Welt­bi­e­nen­tag: Rechts­gut­ach­ten zeigt zahl­rei­che Lücken und Hand­lungs­be­darf im Insektenschutz

bienenvolk symbolbild

Nach weit­rei­chen­den poli­ti­schen Ankün­di­gun­gen von Mini­ster­prä­si­dent Mar­kus Söder und der Bun­des­re­gie­rung zur dra­sti­schen Redu­zie­rung von Pesti­zid­ein­satz in der Land­wirt­schaft müs­sen nun auch Taten fol­gen. Ein neu­es Rechts­gut­ach­ten des renom­mier­ten Umwelt­ju­ri­sten Dr. Ste­fan Möckel (UFZ Leip­zig), das der Trä­ger­kreis des Volks­be­geh­rens Arten­viel­falt – „Ret­tet die Bie­nen!“ in Auf­trag gege­ben hat, bilan­ziert die erziel­ten Fort­schrit­te. Der Schwer­punkt liegt dabei auf Schutz­ge­bie­ten und zeigt den umfas­sen­den wei­te­ren Hand­lungs­be­darf der Gesetz­ge­ber in Land und Bund. Denn selbst in Schutz­ge­bie­ten der höch­sten Kate­go­rie wie Natu­ra 2000 dür­fen auf­grund zahl­rei­cher Lücken in den Geset­zen in man­chen Fäl­len noch hoch­gif­ti­ge Pflan­zen­schutz­mit­tel ein­ge­setzt wer­den. Das voll­stän­di­ge Rechts­gut­ach­ten ist ab dem Welt­bi­e­nen­tag am 20.5.22 unter www​.umwelt​stif​tung​.com verfügbar.

Sowohl in den Ankün­di­gun­gen der Staats­re­gie­rung als auch im Koali­ti­ons­ver­trag der Bun­des­re­gie­rung fin­den sich weit­rei­chen­de poli­ti­sche Zie­le zur Pesti­zid­re­du­zie­rung. Das nun vor­lie­gen­de umfas­sen­de Rechts­gut­ach­ten bilan­ziert, dass selbst bei den Rege­lun­gen zum Ein­satz hoch­gif­ti­ger Sub­stan­zen in und im Umfeld von Schutz­ge­bie­ten noch gro­ße Defi­zi­te herr­schen. Grund sind diver­se Lücken in den bun­des- und lan­des­recht­li­chen Bestim­mun­gen. So sind ins­be­son­de­re für NATU­RA-2000-Gebie­te weder in den baye­ri­schen Rege­lun­gen auf Län­der­ebe­ne noch in den ent­spre­chen­den Bun­des­ge­set­zen wirk­sa­me und den EU-Vor­ga­ben ent­spre­chen­de Geneh­mi­gungs­pflich­ten ent­hal­ten. Dabei erfül­len gera­de die­se Flä­chen beim Schutz der bio­lo­gi­schen Viel­falt eine Rol­le als beson­ders bedeut­sa­me Schutz­ge­bie­te. Zur Behe­bung die­ser Umset­zungs­de­fi­zi­te sind sowohl der Bund als auch Bay­ern verpflichtet.

Das Gut­ach­ten von Dr. Ste­fan Möckel fasst den aktu­el­len Sta­tus wie folgt zusam­men: „Ins­ge­samt ist zu emp­feh­len, bun­des- oder lan­des­recht­lich den Ein­satz von Pesti­zi­den voll­stän­dig in und in der Nähe von Natur­schutz­ge­bie­ten, gesetz­lich geschütz­ten Land­schafts­be­stand­tei­len und Bio­to­pen sowie in den Kern­zo­nen von Natio­nal­parks, Natur­mo­nu­men­ten und Bio­sphä­ren­re­ser­va­ten zu unter­sa­gen und im Übri­gen den Ein­satz in die­sen Schutz­ge­bie­ten sowie in und in der Nähe von Natu­ra 2000-Gebie­ten einem Geneh­mi­gungs­vor­be­halt mit behörd­li­cher Ver­träg­lich­keits­prü­fung zu unter­wer­fen. Bei der Fest­le­gung der ein­zu­be­zie­hen­den Abstands­flä­chen soll­te bei klei­ne­ren Schutz­ob­jek­ten (u.a. Bio­to­pe und Land­schafts­be­stand­tei­le) zumin­dest die unmit­tel­ba­re Abdrift und bei den grö­ße­ren Schutz­ge­bie­ten auch die weit­räu­mi­ge­re Ver­frach­tung von Pesti­zi­den mit­be­rück­sich­tigt werden“.

