Ehren­dok­tor­wür­de der Uni­ver­si­tät Bay­reuth für die west­afri­ka­ni­sche Sozio­lo­gin und Frau­en­recht­le­rin Fatou Sow

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Sie ist eine Pio­nie­rin der Gen­der­stu­di­en in Afri­ka und eine Femi­ni­stin, die ihre wis­sen­schaft­li­che Arbeit mit einem jahr­zehn­te­lan­gen Enga­ge­ment für die Rech­te von Frau­en in allen Berei­chen von Poli­tik, Gesell­schaft, Wirt­schaft und Reli­gi­on ver­bun­den hat: Die sene­ga­le­si­sche Sozio­lo­gin und Akti­vi­stin Dr. Fatou Sow wur­de am 18. Mai 2022 mit der Ehren­dok­tor­wür­de der Uni­ver­si­tät Bay­reuth aus­ge­zeich­net. Die Bay­reuth Inter­na­tio­nal Gra­dua­te School of Afri­can Stu­dies (BIGS­AS), die inter­na­tio­na­le Gra­du­ier­ten­schu­le des Exzel­lenz­clu­sters „Afri­ca Mul­ti­ple“ an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth, hat­te sie für die­se Ehrung vor­ge­schla­gen. Dr. Fatou Sow ist eine der ersten Afri­ka­ne­rin­nen, die in Deutsch­land eine Ehren­dok­tor­wür­de erhielt.

Die senegalesische Soziologin und Aktivistin Dr. Fatou Sow. © Fatou Sow.

Die sene­ga­le­si­sche Sozio­lo­gin und Akti­vi­stin Dr. Fatou Sow. © Fatou Sow.

Zur fei­er­li­chen Ver­lei­hung der Ehren­dok­tor­wür­de auf dem Uni­ver­si­täts­cam­pus hat­ten sich zahl­rei­che Wissenschaftler*innen, Stu­die­ren­de, Alum­ni, Mit­glie­der und Freun­de der Bay­reu­ther Afri­ka­stu­di­en ver­sam­melt. Gemein­sam woll­ten sie die inter­na­tio­nal hoch­ge­schätz­te Wis­sen­schaft­le­rin und Frau­en­recht­le­rin ehren, der vie­le von ihnen wich­ti­ge Impul­se für die eige­ne Arbeit auf unter­schied­li­chen Gebie­ten von Wis­sen­schaft, Gesell­schaft und Kul­tur ver­dan­ken. Aly Keï­ta von der Elfen­bein­kü­ste und Matchu­me Zan­go aus Mosam­bik beglei­te­ten die Ver­an­stal­tung mit Klän­gen und Rhyth­men auf tra­di­tio­nel­len afri­ka­ni­schen Instrumenten.

In sei­ner Eröff­nungs­re­de zeich­ne­te Uni­ver­si­täts­prä­si­dent Prof. Dr. Ste­fan Leib­le die Erfolgs­ge­schich­te der Bay­reu­ther Afri­ka­stu­di­en nach, die bis zur Grün­dung der Uni­ver­si­tät Bay­reuth zurück­reicht. Sie führ­te 2007 zur Eröff­nung der Bay­reuth Inter­na­tio­nal Gra­dua­te School of Afri­can Stu­dies (BIGS­AS), die zwölf Jah­re lang aus der Exzel­lenz­in­itia­ti­ve des Bun­des und der Län­der geför­dert wur­de. Heu­te ist die BIGS­AS ein Teil des seit 2018 durch die Deut­sche Exzel­lenz­stra­te­gie geför­der­ten Exzel­lenz­clu­sters „Afri­ca Mul­ti­ple“ an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth. Leib­le beton­te den ein­zig­ar­ti­gen inter­dis­zi­pli­nä­ren Cha­rak­ter die­ses inter­na­tio­nal ver­netz­ten Afri­ka­schwer­punkts, an dem nicht nur die Sprach‑, Lite­ra­tur- und Sozi­al­wis­sen­schaf­ten, son­dern auch die Natur­wis­sen­schaf­ten, die Infor­ma­tik, die Rechts- und Wirt­schafts­wis­sen­schaf­ten sowie die Inge­nieur­wis­sen­schaf­ten betei­ligt sind. „Bei all dem haben die The­men Gen­der, Chan­cen­gleich­heit und Diver­si­tät sehr hohe Prio­ri­tät für die Uni­ver­si­tät Bay­reuth und auch wei­ter­hin blei­ben in die­sen Berei­chen insti­tu­tio­nel­le Anstren­gun­gen not­wen­dig“, sag­te der Universitätspräsident.

Feierliche Überreichung der Ehrenpromotionsurkunde: Dr. Fatou Sow, BIGSAS-Sprecherin Prof. Dr. Andrea Behrends und Universitätspräsident Prof. Dr. Stefan Leible (v.l.n.r.). Foto: UBT / Jonas Schöpf.

