Erlan­ge­ner SPD-Abge­ord­ne­te Alex­an­dra Hier­se­mann: Staats­re­gie­rung muss den Voll­zug von Abschie­be­pra­xis und Wie­der­ein­rei­se­sper­ren im Sin­ne des Bun­des­rechts gestalten

Ange­sichts des fort­dau­ern­den Krie­ges in der Ukrai­ne und Mil­lio­nen geflüch­te­ter Men­schen, von denen über 45.000 bis­her nach Bay­ern kamen, for­dert die SPD-Land­tags­frak­ti­on von der Staats­re­gie­rung, den Umgang mit Flücht­lin­gen zu ver­bes­sern und die bis­he­ri­ge Abschie­be­pra­xis auf den Prüf­stand zu stel­len. Vor dem Hin­ter­grund der Inkraft­set­zung der EU-Richt­li­nie (RL 2001/55/EG) sei dies drin­gend gebo­ten. Dies bestä­tigt auch ein Anfra­gen-Paket auf Initia­ti­ve der asyl­po­li­ti­schen Spre­che­rin Alex­an­dra Hiersemann.

Seit Inkraft­tre­ten der EU-Richt­li­nie stel­len sich nicht nur Fra­gen zur Auf­nah­me von ukrai­ni­schen Geflüch­te­ten, son­dern auch zum Umgang mit Per­so­nen, die vor dem 24.02.2022 abge­scho­be­nen wur­den und für die eine Wie­der­ein­rei­se­sper­re nach § 11 Auf­ent­halts­ge­setz (Auf­enthG) gilt. Hier­se­mann: „Es ist nun klar­ge­stellt, dass Men­schen, die noch kurz vor dem völ­ker­rechts­wid­ri­gen mili­tä­ri­schen Angriff auf die Ukrai­ne aus baye­ri­scher Zustän­dig­keit dort­hin abge­scho­ben wur­den, kei­ne Ein­rei­se- und Auf­ent­halts­ver­bo­te haben. Etwa­ige Wie­der­ein­rei­se­sper­ren müs­sen von den Aus­län­der­be­hör­den gemäß § 11 Abs. 4 Satz 2 Auf­enthG auf Antrag der Betrof­fe­nen auf­ge­ho­ben werden.“

Dass es dabei nicht nur um Ein­zel­fäl­le geht, zeigt die Aus­wer­tung zu Abschie­bun­gen in die Ukrai­ne aus baye­ri­scher Zustän­dig­keit. Erst Ende letz­ten Jah­res wur­den noch 35 Geflüch­te­te in die Ukrai­ne abge­scho­ben, dar­un­ter elf Min­der­jäh­ri­ge. Und das, obwohl die Situa­ti­on in der Ukrai­ne bereits zu die­ser Zeit als men­schen­recht­lich kri­tisch und insta­bil zu bewer­ten war. Hier­se­mann: „Die­se Abschie­bun­gen hät­ten ver­mie­den wer­den kön­nen. Ich hof­fe, dass die­se Men­schen die Flucht hier­her erneut geschafft haben!“ Beson­ders ein­drück­lich ist lei­der auch, dass noch im Febru­ar 2022 zahl­rei­che Abschie­bun­gen (58) in die Ukrai­ne geplant waren, jedoch glück­li­cher­wei­se nicht mehr voll­zo­gen wer­den konnten.

Vor dem 24.02.2022 voll­zieh­bar aus­rei­se­pflich­ti­gen ukrai­ni­schen Staats­an­ge­hö­ri­gen wird laut einer Anwei­sung des baye­ri­schen Innen­mi­ni­ste­ri­ums (StMI) vom 07.03.2022 im Übri­gen nur eine Dul­dung aus­ge­stellt. Für ukrai­ni­sche Staats­an­ge­hö­ri­ge, die bereits gedul­det sind und somit nicht in den Anwen­dungs­be­reich des § 24 Auf­enthG fal­len und bei denen die Dul­dung nicht auf einer unge­klär­ten Iden­ti­tät beruht, soll das Ermes­sen laut StMI bei der Ertei­lung einer Beschäf­ti­gungs­er­laub­nis zwar groß­zü­gig aus­ge­übt wer­den. Ziel muss es aber sein, alle Geflüch­te­ten aus der Ukrai­ne unter den Schutz der EU-Richt­li­nie zu stellen.

