Knap­per Sieg für HC Erlangen

Symbolbild Handball

Mit einer ein­drucks­vol­len Ener­gie­lei­stung und einem hauch­dün­nen 32:31 (16:15) hat der HC Erlan­gen am Don­ners­tag­abend das Spit­zen­team der MT Melsun­gen bezwun­gen. Damit ist die Rück­kehr aus den auf­re­gen­den Pokal­träu­men zurück in den Bun­des­li­ga-All­tag vor 3358 eupho­ri­sier­ten Zuschau­ern in der Are­na NÜRN­BER­GER VER­SI­CHE­RUNG mehr als gelungen.

Es schien in die­sem Augen­blick, als hät­te die Welt für einen Bruch­teil einer Sekun­de ein­fach auf­ge­hört, sich wei­ter­zu­dre­hen. 3358 Augen­paa­re auf den Tri­bü­nen starr­ten gebannt auf den klei­nen, roten Hand­ball, die mei­sten Mün­der, sie stan­den dabei vol­ler Fas­sungs­lo­sig­keit weit offen. Auch alle Spie­ler, Betreu­er, Phy­sio­the­ra­peu­ten, ja, ein­fach alle, die sich an die­sem früh­lings­haf­ten Don­ners­tag­abend nach Nürn­berg auf­ge­macht hat­ten, um ein auf­re­gen­des, ein hoch­dra­ma­ti­sches Hand­ball­spiel zu gucken, sie trau­ten ihren Augen nicht mehr. Nur ein ein­zi­ger, der hat­te sicht­lich sei­nen Spaß: Die­ser klei­ne, run­de Handball.Christopher Bis­sel hat­te ihn mit einer aller­letz­ten Ener­gie­lei­stung noch ein­mal den Melsun­ger Angrei­fern weg­ge­schnappt. Es rann­ten die letz­ten 130 Sekun­den von der Uhr, sein HC Erlan­gen führ­te hauch­zart mit 31:30. Und Bis­sel, er hat­te ihn irgend­wie von der Mit­tel­li­nie aus los­ge­schickt, die­sen Ball, durch­ge­drückt, ja durch­ge­presst durch die Arme von Kai Häf­ner, der sich die­sem Ver­such noch ein­mal mit allem, was er hat­te, ent­ge­gen­ge­wor­fen hat­te. Und da flog er nun durch all das Stau­nen, die­ser Ball. Und wer ganz genau genug hin­guck­te, der mein­te fast erken­nen zu kön­nen, dass er dabei grin­ste. Irgend­wo sprang er auf dem Boden auf, man sah selbst aus dem Ober­rang, wie er einen Bruch­teil am Hal­len­bo­den haf­te­te auf­grund all des Kle­bers, den die Spie­ler zur bes­se­ren Grif­fig­keit immer an ihn schmie­ren. Er sprang noch ein­mal, und noch ein­mal – dabei ver­lor er fast aber­wit­zig viel Ener­gie. Er schien es sich in die­sen Sekun­den regel­recht hin und her zu über­le­gen, ob er denn nun hin­ein­rol­len sol­le ins Erlan­ger Hand­ball­glück, oder eben nicht. Er ent­schied sich letzt­lich für die Erlö­sung, für das Hap­py End eines irren Hand­ball­kri­mis – und so rausch­te nicht etwa ein Schlag­wurf oder ein Sprung­wurf mit vie­len Aus­ru­fungs­zei­chen zum umju­bel­ten Schluss­punkt ins Gäste­tor, es war ein quä­lend lang­sa­mer, wie an einem Kau­gum­mi gezo­ge­ner, kul­lern­der Ball, der mit­ten im Her­zen der tap­fe­ren MT Melsun­gen zum Lie­gen kam. Der letz­te Tref­fer in der Schluss­se­kun­de, er war nur mehr Ergeb­nis­kos­me­tik: 32:31 (16:15) – der HC Erlan­gen durf­te sei­nen zwei­ten Heim­sieg hin­ter­ein­an­der feiern.

