Sel­ber Ben Böh­rin­ger been­det nach 310 Pro­fi­spie­len sei­ne Eishockey-Karriere

Ben Böhringer © Mario Wiedel
Ben Böhringer © Mario Wiedel

„Ich bin in einem Alter, in dem ich noch etwas außer Eis­hockey erle­ben kann“

Der 26-Jäh­ri­ge gebür­ti­ge Sel­ber Ben Böh­rin­ger been­det nach 310 Pro­fi­spie­len für die Sel­ber Wöl­fe sei­ne Eis­hockey Karriere.

26 Jah­re alt – 24 Jah­re Eis­hockey – 7 Jah­re erste Mann­schaft – 310 Pro­fi­spie­le, davon 40-mal zweit­klas­sig. Zah­len rund um das Sel­ber Eigen­ge­wächs Bene­dikt Böh­rin­ger, der sei­ne gesam­te Eis­hockey Kar­rie­re in Selb ver­bracht hat. Nach dem Auf­stieg in die zwei­te Deut­sche Eis­hockey­li­ga und dem erfolg­rei­chen Klas­sen­er­halt nimmt der jun­ge Ver­tei­di­ger nun Abschied von sei­ner Pro­fi­kar­rie­re. Eine Ent­schei­dung, die für vie­le über­ra­schend kommt – hat sich „Mr. Hüft­ben“ doch Jahr für Jahr wei­ter­ent­wickelt und als Talent aus dem eige­nen Nach­wuchs gezeigt, was der Eis­hockey­stand­ort Selb zu bie­ten hat.

Eis­hockey hat von Beginn an Spaß gemacht

Seit er zwei Jah­re alt ist, steht Ben bereits auf dem Eis. Damals hat ihm sein Paten­on­kel sei­ne ersten Schlitt­schu­he gekauft und ihn zusam­men mit sei­nem Bru­der Björn zum Eis­hockey gebracht. Zwi­schen­zeit­lich ging es für den 26-Jäh­ri­gen vom Eis auch zum Fuß­ball auf den Rasen. „Wegen dem Zeit­auf­wand muss­te ich mich aber zwi­schen den Sport­ar­ten ent­schei­den. Und für mich fiel die Ent­schei­dung ein­deu­tig auf Eis­hockey.“ Die Moti­va­ti­on kam immer davon, dass der Sport ihm ein­fach Spaß gemacht hat. Und das war nicht nur für die sport­li­che Ent­wick­lung posi­tiv: „In den Win­ter­mo­na­ten waren mei­ne Noten immer bes­ser. Mit schlech­ten Noten durf­te ich nicht Eis­hockey spie­len – also habe ich mich in der Schu­le extra angestrengt.“

Rat­schlä­ge zu Her­zen nehmen

Ein rich­ti­ges Vor­bild hat­te Ben kei­nes – er hat sich nie ein Tri­kot sei­nes Lieb­lings­spie­lers gekauft oder das Ziel gehabt, wie ein kon­kre­ter Spie­ler zu sein – und doch hat man natür­lich immer zu den gro­ßen Namen des Sel­ber Eis­hockeys auf­ge­schaut, wie zum Bei­spiel zu Flo­ri­an Ondrusch­ka, der die Sel­ber Wöl­fe in der Sai­son 2020/21 als Kapi­tän in die DEL2 geführt und vor­her lan­ge Jah­re in der DEL und Natio­nal­mann­schaft gespielt hat. „Ich kann mich an einen Som­mer erin­nern, in dem ich mit Flo zusam­men trai­nie­ren durf­te, als er noch in Strau­bing gespielt hat. Das war natür­lich eine klas­se Erfah­rung. Und in unse­rer gemein­sa­men Zeit in der 1. Mann­schaft hat­te er auch einen gro­ßen Ein­fluss in mei­ner Ent­wick­lung“, erzählt Ben. All­ge­mein war der sym­pa­thi­sche Ver­tei­di­ger froh über jeden Rat­schlag, den er von Trai­nern und Team­kol­le­gen bekom­men konn­te. „Ich woll­te mich immer wei­ter­ent­wickeln, also habe ich mir natür­lich die Tipps zu Her­zen genom­men. Das macht aber auch nicht jeder.“ Und es waren nicht nur die Rat­schlä­ge ande­rer, durch die sich Ben wei­ter­ent­wickelt hat. Vor allem durch har­te Arbeit und das Errei­chen per­sön­li­cher Erfol­ge hat sich der Por­zel­lan­städ­ter Jahr für Jahr ver­bes­sern kön­nen, wodurch er auch in der ersten DEL2 Sai­son der Sel­ber Wöl­fe sei­nen Platz in der Mann­schaft gefun­den hat und sogar öfter das „A“ auf der Brust tra­gen durfte.