Fei­er­li­che Über­rei­chung der Ehren­pro­mo­ti­ons­ur­kun­de: Dr. Fatou Sow, BIGS­AS-Spre­che­rin Prof. Dr. Andrea Beh­rends und Uni­ver­si­täts­prä­si­dent Prof. Dr. Ste­fan Leib­le (v.l.n.r.). Foto: UBT / Jonas Schöpf.

„Was ist das ‚Afri­ka­ni­sche‘ an den Afri­ka­stu­di­en?“ Die­se Fra­ge stell­te Prof. Dr. Rüdi­ger See­se­mann, Spre­cher des Exzel­len­clu­sters „Afri­ca Mul­ti­ple“, in den Mit­tel­punkt sei­nes Gruß­worts. Für die Afri­ka­stu­di­en in Bay­reuth gel­te zwar von Beginn an die Maxi­me „For­schung über Afri­ka nur mit Afri­ka“, und die 86 Juni­or Fel­lows und 176 Alum­ni der BIGS­AS, von denen mehr als die Hälf­te aus Afri­ka stammt, sei­en eine ein­drucks­vol­le Bilanz. Doch ins­ge­samt gese­hen, gebe es wei­ter­hin erheb­li­che Ungleich­ge­wich­te in der aka­de­mi­schen Wis­sen­pro­duk­ti­on. „Im gesam­ten Glo­ba­len Nor­den betrach­ten vie­le Men­schen ‚Afri­ka‘ wei­ter­hin als ein Pro­blem, das gelöst wer­den soll­te, und nicht als eine Stim­me, die gehört wer­den muss“, sag­te See­se­mann. Daher hat der Exzel­lenz­clu­ster neue For­men der For­schungs­ko­ope­ra­ti­on eta­bliert, ins­be­son­de­re vier Afri­can Clu­ster Cen­tres an afri­ka­ni­schen Uni­ver­si­tä­ten. Zahl­rei­che Repräsentant*innen die­ser ACCs waren zur Ver­lei­hung der Ehren­dok­tor­wür­de an Dr. Fatou Sow nach Bay­reuth gekommen.

Dr. Fatou Sow ist die erste afri­ka­ni­sche Femi­ni­stin und die erste fran­ko­pho­ne afri­ka­ni­sche Wis­sen­schaft­le­rin, die auf die­se Wei­se von einer deut­schen Uni­ver­si­tät geehrt wur­de. „Wir in BIGS­AS sind sehr inspi­riert von Ihrem Lebens­weg und Ihrer Arbeit als femi­ni­sti­sche Wis­sen­schaft­le­rin, Bil­dungs­ak­ti­vi­stin und aka­de­mi­schem Leit­bild für jun­ge Wissenschaftler*innen“, sag­te Prof. Dr. Andrea Beh­rends, Spre­che­rin der BIGS­AS, in ihrer Will­kom­mens­re­de. „Sie set­zen sich für die Rech­te der Frau­en im Hin­blick auf Gleich­be­rech­ti­gung, Frei­heit, Gesund­heit, Bil­dung, Arbeit und poli­ti­scher Teil­ha­be ein. Damit haben Sie immer wie­der gezeigt – und tun dies auch wei­ter­hin –, wie wich­tig es ist, uner­müd­lich dar­auf zu bestehen, die­se rele­van­ten The­men nicht aus dem Blick zu verlieren.“

Die Laudatorin: Prof. Dr. Ousseina Alidou von der Rutgers University, USA. Foto: UBT / Jonas Schöpf.

Die Lau­da­to­rin: Prof. Dr. Ous­sei­na Ali­dou von der Rut­gers Uni­ver­si­ty, USA. Foto: UBT / Jonas Schöpf.