Das Bun­des­in­nen­mi­ni­ste­ri­um hat bereits vor Tagen die Län­der dar­über infor­miert, dass die Rege­lun­gen auch auf ukrai­ni­sche Staats­an­ge­hö­ri­ge aus­ge­wei­tet wer­den, die sich bereits vor Kriegs­aus­bruch in Deutsch­land mit einem Auf­ent­halts­ti­tel auf­ge­hal­ten haben. Im Übri­gen wur­de vom Bun­des­in­nen­mi­ni­ste­ri­um unter ande­rem klar­ge­stellt, dass auch nicht-ukrai­ni­sche Per­so­nen mit recht­mä­ßi­gem Auf­ent­halt in der Ukrai­ne einen Anspruch auf einen Auf­ent­halts­ti­tel gemäß § 24 Auf­enthG haben. „Bay­ern muss nun sicher­stel­len, dass die bun­des­recht­li­chen Hin­wei­se und Rege­lun­gen zur Auf­nah­me von Flücht­lin­gen aus der Ukrai­ne ein­ge­hal­ten und ent­spre­chend voll­zo­gen wer­den, damit allen Schutz­be­rech­tig­ten ihr recht­mä­ßi­ger Anspruch gewährt wird!“, so Hiersemann.

Auch im Hin­blick auf die Unter­stüt­zung bereits ange­kom­me­ner Geflüch­te­ter besteht Hand­lungs­be­darf. Es ist bereits seit Jah­ren bekannt, dass eine Ver­sor­gungs­lücke für die psy­cho­so­zia­le Betreu­ung von Geflüch­te­ten in Bay­ern besteht. Dies und der erhöh­te Bedarf an psy­cho­so­zia­ler und psych­ia­tri­scher Betreu­ung wur­de mitt­ler­wei­le auch schon von der Staats­re­gie­rung ein­ge­räumt. Den­noch wur­den bis­lang noch kei­ne ent­spre­chen­den Kon­se­quen­zen gezo­gen (vgl. Schrift­li­che Anfra­ge der Bay­ern­SPD-Land­tags­frak­ti­on, Drs. 18/19646.

„Auch jetzt, wo wir ca. 100.000 Schutz­su­chen­de – dar­un­ter auf­grund der Kriegs- und Flucht­er­fah­run­gen sicher­lich vie­le mit Trau­ma­ta – in Bay­ern erwar­ten, muss die Staats­re­gie­rung die bestehen­den Ange­bo­te unmit­tel­bar aus­bau­en. Dies ist eine huma­ni­tä­re Ver­pflich­tung!“, so die mit­tel­frän­ki­sche Abge­ord­ne­te. Unbe­han­del­te psy­chi­sche Erkran­kun­gen las­sen die Betrof­fe­nen hier zusätz­lich lei­den, eine adäqua­te Behand­lung ist daher aus mensch­li­cher Sicht gebo­ten und für eine auch zeit­wei­se Inte­gra­ti­on unabdingbar.

Auch hin­sicht­lich der Flücht­lings- und Inte­gra­ti­ons­be­ra­tung sowie der Unter­stüt­zung der Kom­mu­nen hält der Frei­staat wie so oft an fest­ge­fah­re­ner Hal­tung fest. „Ein Aus­bau und eine ent­spre­chen­de Anpas­sung ist hier aber drin­gend not­wen­dig, um die neu­en Her­aus­for­de­run­gen zu mei­stern!“, schluss­fol­gert Hier­se­mann. „Den Wohl­fahrts­ver­bän­den wur­den erst letz­tes Jahr mit der Bera­tungs- und Inte­gra­ti­ons­richt­li­nie struk­tu­rell schmerz­haf­te Kür­zun­gen zuge­fügt – nun zeigt sich, wie wich­tig die dor­ti­gen Struk­tu­ren sind, auf die die Staats­re­gie­rung jetzt set­zen muss!“, so Hiersemann.

1 Antwort

  1. Marita Weissig sagt:

    Frau Hier­se­mann pran­gert die Abschie­bun­gen in die Ukrai­ne, die im Jahr 2021 statt­ge­fun­den haben, an. Was sie aber nicht erwähnt und völ­lig außen vor lässt, ist, dass Ukrai­nern, bevor der Krieg mit Russ­land begann, kein Asyl gewährt wur­de und das aus gutem Grund. Außer im öst­lich­sten Teil der Ukrai­ne war kei­ne Bedro­hung vor­han­den und die Men­schen, die aus die­sem Teil nach Deutsch­land kamen und Asyl bean­trag­ten, hät­ten inner­halb der Ukrai­ne, die das größ­te Land Euro­pas ist, flie­hen kön­nen. Alle waren im Febru­ar die­ses Jah­res über den rus­si­schen Angriff über­rascht, kei­ner hät­te damit im Ernst gerech­net. Was soll also die­ser Hin­weis, dass noch im Jahr 2021 in die Ukrai­ne abge­scho­ben wur­de? Außer wie­der ein­mal einer popu­li­sti­schen Dar­stel­lung einer ver­meind­lich flücht­lings­freund­li­chen Par­tei, die möch­te, dass alle blei­ben, auch die abge­lehn­ten Asylbewerber!