Göß­wein­stei­ner Oster­nacht in der Basi­li­ka im Schrecken des Krie­ges in der Ukraine

Blick vom Altar in die Kirche während des Auferstehungsgottesdienstes und Segnung der Ostergaben durch Pater Ludwig Mazur © T. Weichert
Blick vom Altar in die Kirche während des Auferstehungsgottesdienstes und Segnung der Ostergaben durch Pater Ludwig Mazur © T. Weichert

Spä­te­stens nach der Pre­digt von Pater Lud­wig Mazur war wohl den Gläu­bi­gen, die zur Fei­er der Oster­nacht mor­gens um 6 Uhr in die Basi­li­ka Göß­wein­stein gekom­men waren, klar, dass die­ses Oster­fest ohne den Blick auf die Schrecken die­ser Welt, fest­ge­macht am grau­en­vol­len Krieg in der Ukrai­ne, nicht gefei­ert wer­den kann.

Pro­vo­kant stell­te Pater Lud­wig die Fra­gen „Kön­nen wir das machen? Geht das? Den fröh­li­chen, ja tri­um­phie­ren­den Oster­gruß in die­sen Mor­gen des 17. April 2022 hin­aus­schal­len las­sen: „Chri­stus ist auf­er­stan­den. Er ist wahr­haf­tig auf­er­stan­den“ – so, als wäre nichts? Kön­nen wir das sin­gen, ohne dass es uns im Hal­se stecken bleibt: „Die gan­ze Welt, Herr Jesu Christ, zu dei­ner Urständ fröh­lich ist“ in den Raum.

„Natür­lich nicht, jeden­falls nicht wie in einem nor­ma­len Jahr, wo alles in Ord­nung war oder zumin­dest schien“, war sei­ne Ant­wort. Wor­an sich die Fra­ge anschloss, wie denn dann in die­sem Jahr Ostern ange­mes­sen gefei­ert wer­den kann – ohne fal­sche Töne? Ohne all den Tod und all die Zer­stö­rung aus­zu­blen­den und zugleich doch so, dass der schreck­li­che Kar­frei­tag 2022 die Oster­bot­schaft nicht unter sich erstickt. Er selbst füh­le sich „hin- und her­ge­schüt­telt“, weil hier zwei Gefüh­le in einem sind, die abso­lut nicht zuein­an­der pas­sen, die ein tie­fes Unbe­ha­gen und Miss­emp­fin­den ver­ur­sach­ten. Einer­seits Schmerz, Trau­er und Wut und ande­rer­seits die öster­li­che Freu­de. Psy­cho­lo­gisch gese­hen sei das ein klas­si­scher Fall, der „kogni­ti­ve Dis­so­nanz“ genannt wird. Zur Auf­lö­sung die­ses Kon­flikts in unse­ren See­len woll­te er ein paar Gedan­ken anbieten.

Vie­les, was in die­ser Welt an Schreck­li­chem, an Ent­mensch­li­chung, an unmensch­li­cher Bos­heit pas­sie­re, war immer in der Welt. Nur war es meist weit weg, so wir konn­ten es in unse­rem schö­nen Euro­pa ein paar glück­li­che Jahr­zehn­te ver­ges­sen, mein­te Pater Lud­wig. Doch Got­tes Oster­bot­schaft erklang, als die frü­hen Chri­sten in den Are­nen Roms von Löwen zer­ris­sen wur­den, zur Belu­sti­gung des Pöbels. „Chri­stus ist auf­er­stan­den“ wur­de mit Inbrunst gesun­gen, als Euro­pa in Blut, Brand­schat­zung und Jau­che ver­sank zu Zei­ten des Drei­ßig­jäh­ri­gen Krie­ges. Und Got­tes Licht­blick aus dem Tod her­aus schien auf, als sie in Ausch­witz und ande­ren Kon­zen­tra­ti­ons­la­gern Mil­lio­nen Men­schen ermor­de­ten. Die Oster­bot­schaft wur­de dadurch nicht unglaub­wür­di­ger, son­dern drin­gen­der denn je. Die Ant­wort auf die Fra­ge, wie oder ob wir über­haupt Ostern fei­ern dür­fen, gera­de in die­ser Zeit mit unse­ren ver­wirr­ten Gefüh­len und der Bestia­li­tät die­ser Tage, lau­tet des­halb für Pater Lud­wig ein­deu­tig: „Bit­te erst recht!“

