Bam­berg: Das gro­ße Trai­ner­in­ter­view mit Jan Gern­lein „Wir wol­len attrak­ti­ven Fußball“

Jan Gernlein FC Eintracht Bamberg
FC Eintracht Bamberg 2010 e.V. Jan Gernlein im Interview. Foto: FV Eintracht Bamberg

Fans und Spon­so­ren von unse­rem Weg überzeugen

Bam­berg. Nach dem kurz­fri­sti­gen, aber nach­voll­zieh­ba­ren Wech­sel von Juli­an Kol­beck zum Dritt­li­ga­auf­stei­ger SpVgg Bay­reuth setzt der FC Ein­tracht Bam­berg erneut auf einen jun­gen Trai­ner auf der Chef­coach­po­si­ti­on: Jan Gern­lein ist mit 29 Jah­ren gera­de ein­mal ein­ein­halb Jah­re älter als Juli­an Kol­beck – und hat eine nahe­zu iden­ti­sche Spiel­auf­fas­sung wie sein Vor­gän­ger. Alles beim Alten also? Wie der neue Mann an der Sei­ten­li­nie des FCE wirk­lich tickt, wo er sei­ne Mann­schaft sieht und wel­che Plä­ne er hat, ver­rät er im gro­ßen Trainerinterview!

Jan, für Dich ist die neue Trai­ner­stel­le ja sozu­sa­gen ein Heim­spiel. Du kennst als Wahl­bam­ber­ger die Stadt schon lan­ge. Wo kann man Dich denn in Bam­berg jen­seits des Fuß­ball­plat­zes am besten tref­fen? Gibt es einen Lieb­lings­ort? Ach, hier gibt es ein­fach so vie­le schö­ne Plät­ze: das Hain­bad, der Kiosk Kun­ni, das Schlen­kerla oder auch das Café Mül­ler in der Austra­ße. Irgend­wo dort und dazwi­schen bin ich immer zu fin­den … (lacht) Und ab sofort natür­lich auch im Fuchs-Park-Sta­di­on. Wenn Dir jemand am 1. Mai gesagt hät­te, dass Du am 31. Mai Chef­trai­ner beim FC Ein­tracht Bam­berg bist, dann …? … hät­te ich dar­auf ver­wie­sen, dass hier ein her­vor­ra­gen­der Trai­ner arbei­tet – und ich mich eher im Jugend­be­reich sehe.

Wie ist das denn genau gelau­fen, dass Du so über­ra­schend zum FC Ein­tracht gekom­men bist?

Unglaub­lich spon­tan und schnell. Sascha (Dorsch, stv. Vor­stands­vor­sit­zen­der, Anm. d. Red.) hat mich am Sonn­tag (29. Mai) ange­ru­fen, Mon­tag (30. Mai) haben wir uns mit Juli­an Kol­beck gemein­sam getrof­fen – und Diens­tag (31. Mai) war klar, dass wir es machen wol­len. Ich glau­be, manch­mal sind die­se über­ra­schen­den Fügun­gen nicht die schlechtesten.

Eine Wahn­sinns­ge­schich­te, vor allem, dass der alte Trai­ner bei der Suche des neu­en betei­ligt ist! Hast Du Dich inzwi­schen schon etwas eingewöhnt?

In der Tat! Leicht macht es mir sicher­lich, dass ich schon vie­les hier ken­ne: die Stadt, den Ver­ein und auch die ein oder ande­re han­deln­de Per­son. Trotz­dem wird es eini­ge Zeit dau­ern, bis ich bei jedem weiß, wer er oder sie ist und wel­che Funk­ti­on jeder hier hat. Dafür ist der Ver­ein auch ein­fach zu groß, als dass man das sofort alles überblickt.

