Zet­tels Refle­xio­nen: Wie wur­de ich was ich bin?

Peter Zettel
Peter Zettel

Eine span­nen­de Fra­ge, nicht wahr? In mei­nem Ver­ständ­nis fing es ganz banal an: bei mei­nen Eltern. Sie stell­ten mir sozu­sa­gen die Grund­aus­stat­tung zur Ver­fü­gung. Bio­lo­gisch betrach­tet über Gene­tik und Epi­ge­ne­tik. Phi­lo­so­phisch gese­hen war es eine Fol­ge ‚mei­nes’ Kon­struk­ti­vis­mus, des­sen Ele­men­te und Form­struk­tur ich natür­lich von ihnen gelernt habe.

Das waren sozu­sa­gen die Lego­bau­stei­ne, aus denen ich mir mei­ne Welt zusam­men­bau­te. Da spielt übri­gens Mar­shall Mc Luhans Über­le­gung eine gewich­ti­ge Rol­le, dass nicht nur das Medi­um die Bot­schaft ist, son­dern eben die Form die Inhal­te defi­niert und alles, was wir anwen­den, zu einer Exten­si­on unse­res Selbst wird.

Dass trans­ge­ne­ra­tio­na­le Phä­no­me­ne im Leben der Men­schen eine ganz wesent­li­che Rol­le spie­len, wird heu­te kaum jemand bestrei­ten wol­len, es sei denn natür­lich, man blen­det die Erkennt­nis­se der aktu­el­len Wis­sen­schaf­ten ein­fach aus, weil sie nicht in das per­sön­li­che Welt­bild pas­sen. Was man aber nicht tun soll­te, will man nicht den eige­nen Über­zeu­gun­gen auf den Leim gehen.

Mit ‚trans­ge­ne­ra­tio­na­ler Wei­ter­ga­be‘ wird die Über­tra­gung von Erfah­run­gen der Ange­hö­ri­gen einer Gene­ra­ti­on auf die Mit­glie­der einer nach­fol­gen­den Gene­ra­ti­on bezeich­net, wobei es sich in der Regel um ein unbe­ab­sich­tig­tes, oft unbe­wuss­tes und nicht sel­ten auch unge­woll­tes Gesche­hen han­delt. Und ja, es kostet letzt­lich eini­ges an Mut, sich ein­zu­ge­ste­hen, dass man so ist, wie man ist. Es fühlt sich eben fremd an, aber es ist es letzt­lich nicht. Schön paradox.

Sich das ein­zu­ge­ste­hen erfor­dert auch des­halb eine Por­ti­on Mut, weil regel­mä­ßig ein „Nicht-Wahr­ha­ben-Wol­len“ damit ein­her­geht. Das betrifft aber nicht wirk­lich einen selbst, son­dern die Eltern und Groß­el­tern, die eben oft oder meist nicht so sind, wie sie sein soll­ten. Oder wie wir sie als Kin­der ger­ne erlebt hät­ten. Aber den Gefal­len tun sie ganz offen­sicht­lich nur sehr, sehr selten.

Ich bin also so, wie ich bin, weil ich in der Spra­che der radi­ka­len Kon­struk­ti­vi­sten die mir elter­li­cher­seits zur Ver­fü­gung gestell­ten Lego­bau­stei­ne mit Hil­fe der über­nom­me­nen (kopier­ten) gedank­li­chen Struk­tu­ren und For­men zu (m)einem Welt­bild zusam­men­ge­baut habe – ob das nun der Wirk­lich­keit ent­spricht oder eben nicht – Haupt­sa­che, es ent­sprach mei­nen Annah­men über die Wirk­lich­keit. Alles ande­re war doch – wohl­ge­merkt für ein Kind! – über­haupt nicht von Bedeutung!

Als Erwach­se­ner weiß ich dar­um, dass wir alle in einer gesell­schaft­li­chen Kon­struk­ti­on der Wirk­lich­keit leben und dass wir alle flei­ßig mit an die­ser Kon­struk­ti­on mit­ar­bei­ten. Es sei denn, wir wären uns selbst auf die Schli­che gekom­men und hät­ten uns end­lich aus dem kon­ven­tio­nel­len Welt­bild ver­ab­schie­det um end­lich das Welt­bild und damit das Welt­ver­ständ­nis zu defi­nie­ren und zu desi­gnen, das der Wirk­lich­keit am näch­sten kommt.

Wir dür­fen nie ver­ges­sen, dass es nicht um ‚die‘ Wirk­lich­keit geht, son­dern immer nur um die eige­ne, sub­jek­ti­ve Wirk­lich­keit. Wenn wir uns daher fra­gen, was denn nun Wirk­lich­keit eigent­lich ist, soll­ten wir uns nicht auf unse­re sub­jek­ti­ve Wahr­neh­mung ver­las­sen, son­dern den mög­lichst objek­ti­ven Erkennt­nis­sen der Wis­sen­schaf­ten ver­trau­en. Das ein­zig Inter­es­san­te sind daher Fak­ten, alles ande­re ist nur eine Kon­struk­ti­on, eben (m)eine Interpretation.

Ich bin also gut bera­ten, mich sehr bewusst und äußerst acht­sam mit den Din­gen wie den Men­schen um mich her­um in Bezie­hung zu set­zen. Denn all das oben Geschrie­be­ne ist der ulti­ma­ti­ve Hin­weis dar­auf, dass wir selbst unse­re Welt gestal­ten. Natür­lich sind die Din­ge, wie sie eben sind. Doch wozu ich mich ent­schei­de, wie es also wei­ter­geht, das ist allein mei­ne Ver­ant­wor­tung. Und weil ich kein Kind mehr bin, habe ich die Macht, zu tun, was ich tue. Und tue ich das auch noch aus einem ethi­schen Kon­zept her­aus – was soll­te da noch schief gehen?


Peter Zet­tel

ist pen­sio­nier­ter Anwalt. Seit ein paar Jah­ren ist er begei­ster­ter Motor­rad­fah­rer – sein per­sön­li­cher Weg der Selbst­er­kennt­nis. Er inter­es­siert sich für das, was die Welt bewegt und schreibt dar­über in sei­nem Blog zet​tel​.biz.

Alle bis­her im Wie­sent­bo­ten erschie­nen „Zet­tels Refle­xio­nen