Ziel: 1. Mannschaft

Für Ben, den vie­le als sehr ruhi­gen Men­schen ken­nen, war es aber nie kon­kret das Ziel, ein­mal in der DEL2 zu spie­len oder über­haupt mit Eis­hockey Geld zu ver­die­nen. „Ich woll­te immer in der 1. Mann­schaft spielen.

Wel­che Liga war mir dabei egal“, erin­nert sich der Sel­ber zurück. Sei­nen ersten Ver­trag für die erste Mann­schaft erhielt er bereits in der Sai­son 2015/16, als ihn Cory Hol­den mit nach oben nahm. Mit­trai­ne­ren durf­te der Ver­tei­di­ger jedoch schon zwei Jah­re zuvor. Und auch wenn Bens Poten­ti­al früh­zei­tig erkannt wurde:Seite 3 von 4 Aus der Hei­mat und von den Sel­ber Wöl­fen woll­te er nie weg. „Mei­ne Mut­ter hat mir damals ange­bo­ten auf ein Inter­nat zu gehen. Aber das woll­te ich nicht. Ich fühl­te mich immer mit Selb ver­bun­den, und mei­ne Freun­de waren auch hier. Und auch nach mei­ner Zeit im Nach­wuchs war es für mich eigent­lich kei­ne Opti­on, den Ver­ein zu wech­seln. Das lag natür­lich auch an mei­ner Aus­bil­dung, die ich hier gemacht habe.“

Eis­hockey und Arbeit – ein straf­fer Zeitplan

2017 begann Ben sei­ne Aus­bil­dung in einem regio­na­len Betrieb. Täg­lich klin­gel­te um fünf Uhr der Wecker, damit er recht­zei­tig um sechs Uhr in der Arbeit sein konn­te. Wenn um 16 Uhr der Arbeits­all­tag vor­bei war, ging es nach einem kur­zen Zwi­schen­stop zuhau­se direkt wei­ter zum Trai­ning in die Eis­hal­le. „Unter der Woche bestand mein All­tag im Wech­sel­rhyth­mus aus Schla­fen, Arbeit, Eis­hockey und Essen. Am Wochen­en­de waren dann Spie­le. Da bleibt eigent­lich kei­ne Frei­zeit mehr, wenn man neben dem Eis­hockey noch arbeits­tä­tig ist“, erin­nert sich Ben an die letz­ten fünf Jah­re zurück. Er wäre ger­ne im Win­ter mal in den Ski­ur­laub gefah­ren oder hät­te die kal­ten Mona­te irgend­wo ver­bracht, wo es wär­mer ist. Aber er ist kein Mensch, der des­halb viel jam­mert. Der 26-Jäh­ri­ge war stets moti­viert, den näch­sten Schritt zu gehen, an sich zu arbei­ten und war sich für nichts zu scha­de. Trotz des straf­fen Zeit­plans war er sogar meist der erste in der Kabi­ne. Und die wird er am mei­sten ver­mis­sen, denn dort sind Mann­schafts­kol­le­gen zu Freun­den geworden.

„Es war immer wit­zig. Klar gibt es immer mal Jungs, mit denen man sich nicht so gut ver­steht. Aber es hat zusam­men immer Spaß gemacht. Die Atmo­sphä­re wer­de ich vermissen.“