Und was für einen: „Ich bin unend­lich stolz auf die Jungs“, ver­riet ein abge­kämpf­ter Raul Alon­so hin­ter­her. Auch den Trai­ner und Sport­di­rek­tor der Erlan­ger hat­ten die vor­an­ge­gan­gen, hoch­emo­tio­na­len 60 Hand­ball­mi­nu­ten sicht­lich mit­ge­nom­men. Es war ja die gro­ße Fra­ge im Raum gestan­den, wie sei­ne Mann­schaft all das denn ver­kraf­ten wür­de: Sechs Tage zuvor noch war sie vor 13.000 Zuschau­ern in der brül­lend lau­ten Ham­bur­ger Are­na im Pokal­halb­fi­na­le gestan­den, ein Mil­lio­nen­pu­bli­kum beob­ach­te­te jeden ein­zel­nen Schritt, jeden Wurf live in der ARD. „Ein Quan­ten­sprung“ nann­te es Geschäfts­füh­rer Rene Sel­ke für den Ver­ein, „mehr media­le Auf­merk­sam­keit geht nicht mehr“. All das hat­te sie alle zeit­wei­se auch zu erdrücken gedroht. Doch ein Loch, in das die Mann­schaft erschöpft und geblen­det von so viel Schein­wer­fer­licht hin­ein­zu­fal­len droh­te, das gab es gar nicht. „Wir müs­sen dar­an wach­sen, den Rücken­wind mit­neh­men in die rest­li­che Sai­son“, hat­te Alon­so gefor­dert. Und sei­ne Spie­ler, sie hat­ten an die­sem Don­ners­tag­abend genau das abgeliefert.

Hell­wach prä­sen­tier­te sich vor allem die Deckung, auf den Halb- und Außen­po­si­tio­nen wur­de jede Schläf­rig­keit der an guten Tagen auf Welt­klas­se­ni­veau agie­ren­den Kai Häf­ner und Juli­us Kühn mit Ball­ver­lu­sten gestraft. Im Mit­tel­block schuf­te­ten Niko­lai Link, Seba­sti­an Firn­ha­ber und Tim Zechel der­art, dass sie nun Schwie­len an den Hän­den haben dürf­ten. „Es wer­den eini­ge blaue Flecken sein“, sag­te Firn­ha­ber hin­ter­her und strah­le übers gan­ze Gesicht, „wenn wir dafür gewin­nen, so wie heu­te, ist mir das total egal.“Doch zunächst, da hat­te die Deckung noch Pro­ble­me gezeigt. Mal ums Mal muss­te der Schluss­mann ret­ten, was zu ret­ten ist: Kle­men Fer­lin, im Pokal-Halb­fi­na­le noch recht glück­los gewe­sen, parier­te in den ersten sie­ben Minu­ten unglaub­li­che fünf Ver­su­che in Fol­ge. Das bedeu­te­te zwi­schen­zei­tig 83 Pro­zent gehal­te­ne Wür­fe auf sein Tor – ein Wert wie aus einem Mar­vel-Super­hel­den­co­mic. Doch sei­ne Vor­der­leu­te ver­pass­ten es, die Para­den in Tore umzu­mün­zen. Oben­drein wur­den gleich zwei Sie­ben­me­ter ver­wor­fen, so dass Melsun­gen – so ver­rückt war die­ses Spiel tat­säch­lich – plötz­lich wie­der 4:3 führ­te (11. Minu­te). Doch der HCE ver­lor den Fokus nicht, zum ersten Mal an die­sem Abend dreh­te nun Anto­nio Metz­ner auf – ent­we­der sei­ne Wür­fe, oder aber sei­ne Zuspie­le fan­den den Weg ins Tor. Vier Tref­fer von Seba­sti­an Firn­ha­ber waren unter ande­rem dafür ver­ant­wort­lich, dass Erlan­gen 9:7 (15.), ja gar 11:8 führ­te (20.).Weil aber Simon Jepps­son im direk­ten Duell mit dem Gäste­tor­hü­ter Nebo­j­sa Simic gleich mehr­fach sei­nen Mei­ster fand und Fer­lin urplötz­lich das Glück ver­lo­ren hat­te, durf­te Melsun­gen sich wie­der her­an­kämp­fen. Mit 16:15 ging es in die Pause.

