Markt Ecken­tal fei­ert sein 50-jäh­ri­ges Bestehen

50 Jah­re „Viel­falt erle­ben“ (1972 – 2022) – eine außer­ge­wöhn­li­che Gemein­de begeht ein außer­ge­wöhn­li­ches Jubiläumsjahr

So ging es frü­her beim Bür­ger­mei­ster zu – von der Gemein­de­kanz­lei zum Ecken­ta­ler Rathaus

Seit Jah­res­be­ginn 2022 fei­ert der Markt Ecken­tal sein 50-jäh­ri­ges Bestehen mit Ver­an­stal­tun­gen und Aktio­nen unter­schied­lich­ster Art. Der Stich­tag der Gebiets­re­form ist der 1. Juli 1972. Er mar­kiert nicht nur den Beginn der Geschich­te der neu­en Markt­ge­mein­de, son­dern er been­de­te auch die lan­ge Geschich­te der Selbst­ver­wal­tung der Dör­fer in unse­rer Regi­on. Ver­wal­tet wur­den sie von den Gemein­de­kanz­lei­en aus, den Vor­läu­fern des heu­ti­gen Rathauses.

Mit einer Rei­he von Refor­men hat­te Bay­ern seit Beginn des 19. Jahr­hun­derts die Selbst­ver­wal­tung der Gemein­den und ihre Struk­tu­ren defi­niert, die Auf­ga­ben fest­ge­legt und den sich ver­än­dern­den recht­li­chen Ver­hält­nis­sen immer wie­der ange­passt. Die Gemein­de­ver­wal­tun­gen setz­ten sich ursprüng­lich aus dem Gemein­de­vor­ste­her, ab 1869 Bür­ger­mei­ster genannt, und den Gemein­de­be­voll­mäch­tig­ten (heu­te Gemein­de­rat), dem Gemein­de­pfle­ger (heu­te Käm­me­rer) und gege­be­nen­falls einem Stif­tungs­pfle­ger zusam­men. Sie wur­den von allen wahl­be­rech­tig­ten Gemein­de­bür­gern, die die Gemein­de­ver­samm­lung bil­de­ten, gewählt. Bis zur Ein­füh­rung des all­ge­mei­nen, gehei­men und glei­chen Wahl­rechts 1918/1919, das auch das Frau­en­wahl­recht mit­ein­schloss, waren sowohl das Recht zu wäh­len als auch die Aus­übung wich­ti­ger Ämter von per­sön­li­chem Besitz und Ver­mö­gen abhän­gig. Ab 1869 konn­te das Bür­ger­recht und damit das Recht zur poli­ti­schen Teil­ha­be gegen Bezah­lung einer hohen Gebühr erwor­ben wer­den. Wer es sich finan­zi­ell lei­sten konn­te, nutz­te die­ses Recht. Zeug­nis­se dar­über sind im Archiv der Markt­ge­mein­de Ecken­tal zahl­reich vorhanden.

Die lan­ge Tra­di­ti­on der Wahl des Bür­ger­mei­sters und des Gemein­de­rats durch die Bür­ger der Gemein­de erfuhr in der Zeit des Natio­nal­so­zia­lis­mus einen Bruch. Von 1935 bis 1945 ernann­te die NSDAP die Bür­ger­mei­ster, die im Sin­ne der Par­tei han­del­ten. Nach 1945 wur­de die kom­mu­na­le Selbst­ver­wal­tung wie­der eta­bliert und die demo­kra­ti­schen Struk­tu­ren ausgebaut.

Bis zum Zusam­men­schluss 1972 hat­ten alle Ort­schaf­ten des heu­ti­gen Mark­tes Ecken­tal eine eige­ne Gemein­de­kanz­lei. Nur die sehr klei­nen Orte Maus­ge­sees und Ebach wur­den von dem grö­ße­ren Her­pers­dorf, Ill­hof und Oed­hof von Ben­zen­dorf mit­ver­wal­tet. Die Grö­ße der ein­zel­nen Gemein­den unter­schied sich schon immer deut­lich. Im Janu­ar 1972 zählte

  • der Markt Eschen­au 2083,
  • die Gemein­de Forth 2085,
  • Untersch­öl­len­bach 116,
  • Ben­zen­dorf mit Oed­hof und Ill­hof 159,
  • Ecken­haid 1489,
  • Her­pers­dorf mit Maus­ge­sees und Ebach 496 Einwohner.

Obersch­öl­len­bach hat­te sei­ne Selbst­ver­wal­tung mit der Ein­ge­mein­dung nach Eschen­au 1971 bereits auf­ge­ge­ben. Brand hielt sie bis 1978 auf­recht und Frohn­hof, das im Novem­ber 1972 zu Ecken­tal kam, war vor der Gebiets­re­form von Pet­ten­sie­del mit­ver­wal­tet worden.

Doch wie hat man sich die Gemein­de­kanz­lei­en vorzustellen?