Dein alter Ver­ein, der FC Schwein­furt 05, ist ein pro­fes­sio­nel­ler Regio­nal­li­ga­ver­ein, der seit Jah­ren ver­sucht, in die 3. Liga auf­zu­stei­gen. Dein neu­er Ver­ein ist ein ambi­tio­nier­ter Bay­ern­li­gist, der nach schwie­ri­gen Jah­ren inzwi­schen wie­der gut auf­ge­stellt ist und fast den Auf­stieg in die Regio­nal­li­ga geschafft hät­te. Was Schwein­furt und Bam­berg eint, sind die gro­ße Fuß­ball­tra­di­ti­on und einst hei­ße Gefechte.

Wor­in siehst Du den größ­ten Unter­schied zwi­schen bei­den Klubs?

Bei­de eint, dass der Weg in die nächst­hö­he­re Liga wirk­lich noch weit ist. Der größ­te Unter­schied liegt sicher auch in der Aus­rich­tung in Sachen Spon­so­ring und Jugend­för­de­rung. Schwein­furt hat mit Prä­si­dent Mar­kus Wolf einen gro­ßen Geld­ge­ber, der den Groß­teil des Etats selbst stellt. Wir in Bam­berg hin­ge­gen haben vie­le Part­ner und sind nicht abhän­gig von einem gro­ßen Spon­sor. Und das The­ma Jugend ist in Schwein­furt lei­der auch schwer prak­ti­ka­bel gewe­sen, da mit der Umstel­lung auf Pro­fi­tum und der Abschaf­fung der zwei­ten Mann­schaft der Weg für die eige­nen Jugend­spie­ler immer schwe­rer wur­de. Wir ver­su­chen in Bam­berg, jetzt eige­ne Jugend­spie­ler so zu inte­grie­ren, dass sie feste Kader­plät­ze haben und ver­zich­ten lie­ber mal auf die ein oder ande­re Ver­pflich­tung, wenn es auf der glei­chen Posi­ti­on einen U19 Spie­ler gibt.

Euer Test­spiel­pro­gramm für die neue Sai­son hat es in sich: ein Dritt­li­ga­ab­stei­ger (Würz­bur­ger Kickers), ein Dritt­li­ga­auf­stei­ger (Bay­reuth), zwei Regio­nal­li­gi­sten (Aub­stadt und Fürth). Gegen die Kickers setz­te es ein 1:7 im Fuch­s­park, in Bay­reuth ein 0:4. Ihr habt aller­dings das gro­ße Han­di­cap, dass etli­ches Stamm­per­so­nal zum Auf­takt nicht anwe­send ist. Was sagen sol­che Spie­le gegen gro­ße Geg­ner für Dich aus?

Um ganz ehr­lich zu sein, sind die­se Spie­le sport­lich nicht zu bewer­ten. Wir sehen ledig­lich mal, wie weit der Weg noch ist, um eine Liga wei­ter oben Fuß zu fas­sen. Für die aktu­el­le Kader- und Per­so­nal­si­tua­ti­on sind die­se Spie­le nicht ide­al, da wir sehr vie­le jun­ge Spie­ler haben, die Spiel für Spiel hin­ter­her­lau­fen müs­sen. Wei­ter glau­be ich, dass die­se Spie­le wenig
mit dem zu tun haben wer­den, was uns in der Sai­son erwar­tet. Hier wird es wenig Spie­le geben, in denen wir 90 Minu­ten durch­ge­hend ver­tei­di­gen müs­sen. Ich glau­be, selbst wenn wir alle Lei­stungs­trä­ger an Bord hät­ten, wären die­se Spie­le sehr schwer erfolg­reich zu gestalten.

Tran­zis­ka, Hel­mer, Schmitt­sch­mitt – der FCE hat nahe­zu sei­ne kom­plet­te Offen­siv­ab­tei­lung ver­lo­ren. Ande­rer­seits sind tra­gen­de Säu­len wie Kett­ler, Popp, Reisch­mann oder Kau­be geblie­ben. Und die Kader­pla­nung ist ja noch nicht ganz abgeschlossen.

Was traust Du Dei­nem Team in der neu­en Bay­ern­li­ga-Run­de zu?