Aus der leg­ten die Gäste einen 5:1‑Lauf hin. Der HCE, er droh­te plötz­lich über­rannt zu wer­den (17:20, 39.). Doch nun hat­te sowohl Jepps­son den Schlüs­sel fürs MT-Tor gefun­den und auch Kle­men Fer­lin bekam wie­der Hän­de und Füße an den Ball. Als das Publi­kum erst­mals vor Begei­ste­rung aus den Sit­zen sprang und minu­ten­lang klatsch­te, war der HCE recht­zei­tig zur hoch­span­nen­den Cruncht­i­me wie­der auf ein Tor herangekrochen.Der star­ke Chri­sto­pher Bis­sel lie­fer­te den 22:22-Ausgleich, der toben­den Are­na droh­te dazu kurz­zei­tig, das Dach weg­zu­flie­gen: Fer­lin mit Para­de Num­mer acht und Firn­ha­ber zum 23:22 (45.) dreh­ten die Par­tie voll­ends. Was folg­te, war der zwei­te gro­ße Auf­tritt von Anto­nio Metz­ner des Abends: Vier Tore warf der Links­hän­der selbst, ein­mal fisch­te er sich den Ball aus den Hän­den von Kühn und schick­te Sel­lin auf die Rei­se. Es ging nun Schlag auf Schlag. Der HCE leg­te vor, Melsun­gen setz­te nach – und die ersten Kar­dio­lo­gen in Nürn­berg über­leg­ten, ihre Pra­xen vor­sichts­hal­ber am Abend kur­zer­hand wie­der zu öff­nen, so dra­ma­tisch, so span­nend ging es nun zu.

Alles stand, nie­man­den hielt es mehr auf sei­nem Sitz, als die letz­ten Minu­ten anlie­fen. Zwar hielt Fer­lin mit sei­ner zehn­ten Para­de über­ra­gend gegen Kun­kel, Niko­lai Link block­te den Wurf von Kühn – doch vorn gelang es wie­der nicht, den Deckel auf die­se Par­tie zu schrau­ben. Mal sau­ste ein Quer­pass im Tem­po­ge­gen­stoß ins Sei­ten­aus, dann parier­te der famo­se Simic den Ball per Fuß­ab­wehr bis unters Hal­len­dach (30:30, 58.).Es war ein fast schon zu kit­schig ver­pack­tes Geschenk, dass aus­ge­rech­net den drei auf­fäl­lig­sten Spie­lern des Abends auch die Schluss­se­kun­den gehör­ten: Erst warf Metz­ner den Ball zum 31:30 mit wil­der Ener­gie wie ent­fes­selt ins Gäste­tor, im Anschluss fei­er­te Kle­men Fer­lin sei­ne elf­te Para­de. Was noch folg­te, war jener irre Wurf von Bis­sel, der sich quä­lend lang ein­fach nicht ent­schei­den woll­te, ob er nun ins Tor geht oder nicht. Der Hand­ball­gott, er hat­te wohl viel zu viel Freu­de gefun­den an die­ser tol­len Par­tie, als dass er sie so ein­fach been­den wollte.

  • HC Erlan­gen: Fer­lin, Zie­mer (zu einem 7m); Sel­lin 3, Over­by, Firn­ha­ber 5, Büdel 2, Bis­sel 4, Metz­ner 7, Link, Jepps­son 5, Stei­nert 3/3, Leban 1, Ols­son, Zechel 2.
  • MT Melsun­gen: Simic; Maric, Kühn 4, Reich­mann 7/5, Kun­kel 1, Arn­ars­son 2, Allen­dorf, Kala­rash 3, Häf­ner 7, Peters­son, Pav­lo­vic 7.
  • Zuschau­er: 3358.
  • Sie­ben­me­ter: 3/5 – 5/5.
  • Zeit­stra­fen (in Minu­ten): 10 – 12.
  • Schieds­rich­ter: Kuttler/​Merz.