Machen wir uns also Gedan­ken über die eige­ne Iden­ti­fi­ka­ti­on, soll­ten wir erst ein­mal die Rah­men­be­din­gun­gen für gesell­schaft­li­ches und indi­vi­du­el­les Leben anse­hen. Da liegt näm­lich der Hase begra­ben, in den Rahmenbedingungen.


Peter Zet­tel

ist pen­sio­nier­ter Anwalt. Seit ein paar Jah­ren ist er begei­ster­ter Motor­rad­fah­rer – sein per­sön­li­cher Weg der Selbst­er­kennt­nis. Er inter­es­siert sich für das, was die Welt bewegt und schreibt dar­über in sei­nem Blog zet​tel​.biz.

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