Offe­ner Brief der Kulm­ba­cher Stadt­spit­ze an Staats­mi­ni­ste­rin Scharf mit der Bit­te um Unterstützung

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Kin­der­be­treu­ungs­ein­rich­tun­gen; För­der­mög­lich­kei­ten zur Schaf­fung neu­er Betreuungsplätze

Sehr geehr­te Frau Staats­mi­ni­ste­rin Scharf,

die Betreu­ung und Unter­brin­gung unse­rer Kin­der liegt uns nicht nur sehr am Her­zen, sie ist auch eine der kom­mu­na­len Pflicht­auf­ga­ben, die wir, eben­so wie alle ande­ren Städ­te und Gemein­den, zu erfül­len haben. Auf­grund drän­gen­der Her­aus­for­de­run­gen bei der Schaf­fung neu­er Plät­ze wen­den wir uns mit die­sem Schrei­ben an Sie.

Der Bedarf an Kin­der­be­treu­ungs­plät­zen ist sowohl im Krip­pen- als auch im Kin­der­gar­ten- und Hort­be­reich in den ver­gan­ge­nen Jah­ren ste­tig gestie­gen. Sicher­lich wer­den die Errich­tung neu­en Wohn­raums, die Schaf­fung neu­er Arbeits­plät­ze durch hier ansäs­si­ge gro­ße Betrie­be und nicht zuletzt auch die wei­te­re Ent­wick­lung des Uni­ver­si­täts­stand­or­tes Kulm­bach dazu füh­ren, dass der Bedarf in den kom­men­den Jah­ren noch spür­bar stär­ker wächst.

Doch schon jetzt kann das vor­han­de­ne Betreu­ungs­an­ge­bot die Nach­fra­ge an Plät­zen nicht mehr decken. Der mas­si­ve Platz­man­gel ist in den letz­ten Jah­ren rasant gestie­gen und hat sich inner­halb der letz­ten drei Jah­re nahe­zu ver­dop­pelt. Ins­be­son­de­re, da ab Voll­endung des ersten Lebens­jah­res ein Rechts­an­spruch auf Kin­der­be­treu­ung besteht und ab dem Betreu­ungs­jahr 2026/2027 ein Anspruch auf Ganz­ta­ges­be­treu­ung für Grund­schul­kin­der ein­ge­führt wird, ist in unse­ren Augen drin­gen­der Hand­lungs­be­darf geboten.

Ger­ne möch­ten wir Ihnen ganz kon­kret die der­zei­ti­ge Situa­ti­on der Stadt Kulm­bach vor Augen füh­ren. Für das Jahr 2022 hat der Stadt­rat einen Ver­wal­tungs­haus­halt in Höhe von rund 66 Mio EUR auf den Weg gebracht. Allei­ne die lau­fen­den Kosten der Kin­der­be­treu­ung bean­spru­chen hier­von 8,8 Mio EUR, also 13% des Haus­hal­tes. Durch die zu erwar­ten­de wei­te­re Stei­ge­rung des Platz­be­dar­fes wer­den folg­lich auch die finan­zi­el­len Auf­wen­dun­gen in den kom­men­den Jah­ren mas­siv wei­ter ansteigen.

Wie Sie wis­sen, ist die Schaf­fung neu­er Betreu­ungs­plät­ze in den mei­sten Fäl­len mit Bau­maß­nah­men ver­bun­den, wel­che für inter­es­sier­te Trä­ger eine enor­me finan­zi­el­le Bela­stung dar­stel­len und folg­lich die Umset­zung erschwe­ren oder gar verhindern.

Der­zeit sind die För­der­mög­lich­kei­ten aller­dings nur sehr begrenzt. Sei­tens des Frei­staa­tes Bay­ern beschrän­ken sich die­se aktu­ell ledig­lich auf eine Zuwen­dung nach Art. 10 Bay­FAG, sofern die Baga­tell­gren­ze in Höhe von 100.000€ zuwei­sungs­fä­hi­ger Kosten über­schrit­ten wird.

Im Fall der Stadt Kulm­bach sind das ledig­lich 50% der zuwei­sungs­fä­hi­gen Kosten.

Der rest­li­che Kosten­an­teil ver­bleibt bei den Kom­mu­nen oder den jewei­li­gen Trä­gern und stellt eine finan­zi­el­le Bela­stung dar, die eine Rea­li­sie­rung dann zumeist ver­hin­dert. Bei grö­ße­ren Vor­ha­ben, wie bei­spiels­wei­se Neu­bau­ten, umfasst der Eigen­an­teil der Kom­mu­nen bzw. Trä­ger mit der aus­schließ­li­chen För­de­rung nach Art. 10 Bay­FAG sogar oft­mals noch Millionenbeträge.

Im Jahr 2018 plan­te die Stadt Kulm­bach einen Neu­bau mit vier Kin­der­gar­ten- und drei Krip­pen­grup­pen. Die geschätz­ten Gesamt­ko­sten lagen bei 5,3 Mio EUR. Davon wären 3,4 Mio EUR zuwei­sungs­fä­hig gewe­sen, was eine För­de­rung von rund 1,7 Mio EUR (32,5% der geschätz­ten Kosten) bedeu­tet hät­te. Doch selbst mit den staat­li­chen Zuschüs­sen hät­te die Stadt Kulm­bach über 3,5 Mio EUR selbst auf­wen­den müs­sen, um die­ses Pro­jekt zu rea­li­sie­ren. Dazu kam es auf­grund der für uns nicht schul­ter­ba­ren Kosten folg­lich auch nicht.

