Aus der Bay­reu­ther Leser­post: Leser­brief zur Situa­ti­on in der Pflege

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Stel­len Sie es sich ein­fach ein­mal vor, Sie wol­len sich waschen, Sie müs­sen die Toi­let­te benut­zen, Sie kön­nen aber Ihre Kör­per­hy­gie­ne nicht allei­ne durch­füh­ren, Sie brau­chen…. Pfle­ge! Damit Sie sich wie­der mensch­lich füh­len können.

Stel­len Sie sich vor, Sie haben Hun­ger, Sie haben Durst, Sie kön­nen sich aber nicht ver­sor­gen. Sie brau­chen …Pfle­ge! Damit Sie sich wie­der mensch­lich füh­len können.

Stel­len Sie sich vor, Sie sind Pfle­ge­FACH­kraft und wol­len pfle­gen und kön­nen das nicht so, wie Pfle­ge aus­zu­se­hen hat, mensch­lich und Hil­fe gebend. Zu vie­le Pati­en­ten, zu vie­le Über­stun­den, zu viel Papier, zu wenig Ach­tung für die Arbeit.

Ja. Pfle­ge­fach­kräf­te und Pfle­ge­be­dürf­ti­ge sit­zen in einem Boot.

Nein, lie­ber Leser, den­ke bit­te nicht, das geht mich nix an und bis ich alt bin, hat sich das System bestimmt verbessert.

Pfle­ge­be­dürf­tig­keit kommt im wahr­sten Sin­ne des Wor­tes Knall auf Fall: Schlag­an­fall, Hirn­in­farkt, Unfall und Krank­heit kom­men inner­halb von Sekun­den…. sie fra­gen nicht, nach Alter, Geschlecht, gesell­schaft­li­cher Posi­ti­on… sie sind dann ein­fach da…

In einem kann ich Richard Knorr nicht Recht geben: Wir ste­hen nicht vor dem Pfle­ge­not­stand, wir leben mittendrin.

Weder in der sta­tio­nä­ren noch in der ambu­lan­ten Pfle­ge kön­nen die Pfle­ge­lei­stun­gen in aus­rei­chen­dem und wür­de­vol­lem Umfang gelei­stet werden.

Ros­wi­tha Scheck­lmann, die Lei­te­rin des Bri­git­ten­hei­mes in Peg­nitz hat vor gut einer Woche mit kla­ren Wor­ten Posi­ti­on bezo­gen: Die Pfle­ge ist pflegebedürftig.

Und was ist mit den all­täg­li­chen Hil­fe­lei­stun­gen wie put­zen, waschen, ein­kau­fen, ein­fach mal mit­ein­an­der reden, die vor und neben der eigent­li­chen Pfle­ge erfor­der­lich sind? Die­ses Feld wur­de den Ehren­amt­li­chen „über­las­sen“. Hier wird an den Gemein­sinn appel­liert, an die gute Nach­bar­schaft und so wei­ter. Hier hängt viel vom „Good Will“ ab. In Kom­mu­nen mit enga­gier­ten Bür­ger­mei­stern, Gemein­de­rä­ten und Bür­gern funk­tio­niert das… dafür ein ganz dickes DAN­KE. Aber auch hier gibt es jede Men­ge Bürokratie.

Ja, fra­gen Sie sich jetzt viel­leicht, wie ändern wir das? Wir haben jede Men­ge Pfle­ge­stär­kungs­ge­set­ze, zusätz­li­che Stel­len für Pfle­ge­kräf­te, die Bezah­lung wird angehoben.

Da fehlt sich nix…

Wür­de, Ach­tung, Wert­schät­zung für die Men­schen, die sich dem Dienst am Men­schen ver­schrei­ben, sind not­wen­dig. Ein Umden­ken in der Gesell­schaft. Wir brau­chen Pfle­ge, die nicht die Büro­kra­tie und den Minu­ten­takt, nicht mehr das Ein­spa­ren und das „Nichts kosten dür­fen“, nicht mehr die Effi­zi­enz, son­dern die Zuwen­dung in den Mit­tel­punkt stellt. Der Mensch muss Maß­stab der Pfle­ge sein, sowohl der Mensch, der Pfle­ge braucht, als auch der Mensch, der Pfle­ge gibt.

Gute Pfle­ge braucht neben Zeit auch Geld. Erst, wenn Pfle­ge etwas kosten darf, dann ist die Pfle­ge gut.

Son­ja Wag­ner, Senio­ren­be­auf­trag­te Land­kreis Bayreuth