Haus des letzten Bürgermeisters Xaver Betz von Herpersdorf. Bild aus Privatbesitz

Haus des letz­ten Bür­ger­mei­sters Xaver Betz von Her­pers­dorf. Bild aus Privatbesitz

Die Gemein­de­ver­wal­tung befand sich im Haus des amtie­ren­den Bür­ger­mei­sters, in der Regel in einem eige­nen Raum, der Kanz­lei. Dort wur­den die Gemein­de­ak­ten auf­be­wahrt, es gab einen Arbeits­platz für den Gemein­de­schrei­ber und der Bür­ger­mei­ster erle­dig­te sei­ne Amts­ge­schäf­te. Die Bür­ger kamen ins Haus. Seit 1876 war der Bür­ger­mei­ster gleich­zei­tig Stan­des­be­am­ter und Trau­un­gen wur­den in der Kanz­lei voll­zo­gen. In man­chen Fäl­len stell­te der Bür­ger­mei­ster sein Wohn­zim­mer zur Ver­fü­gung, um dem Anlass einen wür­di­gen Rah­men zu ver­lei­hen. Aller­dings wird auch von Ehe­schlie­ßun­gen in der Küche berich­tet. Zu den Gemein­de­rats­sit­zun­gen traf man sich in der Kanz­lei oder in einem der damals noch zahl­rei­chen Wirts­häu­sern. Das Haus des Bür­ger­mei­sters war mit dem Schild „Woh­nung des Bür­ger­mei­sters“ für jeden erkennbar.

Aber die Kanz­lei als sepa­ra­ter Raum war der Ide­al­fall und nicht immer gege­ben. Untersch­öl­len­bach berich­te­te 1912 an das Bezirks­amt Erlan­gen auf Nach­fra­ge, dass die stan­des­amt­li­chen und gemeind­li­chen Akten „in einem geson­der­ten Schrank im Wohn­zim­mer des Bür­ger­mei­sters“ unter­ge­bracht waren, die Geset­zes­blät­ter in einer Boden­kam­mer. In Obersch­öl­len­bach befan­den sich die stan­des­amt­li­chen Akten „in einem „Schränk­chen in einem Zim­mer im ersten Stock des Wohn­hau­ses“, die gemeind­li­chen Akten „in einem Schrank in der Schlaf­stu­be“ und die Geset­zes­blät­ter in einer Boden­kam­mer. Man behalf sich und rich­te­te sich nach den Möglichkeiten.

Bekannt­ma­chun­gen per Glockengeläut

Glocke des Forther Gemeindedieners. Bild Helmut Meyer zur Capellen.

Glocke des For­t­her Gemein­de­die­ners. Bild Hel­mut Mey­er zur Capellen.

Hat­te der Bür­ger­mei­ster der Gemein­de Nach­rich­ten mit­zu­tei­len, wur­den sie nicht nur öffent­lich aus­ge­hängt. Der Gemein­de­die­ner oder, wie zuletzt in Ecken­haid, die Gemein­de­die­ne­rin hol­te sich beim Bür­ger­mei­ster die neu­en Infor­ma­tio­nen ab, zog mit einer Glocke durch die Stra­ßen, mach­te durch Glocken­ge­läut und den Ruf „Bekannt­ma­chung“ auf sich auf­merk­sam und ver­kün­de­te die Nach­rich­ten. So ließ der Bür­ger­mei­ster Neu­ig­kei­ten „aus­schel­len“ und die Bür­ger erfuh­ren, wann Strom oder Was­ser abge­stellt wur­de, Bür­ger­ver­samm­lun­gen statt­fan­den, Hand- und Spann­dien­ste zu ver­rich­ten waren, Impf­stoff für die Maul- und Klau­en­seu­che ver­füg­bar oder die Kenn­kar­te (heu­te Per­so­nal­aus­weis) abzu­ho­len war, oder ande­re aktu­el­le Din­ge. Von den Glocken ist noch die der Gemein­de Forth vor­han­den. Sie hat heu­te ihren Platz im Gro­ßen Sit­zungs­aal des Rathauses.

Wäh­rend in Ben­zen­dorf, Her­pers­dorf, Ober- und Untersch­öl­len­bach die Gemein­de­ver­wal­tung bis zum Ende ihrer Selb­stän­dig­keit im Haus des Bür­ger­mei­sters ihren Platz hat­te, wur­de sie in Forth bereits 1941 in das Erd­ge­schoss von Haus Nr. 52, heu­te Mar­tin-Luther-Str. 12, dem spä­te­ren Post­amt und heu­ti­gen „Post­club“, ver­legt. Die Regi­stra­tur mit den Gemein­de­ak­ten brach­te man auf dem Dach­bo­den unter. In Eschen­au hat­te der Bür­ger­mei­ster nach Ende des Zwei­ten Welt­krie­ges in der „Alten Kanz­lei“, dem Gebäu­de gegen­über der Kir­che, sei­nen Amts­sitz. Spä­ter wur­de außer­dem das „Alte Kan­to­rat“ dafür genutzt. In Brand zog die Ver­wal­tung 1955 aus dem Schloss in das neu gebau­te Gemein­de­haus Flie­der­stra­ße 3, in dem es genü­gend Platz für die Gemein­de­rats­sit­zun­gen gab. In Ecken­haid kam die Gemein­de­kanz­lei Anfang der 1960er Jah­re in zwei Räu­men der ehe­ma­li­gen Schu­le in der Hei­de­stra­ße 22 unter. In allen vier Kanz­lei­en waren nach 1945 bereits Ver­wal­tungs­an­ge­stell­te in Teil­zeit beschäftigt.