Agnes Becker, Beauf­trag­te des Volks­be­geh­rens und ÖDP-Landesvorsitzende:
„Haus­auf­ga­ben machen! – sagt man zu Schul­kin­dern. Die Liste uner­le­dig­ter Auf­ga­ben der Staats­re­gie­rung wird immer län­ger, dabei wäre es ein­fach: Pesti­zi­de in und um Schutz­ge­bie­te, den letz­ten Rück­zugs­ge­bie­ten für bedroh­te Arten, das geht gar nicht! Hier muss die Staats­re­gie­rung unbe­dingt EU-Recht in Lan­des­recht umsetzen. “

Dr. Nor­bert Schäf­fer, LBV-Vor­sit­zen­der: „Die aktu­el­le Rote Liste gefähr­de­ter Bie­nen in Bay­ern belegt, dass mehr als die Hälf­te der Wild­bie­nen­ar­ten bedroht ist. Zusam­men mit der nach wie vor rele­van­ten Kre­fel­der Stu­die, die einen dra­ma­ti­schen Rück­gang der Flug­in­sek­ten-Bio­mas­se fest­stell­te, ist somit doch über­deut­lich, dass ein Han­deln drin­gend erfor­der­lich ist und wir end­lich kla­re Rege­lun­gen zur Pesti­zid­re­duk­ti­on brauchen.“

Lud­wig Hart­mann, Frak­ti­ons­vor­sit­zen­der Bünd­nis 90/​Die Grü­nen im Baye­ri­schen Land­tag: „Zur Annah­me des Volks­be­geh­rens Arten­viel­falt „Ret­tet die Bie­nen!“ hat der Land­tag beschlos­sen, den Ein­satz von Pesti­zi­den bis 2028 um die Hälf­te zu redu­zie­ren. Nach drei Jah­ren hat es die Staats­re­gie­rung noch nicht mal geschafft, eine vali­de Daten­ba­sis vor­zu­le­gen. Wie­der ein­mal stecken hin­ter den Ankün­di­gun­gen von Söders Staats­re­gie­rung nur lee­re Ver­spre­chun­gen, auf die sich die Men­schen in Bay­ern nicht ver­las­sen kön­nen. Dabei zeigt das Volks­be­geh­ren doch klar: Die Men­schen wol­len weni­ger Pesti­zi­de in der baye­ri­schen Landwirtschaft.“

Claus Ober­mei­er, Vor­stand der Gre­gor Loui­so­der Umwelt­stif­tung: „Wir müs­sen im Natur­schutz bei zen­tra­len Punk­ten wie dem Insek­ten- und Gewäs­ser­schutz end­gül­tig von einer Ankün­di­gungs­po­li­tik zu einer Umset­zungs­of­fen­si­ve kom­men. Nach dem erfolg­rei­chen Volks­be­geh­ren „Ret­tet die Bie­nen!“ in Bay­ern und den so erziel­ten gesetz­li­chen Fort­schrit­ten ist zur­zeit eher eine Sta­gna­ti­on fest­zu­stel­len. Zur Umset­zung der Pesti­zid­zie­le von Lan­des- und Bun­des­re­gie­rung sind wei­te­re Geset­zes­pa­ke­te erfor­der­lich, nicht Ankündigungen“.

Hin­ter­grund: Dr. Ste­fan Möckel (wis­sen­schaft­li­cher Refe­rent am UFZ, Depart­ment Umwelt- und Pla­nungs­recht) ist Jurist und forscht seit 20 Jah­ren zum Ver­hält­nis von Umwelt und Land­wirt­schaft sowie den dies­be­züg­li­chen Rechts­vor­schrif­ten auf euro­päi­scher und natio­na­ler Ebene.