Wie vie­le ande­re Kom­mu­nen sind auch wir finan­zi­ell stark ein­ge­schränkt, nicht zuletzt die Coro­na­Pan­de­mie hat in unse­rem städ­ti­schen Haus­halt unver­kenn­bar ihre Spu­ren hin­ter­las­sen. Hin­zu kom­men nun immense Preis­stei­ge­run­gen in Fol­ge des Krie­ges in der Ukrai­ne, die sich eben­so spür­bar wie Coro­na auf die Bau­ko­sten aus­wir­ken. Gleich­zei­tig sta­gniert die Höhe an3 zuwei­sungs­fä­hi­gen Kosten für die Kin­der­be­treu­ung, was zu einem noch deut­li­che­ren Ungleich­ge­wicht zu Lasten der Kom­mu­nen führt.

Natür­lich gilt in Bay­ern nach wie vor der Sub­si­dia­ri­täts­grund­satz. Kon­kret ver­fügt die Stadt Kulm­bach auch über eine her­vor­ra­gen­de Struk­tur an frei­ge­mein­nüt­zi­gen Trä­gern, wel­che den Betrieb der Kin­der­ta­ges­stät­ten über­neh­men. Die frei­ge­mein­nüt­zi­gen Trä­ger kön­nen ver­ständ­li­cher­wei­se aber die­se außer­or­dent­li­chen Bau­ko­sten­ri­si­ken nicht tra­gen. In Fol­ge des­sen tritt die Stadt ent­we­der allein als Bau­trä­ger auf oder schließt mit den frei­ge­mein­nüt­zi­gen Trä­gern eine Defi­zit­ver­ein­ba­rung über die den Bau­ko­sten­zu­schuss über­stei­gen­de Sum­me ab. In jedem Fal­le bleibt aber ein für die Kom­mu­ne exor­bi­tant hoher Eigen­ko­sten­an­teil am Ende übrig.

Unge­ach­tet der Kas­sen­la­ge und der enorm gestie­ge­nen Kosten – für die Städ­te und Gemein­den gibt es kei­ne rea­li­sti­sche Mög­lich­keit, ohne mas­si­ven finan­zi­el­len Auf­wand neue Betreu­ungs­plät­ze zu schaf­fen. Die Kom­mu­nen ste­hen aber hier­zu gesetz­lich in der Pflicht, daher wen­den wir uns mit die­sem Schrei­ben an Sie, um wei­te­re För­der­mög­lich­kei­ten sei­tens des Frei­staa­tes Bay­ern zu prü­fen, um so drin­gend benö­tig­te Betreu­ungs­plät­ze schaf­fen zu können.

Im Wesent­li­chen möch­ten wir Sie, sehr geehr­te Frau Staats­mi­ni­ste­rin, mit Nach­druck dar­um bit­ten, ein neu­es Son­der­in­ve­sti­ti­ons­pro­gramm für Krippen‑, Kin­der­gar­ten- und Hort­plät­ze auf­zu­le­gen. Die zuwei­sungs­fä­hi­gen Kosten müs­sen dabei natür­lich der Bau­rea­li­tät entsprechen.

Uns ist durch­aus bewusst, dass hier Grund­sät­ze der Wirt­schaft­lich­keit und der Spar­sam­keit wei­ter­hin gewahrt blei­ben müs­sen und dass auch der finan­zi­el­le Spiel­raum der Baye­ri­schen Staats­re­gie­rung begrenzt ist. Aller­dings ist das Miss­ver­hält­nis aktu­ell gra­vie­rend, wes­halb wir kei­nen ande­ren Weg sehen, als das flä­chen­decken­de Pro­blem über staat­li­che För­de­run­gen zu beheben.

Der För­der­satz eines neu­en Son­der­in­ve­sti­ti­ons­pro­gram­mes soll­te min­de­stens 90% (FAG +40%), für päd­ago­gisch beson­ders wert­vol­le Aspek­te 95% (FAG +45%), betra­gen. Die Kom­mu­nen haben mit der rund 50-pro­zen­ti­gen Finan­zie­rung der lau­fen­den Betriebs­ko­sten vom Frei­staat bereits gro­ße finan­zi­el­le Auf­wen­dun­gen zu bewäl­ti­gen. Für die Bereit­stel­lung des benötigten4 Platz­be­dar­fes sehen wir daher den Frei­staat gemäß des Kon­ne­xi­täts­prin­zips ver­mehrt in der Pflicht, ande­ren­falls besteht unse­rer Auf­fas­sung nach kei­ne ande­re Mög­lich­keit, als die Rechts­an­sprü­che auf Betreu­ungs­plät­ze – sowohl bestehen­de im Bereich Krip­pe und Kin­der­gar­ten als auch die noch vor­ge­se­he­nen im Grund­schul­be­reich – wie­der zu kippen.

Sehr geehr­te Frau Staats­mi­ni­ste­rin Scharf,

unse­re Bit­te ist deut­lich, aber die Pro­ble­ma­tik, vor der wir und zahl­rei­che ande­re Kom­mu­nen ste­hen, eben­so. Wir kön­nen nur mit Nach­druck dar­auf hin­wei­sen, dass die Städ­te und Gemein­den im Frei­staat drin­gend auf das Han­deln der Baye­ri­schen Staats­re­gie­rung ange­wie­sen sind und bit­ten Sie um Ihre wohl­wol­len­de Unterstützung.

Mit freund­li­chen Grü­ßen und dem damit ver­bun­de­nen Dank für Ihre Mühen

  • Ingo Leh­mann, Oberbürgermeister
  • Frank Wil­zok, 2. Bürgermeister
  • Dr. Ralf Hart­nack, 3. Bürgermeister
  • Inge Aures, Mit­glied des Landtages
  • Rai­ner Lud­wig Mit­glied des Landtages