Ein Stück Kabi­ne im Wohnzimmer

Ben hat sei­ne gesam­te Pro­fi­kar­rie­re auf dem­sel­ben Platz in der Kabi­ne ver­bracht. Und jetzt steht sein Abteil sogar bei ihm im Wohn­zim­mer. „Ich habe ein mobi­les Abteil mit Rol­len, das ich mei­ner gesam­te Lauf­bahn in der 1. Mann­schaft genutzt habe. Das durf­te ich mir mit nach Hau­se neh­men“, erzählt der 26-Jäh­ri­ge. Eine schö­ne Erin­ne­rung, die er neben den Medail­len der Ober­li­ga-Süd- und Ober­li­ga­mei­ster­schaft und sei­nen Tri­kots aller Pro­fi-Sai­sons aus sei­ner Eis­hockey­kar­rie­re mit­neh­men wird. Die Medail­len erin­nern ihn an das Erleb­nis sei­ner Kar­rie­re, auf das er am mei­sten stolz ist. Und doch schwimmt etwas Weh­mut dabei mit: „Ich konn­te wegen mei­ner Gehirn­er­schüt­te­rung nicht in Han­no­ver beim fina­len Spiel dabei sein, auch nicht als Zuschau­er. Die Süd-Mei­ster­schaft habe ich zwar live erlebt, aber da hat man ja im End­ef­fekt noch nichts erreicht. Wenn man das Fina­le ver­liert, steigt man nicht auf. Aber in der Sai­son hat ein­fach alles geklappt, und das hat Spaß gemacht.“ Der Klas­sen­er­halt war ähn­lich schön, auch wenn die Sai­son alles ande­re als per­fekt ver­lau­fen ist. Trotz­dem war es für den gebür­ti­gen Sel­ber ein tol­les Erleb­nis, ein­mal DEL2 zu spie­len. „Und das für mei­nen Hei­mat­ver­ein. Das kann auch nicht jeder von sich behaupten!“

Noch­mal etwas erle­ben – und auf­hö­ren, wenn man es selbst ent­schei­den kann

Dass die­se Sai­son sei­ne letz­te sein wird, hat­te die Num­mer 10 bereits vor der Sai­son ange­deu­tet. „Ich habe auch schon nach dem erfolg­rei­chen Auf­stieg über­legt, auf­zu­hö­ren. Aber ich glau­be, ich hät­te es bereut, wenn ich mich nicht an der DEL2 ver­sucht hät­te.“ Für vie­le kommt die­se Ent­schei­dung trotz­dem überraschend.

Auch, weil Ben gezeigt hat, dass er das Zeug für die zwei­te Liga hat. „Ich bin in einem Alter, in dem ich noch etwas erle­ben kann. Ich möch­te mehr Frei­zeit haben, auch im Win­ter mal in den Urlaub fah­ren oder Sil­ve­ster woan­ders ver­brin­gen. Außer­dem muss ich natür­lich auch in die Zukunft schau­en – mit Eis­hockey wür­de ich nicht mein Leben lang Geld ver­die­nen kön­nen“, begrün­det Ben sein Kar­rie­re­en­de. Zwar ist er stolz dar­auf, dass vie­le Men­schen, dar­un­ter Bekann­te, Fans, oder auch Mann­schafts­kol­le­gen, ihn ger­ne wei­ter auf dem Eis sehen wol­len. „Aber ich möch­te selbst ent­schei­den, wann Schluss ist. Ich will nicht, dass mir jemand ande­res die Ent­schei­dung abnimmt – sei es durch eine Ver­let­zung oder weil man mich nicht wei­ter spie­len las­sen will.“ Die Ver­ant­wort­li­chen der Wöl­fe hät­ten Ben ger­ne noch ein Jahr auf dem Sel­ber Eis gese­hen, waren sie doch stets zufrie­den und stolz auf sei­ne Ent­wick­lung. Jür­gen Gol­ly: „Ben hat sich als Eigen­ge­wächs zu einem gestan­den Ober­li­ga- und dann auch Zweit­li­ga­ver­tei­di­ger ent­wickelt. Er war maß­geb­lich am Auf­stieg und dem Klas­sen­er­halt betei­ligt. Wir bedau­ern es wirk­lich sehr, dass er nicht noch wei­ter­macht. Wir hät­ten ihn sehr ger­ne noch im Kader behal­ten und haben auch wei­ter einen Platz für ihn frei, falls er es sich doch noch anders überlegt.“

Zurück­ge­ben, was man bekom­men hat

Vol­le Unter­stüt­zung hat­te Ben schon immer von sei­ner gan­zen Fami­lie und sei­nen Freun­den. Doch die Ent­schei­dung des Sel­ber Eigen­ge­wäch­ses ist fix. Ganz ver­schwin­den aus der Eis­hockey­welt wird Ben jedoch nicht. Er hat vor, sei­nen Trai­ner­schein zu machen und beim Trai­nie­ren der Nach­wuchs­mann­schaf­ten zu unter­stüt­zen. „Ich möch­te zurück­ge­ben, was ich bekom­men habe!“

Wir wün­schen Ben beruf­lich sowie pri­vat alles Gute. Dan­ke dir, Ben, für dei­nen Ein­satz im Wöl­fe Trikot!