Wenn man so will, haben wir knapp 60 Tore aus der letz­ten Sai­son ver­lo­ren und müs­sen sehr krea­tiv wer­den, um das annä­hernd auf­zu­fan­gen. Auch bei der Kader­pla­nung muss­ten wir gewis­se Ideen mit ein­brin­gen, da das Bud­get bei uns nicht gren­zen­los ist. Wir woll­ten hier kei­ne wil­den Din­ge machen, was dem Ver­ein bekannt­lich in der Ver­gan­gen­heit nicht gut­ge­tan hat. Also spie­len auch hier unse­re jun­gen Spie­ler eine gro­ße Rol­le, und wir müs­sen sehen, wie wir uns als Gemein­schaft ent­wickeln kön­nen. Die Neu­zu­gän­ge sol­len auch alle
erst­mal in Ruhe ankom­men dürfen.

Gäbe es einen Wunsch­spie­ler, den Du ger­ne hättest?

Ich bin mensch­lich wie sport­lich mit unse­rem Kader zufrie­den. Einen Innen­ver­tei­di­ger hät­ten wir noch ver­tra­gen kön­nen, aber auch hier wer­den wir gute Lösun­gen fin­den. Wunsch­spie­ler gibt es auch des­halb nicht, da am Ende immer das beste Team erfolg­reich ist.

Blicken wir mal auf den Spiel­plan: Zum Bay­ern­li­ga-Start steht gleich ein Tra­di­ti­ons­der­by in Würz­burg an: WFV gegen FCE. Die heim­star­ken Würz­bur­ger konn­ten sich erst über die Rele­ga­ti­on in der Liga hal­ten. Für Dich ein schwe­rer oder mach­ba­rer Auftakt?

Ich glau­be, es ist gleich mal ein Duell mit einer gewis­sen Bri­sanz auch für unse­re Fans. Man darf sich defi­ni­tiv nicht täu­schen las­sen, dass der WFV letz­tes Jahr Rele­ga­ti­on gespielt hat. Sie haben eine gute Trup­pe und gera­de auch mit Lukas Illig einen star­ken Spie­ler aus Groß­bar­dorf dazu bekom­men, der auch eine gewis­se Sta­bi­li­tät mit­bringt. Daher wird das kein leich­tes Spiel, aber wir wol­len jedes Spiel zu einem mach­ba­ren für uns machen.

Die Augen der Bam­ber­ger Fuß­ball­fans sind ja auch schon ein biss­chen auf den 4. Spiel­tag gerich­tet, wenn das Der­by bei der DJK Don Bos­co ansteht. Kommt die­ses High­light, das Du jetzt zum ersten Mal als Ver­ant­wort­li­cher mit­er­le­ben darfst, für Dich zu früh in der Sai­son? Ich freue mich, dass wir nicht so lan­ge dar­auf war­ten müs­sen. Da ich ja auch den ein oder ande­ren Spie­ler aus Wil­densorg ken­ne, freu ich mich auf sol­che Spie­le natür­lich eben­so wie die Fans. Gewünscht hät­te ich mir jedoch, dass wir im Som­mer bei uns im Sta­di­on und das Rück­spiel im Herbst/​Winter auf Kunst­ra­sen spie­len. Aber das wur­de lei­der anders gelegt.

Wel­cher Bam­ber­ger Ver­ein, glaubst Du, wird am Ende der Sai­son in der Tabel­le bes­ser plat­ziert sein?

Unser Ziel ist es natür­lich bes­ser plat­ziert zu sein, aber das kann man vor­ab nie sagen. Wir müs­sen erst­mal schau­en, wie sich unse­re Jungs an die Liga gewöh­nen und wie die Ent­wick­lung der Mann­schaft ist. Wenn wir arbei­ten und bereit sind zu inve­stie­ren, wer­den wir am Ende wohl „Stadt­mei­ster“ werden.

Und noch eine Ein­schät­zung zur Liga: Wel­ches sind die schwie­rig­sten Auf­ga­ben, wer gehört zu Dei­nen Favoriten?