Neu­es Rat­haus entstand

Konstituierende Sitzung des MGR Eckental am 06.07.1972 im Gasthaus Krämer.

Kon­sti­tu­ie­ren­de Sit­zung des MGR Ecken­tal am 06.07.1972 im Gast­haus Krämer.

Mit dem Zusam­men­schluss der Ort­schaf­ten zu einer Groß­ge­mein­de 1972 und dem Bei­tritt Brands 1978 war der Markt Ecken­tal kom­plett und alle alten Gemein­de­ver­wal­tun­gen abge­löst. Was jetzt fehl­te, war ein Rat­haus, das für die neu­en Auf­ga­ben genü­gend Platz bot. Bereits im Herbst 1972 fiel der Beschluss zum Bau eines zen­tra­len Ver­wal­tungs­ge­bäu­des. Bis zur Fer­tig­stel­lung 1981 muss­te impro­vi­siert wer­den. Das Haupt- und Bau­amt wur­de in Eschen­au in der „Alten Kanz­lei“ unter­ge­bracht, das Ord­nungs­amt in Forth in der Mar­tin-Luther-Str. 12, dem heu­ti­gen „Post­club“ und die Kas­se und Käm­me­rei vor­über­ge­hend in Ecken­haid, Hei­de­str. 22, im heu­ti­gen Montesso­ri Kin­der­gar­ten. Die Gemein­de­rats­sit­zun­gen fan­den in den Gast­häu­sern, Pfarr- und Gemein­de­zen­tren der zuge­hö­ri­gen Ort­schaf­ten statt.

Am 7. Mai 1980 erfolg­te die Grund­stein­le­gung für das neue Rat­haus. Schon am 16. Dezem­ber 1980 kam um 19 Uhr der Gemein­de­rat zu sei­ner ersten Sit­zung im Klei­nen Sit­zungs­saal des neu­en Rat­hau­ses zusam­men. Der Markt­ge­mein­de­rat und anwe­sen­de Gemein­de­bür­ger besich­tig­ten das neue Gebäu­de und erhiel­ten von Bür­ger­mei­ster Hänf­ling einen Bericht über den Stand der Bau­maß­nah­men. Ab Mai 1981 galt das Rat­haus als fer­tig­ge­stellt und die Ver­wal­tung hat­te ihren neu­en festen Sitz.

Histo­ri­sche Wan­de­run­gen zu den frü­he­ren Gemeindekanzleien

Anläss­lich des 50jährigen Jubi­lä­ums hat das Archiv Markt Ecken­tal vier Wan­de­run­gen durch alle Ort­schaf­ten, die heu­te zum Markt Ecken­tal gehö­ren, zusam­men­ge­stellt. Sie füh­ren an den letz­ten Gemein­de­ver­wal­tun­gen vor­bei und ver­mit­teln einen Ein­druck der Unter­schied­lich­keit der Ort­schaf­ten und nicht zuletzt ihrer land­schaft­lich schö­nen Lage. Die Rou­ten wur­den von dem Wan­der­freund Peter Bajus ent­wor­fen, der bereits die Wan­de­run­gen und Spa­zier­we­ge rund um Ecken­tal aus­ge­ar­bei­tet hat. Alle Wan­de­run­gen ent­hal­ten eine Kar­te und eine detail­lier­te Weg­be­schrei­bung. Die Wan­der­be­schrei­bun­gen kön­nen über die Home­page der Gemein­de www​.ecken​tal​-mfr​.de her­un­ter­ge­la­den wer­den. Aus­ge­druck­te Exem­pla­re der 4 Wan­de­run­gen lie­gen im Foy­er des Rat­hau­ses zum Abho­len aus.

Am 24. Juli kann die ehe­ma­li­ge Kanz­lei in Her­pers­dorf mit Ori­gi­nal­do­ku­men­ten aus dem Archiv Markt Ecken­tal von 10 – 17 Uhr in der Mül­lerstra­ße 8 besich­tigt werden.

Bis Okto­ber 2022 sind Besich­ti­gun­gen nach Ver­ein­ba­rung mit The­re­sia Bartels unter Tel.: 09126/ 4024 möglich.