Eine wei­te­re Mög­lich­keit sei es, sich an das zu hal­ten, was in der Hei­li­gen Schrift für uns auf­ge­zeich­net sei. Im Schrecken die­ser Tage, im Ange­sicht von But­scha und ande­ren Höl­len auf Erden, mag das heu­ti­ge Evan­ge­li­um sehr fremd wir­ken, harm­los fast, wie ein Kam­mer­spiel. Das Ent­set­zen, von dem da die Rede ist, sei eher harm­lo­se „kogni­ti­ve Dis­so­nanz“. Hier­zu stell­te Pater Lud­wig den Schrecken der Jün­ger über die Art und Wei­se, wie ihr Freund Jesus zu Tode gebracht wur­de oder die Trau­er der Frau­en, die Jesus im Grab nicht fin­den konn­ten, die Mas­sen­ver­ge­wal­ti­gun­gen der Men­schen in But­scha oder der im Kugel­ha­gel Getö­te­ten im Bahn­hof von Kra­ma­torsk gegen­über. Die gefol­ter­ten und erschos­se­nen Men­schen in But­scha blie­ben lie­gen, bis man sie not­dürf­tig ver­scharr­te. Sie sind nicht auf­er­stan­den, wäh­rend beim Evan­ge­li­sten Mar­kus der weiß­ge­wan­de­te Jüng­ling recht thea­tra­lisch ver­kün­de: „Er ist nicht hier“. Für die Men­schen in But­scha und Kra­ma­torsk sei dies wohl zunächst ein gerin­ger Trost.

Pater Lud­wig fand es daher gut, dass Lukas sein Evan­ge­li­um nicht mit Freu­den­schrei­en been­det. Viel­mehr mische sich auch bei ihm Ent­set­zen, Furcht und Zit­tern mit der Hoff­nung auf das Uner­wart­ba­re: „Er ist auf­er­stan­den, er ist nicht hier.“ An Ostern sei es des­halb ange­mes­sen, die­se wider­strei­ten­den Gefüh­le hoff­nungs­voll aus­zu­hal­ten. Die­ses Jahr bie­te die Chan­ce auf ech­te­re Oster­ge­füh­le statt eines lit­ur­gi­schen und früh­lings­haf­ten Idylls. So schreck­lich die Rea­li­tät, so freu­den­trä­nen­groß kön­ne unse­re Hoff­nung sein, die aus der alten Geschich­te vom lee­ren Grab rührt, fass­te Pater Lud­wig zusam­men. Nicht der Tod, son­dern das Leben blei­be. Denn das letz­te Wort spre­che Gott. Gestern, heu­te und alle Tage.

Osterfeier in der  Basilika: Segnung der Ostergaben. © Thomas Weichert

Oster­fei­er in der Basi­li­ka: Seg­nung der Oster­ga­ben. © Tho­mas Weichert

In der vor­aus­ge­gan­ge­nen Licht­fei­er wur­de das von Andre­as Thiem vor­be­rei­te­te Oster­feu­er geseg­net und die Oster­ker­ze ent­zün­det. Beim Ein­zug in die dunk­le Basi­li­ka mit dem drei­ma­li­gen Ruf „Lumen Chri­sti“ (Chri­stus, das Licht) und der Ant­wort des Vol­kes „Deo gra­ti­as“ (Dank sei Gott) wur­de die von den Gläu­bi­gen mit­ge­brach­ten Oster­ker­zen das Oster­feu­er wei­ter­ge­ge­ben. Klei­ne Oster­ker­zen konn­ten vor dem Got­tes­dienst auch erwor­ben wer­den. Die Lek­to­rin­nen Hei­di Hoff­mann, Johan­na Thiem sowie Adel­heid Lang, Kan­tor Georg Schäff­ner, Kir­chen­pfle­ger Georg Lang und Mes­ner Rein­hold Hutz­ler bil­de­ten neben den Mini­stran­ten und Pater Lud­wig die Pro­zes­si­on. Das anschlie­ßen­de Oster­lob wur­de von Georg Schäff­ner gesun­gen. Die jewei­li­ge Hin­füh­rung zu den Lesun­gen erfolg­te durch Adel­heid Lang. Die Lesun­gen und die Für­bit­ten wur­den von Hei­di Hoff­mann und Johan­na Thiem vor­ge­tra­gen. Ab dem Glo­ria gestal­te­te Georg Schäff­ner an der Orgel den Oster­nacht-Got­tes­dienst musi­ka­lisch. Nach der Wei­he des Tauf­was­sers bespreng­te Pater Lud­wig die Got­tes­dienst­ge­mein­de mit dem Weih­was­ser, die wäh­rend­des­sen ihren Glau­ben auch sin­gend mit dem Lied „Fest soll mein Tauf­bund immer stehn“ bekräftigte.

Vor dem Schluss­se­gen seg­ne­te Pater Lud­wig noch die mit­ge­brach­ten Oster­spei­sen wie far­bi­ge Oster­ei­er, Schin­ken oder auch gebacke­ne Läm­mer. Sei­ne abschlie­ßen­de Bit­te war, dass wir, als die Freun­de Jesu immer und über­all von der Oster­bot­schaft, Chri­stus lebt, Chri­stus ist auf­er­stan­den, Zeug­nis able­gen. Er hof­fe und bete dafür, dass Jesus immer mehr erkannt wer­de durch das, was wir als sei­ne Gemein­de den­ken, reden und tun. Natür­lich durf­te der Wunsch für ein geseg­ne­tes und fro­hes Oster­fest nicht fehlen.