Der Abstei­ger aus Elters­dorf mit einem sehr brei­ten Kader, Jahn Regens­burg 2, weil sie gut aus­ge­bil­det sind und allen vor­an Donaus­tauf. Ich glau­be, gera­de Donaus­tauf ist weni­gen als so kras­ser Favo­rit bekannt. Aber wenn man hört, was da für Zah­len für Trai­ner und Spie­ler auf den Tisch gelegt wer­den, dann hat das nichts mit dem zu tun, was wir hier Woche für Woche machen. Da kann man schon davon spre­chen, dass das eine ande­re Liga ist.

Kom­men wir mal zur Tak­tik: Die Fans im Fuchs-Park-Sta­di­on sind in den ver­gan­ge­nen Jah­ren sehr ver­wöhnt wor­den, was attrak­ti­ven Offen­siv­fuß­ball angeht? Wie sieht Dei­ne Stra­te­gie aus?

Wir wer­den immer mutig Fuß­ball spie­len und unser Herz auf dem Platz las­sen. Wenn das Woche für Woche der Fall ist, dann wer­den wir uns am Ende wenig vor­zu­wer­fen haben. Wir haben ger­ne den Ball und gegen das ein oder ande­re Tor mehr, hab ich auch nichts einzuwenden.

Klingt gut! Wenn Du die Wahl mit dem FCE hast: lie­ber 3–5‑2 oder 4–4‑2?

Eher 3–5‑2, wobei das ja alles nur Zah­len­spie­le­rei­en sind. Am Ende ist es wich­ti­ger, dass wir alle den glei­chen Gedan­ken auf dem Platz haben.

Apro­pos: alle den glei­che Gedan­ken. Als was für einen Trai­ner­ty­pen wür­dest Du Dich beschreiben?

Ich wür­de sagen, dass ich nah an der Mann­schaft bin – mit einer natür­li­chen Auto­ri­tät, ohne groß her­um­schrei­en zu müs­sen. Eher ruhig und sach­lich. Was eint und was unter­schei­det Dich in die­sem Punkt mit Dei­nem Vor­gän­ger Juli­an Kolbeck?

Dafür ken­nen wir uns per­sön­lich zu wenig und dafür weiß ich auch zu wenig über sei­ne Arbeit auf dem Platz. Ich glau­be, er hat einen guten Job gemacht. Wenn ich das auch schaf­fe, dann wür­de ich mich freu­en, wenn uns das eint.

Was muss also pas­sie­ren, damit Du im Mai 2023 sagst: Das war eine gute Saison!

Wir soll­ten einen attrak­ti­ven Fuß­ball spie­len, jun­ge Spie­ler inte­griert haben und es geschafft haben, die Fans im Sta­di­on und die Spon­so­ren in der Stadt von unse­rem Weg zu über­zeu­gen. Eine gute Sai­son ist für mich nicht nur an Ergeb­nis­sen aus­zu­ma­chen, son­dern an der Ent­wick­lung von Ver­ein, Mann­schaft, Umfeld, etc.

Und wie sehen Dei­ne Zukunfts­plä­ne gene­rell mit dem FC Ein­tracht aus?

Ich bin jetzt erst­mal froh, wenn die Mann­schaft nach Urlaub, Krank­hei­ten und Ver­let­zun­gen zum ersten Mal kom­plett zusam­men ist. Dann muss man sehen, wo man all­ge­mein im Umfeld noch Hebel anset­zen kann, um den Ver­ein Stück für Stück noch belieb­ter und attrak­ti­ver zu machen. Wenn wir es schaf­fen, die Trai­nings­be­din­gun­gen mit­tel­fri­stig wei­ter zu ver­bes­sern, wäre ich auch sehr zufrie­den. Aber eins nach dem anderen.

Herz­li­chen Dank, Jan, für die­se Ein­blicke und die besten Wün­sche für eine erfolg­rei­che Saison!

Das Gespräch führ­te Adri­an Gro­del (FCE Kom­mu­ni­ka­ti­on).