Höhe­punkt der fei­er­li­chen Ehrung war die Lau­da­tio der nigri­schen Sprach­wis­sen­schaft­le­rin Pro­fes­so­rin Dr. Ous­sei­na Ali­dou von der Rut­gers Uni­ver­si­ty, USA. Sie stell­te die Ver­dien­ste der Bay­reu­ther Ehren­dok­to­rin in einen uni­ver­sa­len Kon­text: Heu­te sei­en glo­ba­les Bewusst­sein und ethi­sches Enga­ge­ment gefor­dert, um die Hin­ter­las­sen­schaf­ten von Unge­rech­tig­keit, Aus­gren­zung und Mar­gi­na­li­sie­rung auf­grund von sozia­len, kul­tu­rel­len, reli­giö­sen, poli­ti­schen und geo­gra­fi­schen Unter­schie­den zu besei­ti­gen. Ange­sichts die­ser Her­aus­for­de­rung habe die Bay­reu­ther Ehren­dok­to­rin sowohl durch ihre wis­sen­schaft­li­chen Arbei­ten als auch durch ihr femi­ni­sti­sches Enga­ge­ment Maß­stä­be gesetzt. „Ich kann mir kei­ne afri­ka­ni­sche intel­lek­tu­el­le Iko­ne vor­stel­len, die es mehr ver­dient hät­te, mit der höch­sten Aus­zeich­nung einer Uni­ver­si­tät geehrt zu wer­den, als Dr. Fatou Sow“, sag­te die Lau­da­to­rin. Sie wür­dig­te ins­be­son­de­re die revo­lu­tio­nä­re Pio­nier­ar­beit, mit der es Fatou Sow gelun­gen ist, die Sexua­li­täts- und Geschlech­ter­for­schung in die fran­zö­sisch­spra­chi­gen Afri­ka­stu­di­en zu inte­grie­ren. Vor allem durch ihr Enga­ge­ment im Rat für die Ent­wick­lung der sozi­al­wis­sen­schaft­li­chen For­schung in Afri­ka (CODE­S­RIA) habe sie auf die­sen Gebie­ten eine femi­ni­sti­sche Sen­si­bi­li­tät in die von Män­nern domi­nier­ten afri­ka­ni­schen Sozi­al­wis­sen­schaf­ten eingebracht.

Ous­sei­na Ali­dou beton­te zugleich Fatou Sows enga­gier­te Aus­ein­an­der­set­zung mit neu­en For­men der Unter­drückung und Mar­gi­na­li­sie­rung von Frau­en, die in einer „Kom­pli­zen­schaft“ von patri­ar­cha­lisch gepräg­ten Eli­ten und einem neo­li­be­ra­len demo­kra­ti­schen Plu­ra­lis­mus wur­zeln. Schon früh habe die sene­ga­le­si­sche Sozio­lo­gin die Fol­gen einer von den poli­ti­schen Eli­ten Afri­kas geför­der­ten Glo­ba­li­sie­rung kri­tisch beob­ach­tet, die wirt­schaft­li­che und kul­tu­rel­le Frei­hei­ten zwar stärkt, sich dabei aber von uni­ver­sel­len Men­schen­rech­ten und vom Prin­zip der Geschlech­ter­gleich­heit abkop­pelt. Zugleich sei Fatou Sow, die sich in ihrer wis­sen­schaft­li­chen Arbeit mit den Aus­wir­kun­gen ver­schie­de­ner Reli­gio­nen auf die Lebens­si­tua­tio­nen afri­ka­ni­scher Frau­en befasst, eine ent­schie­de­ne Ver­fech­te­rin des Säku­la­ris­mus. Über­all in Afri­ka, so stell­te die Lau­da­to­rin fest, stün­den staat­li­che und reli­giö­se Auto­ri­tä­ten in enger Bezie­hung zuein­an­der. Die­se Ver­quickung von Reli­gi­on und Poli­tik wer­de in vie­len öffent­li­chen Debat­ten – bei­spiels­wei­se über sexu­el­le Frei­heit, Emp­fäng­nis­ver­hü­tung, Abtrei­bung, AIDS-Prä­ven­ti­on, sexu­el­le Ori­en­tie­rung, gleich­ge­schlecht­li­che Eltern­schaft und Bio­ethik – deut­lich und stel­le eine mora­li­sche Her­aus­for­de­rung dar, wel­che die Iden­ti­tät jeder und jedes Ein­zel­nen betreffe.

Nach der fei­er­li­chen Über­rei­chung der BIGS­AS-Ehren­pro­mo­ti­ons­ur­kun­de wand­te sich Fatou Sow mit bewe­gen­den Dan­kes­wor­ten an alle, die sie auf ihrem Lebens­weg beglei­tet und ent­schei­dend geför­dert haben – vor allem ihre Eltern und Geschwi­stern und ihre eige­ne Fami­lie. Per­sön­li­che Dan­kes­wor­te rich­te­te sie auch an die im Publi­kum anwe­sen­den Sozi­al­wis­sen­schaft­le­rin­nen Prof. Dr. Ako­sua Ampo­fo aus Gha­na und Prof. Dr. Fran­coise Ver­gès aus Frankreich/​USA sowie an alle, die an der Ver­lei­hung der Ehren­dok­tor­wür­de mit­ge­wirkt haben: „Mit tie­fer Ergrif­fen­heit und gro­ßem Stolz neh­me ich die Ehren­wür­de der Uni­ver­si­tät Bay­reuth entgegen.“

Als Aly Keï­ta und Matchu­me Zan­go das Publi­kum erneut mit ihrer musi­ka­li­schen Per­for­mance fas­zi­nier­ten, hielt es vie­le der Anwe­sen­den nicht mehr auf den Sit­zen. Von afri­ka­ni­schen Rhyth­men inspi­rier­tes Tan­zen und zahl­rei­che per­sön­lich über­mit­tel­te Glück­wün­sche lie­ßen die Ehren­pro­mo­ti­ons­fei­er ausklingen.