Sonn­tags­ge­dan­ken: Vergebung

Symbolbild Religion

Nach der Oster­nachts­mes­se – so wird aus der Zeit der christ­li­chen Macht­ha­ber berich­tet – wur­de vom Kai­ser mit dem Licht der Oster­ker­ze noch die gro­ße Ker­ze der Oster­gna­de ent­zün­det. Solan­ge sie brann­te, konn­te jeder, der ein todes­wür­di­ges Ver­bre­chen frei­wil­lig gestand, mit sei­ner Ver­ge­bung rech­nen. Sagt doch Jesus im Oster­e­van­ge­li­um: „Wem ihr die Sün­den ver­gebt, dem sind sie ver­ge­ben!“ Und beten wir nicht alle: „Ver­gib uns unse­re Schuld, wie auch wir ver­ge­ben unse­ren Schul­di­gern?“ Aller­dings durf­te die Geset­zes­über­tre­tung nicht schon vor Gericht ste­hen oder erwie­sen sein.

Schon kam der lan­ge Zug der Geset­zes­über­tre­ter aus einer Sei­ten­tür: Eid­brü­chi­ge und Tot­schlä­ger, Gift­mi­scher und Kin­des­mör­de­rin­nen, Wege­la­ge­rer und Falsch­mün­zer. Sie alle leg­ten die rech­te Hand an die Ker­ze, bekann­ten ihre Schuld und tra­ten dann an den Tisch des Schrei­bers. Er notier­te ihre Namen und gab ihnen den Gna­den­brief mit, der sie zur (unver­folg­ten) Wie­der­gut­ma­chung auf­for­der­te. Als Letz­te trat eine Frau an die Ker­ze, deren Ehe­gat­te sie bereits unter den Gläu­bi­gen und Schau­lu­sti­gen erwar­te­te. In der Hand hielt er eine Schrift­rol­le, auf der er dem Kai­ser mit­tei­len woll­te, dass sei­ne Frau ohne Rech­te sein Erbar­men anru­fe, weil er sie schon ihrer Ver­ge­hen über­führt habe. Sie aber wür­de die­se immer noch leugnen.

Die Men­schen starr­ten auf die Frau im Büßer­ge­wand, die ihre Hän­de an die Ker­ze leg­te und stockend in die atem­lo­se Stil­le sprach: „Ich beschul­di­ge mich des Ehe­bruchs mit jenen Män­nern, die mir gefal­len haben.“ Plötz­lich schrie sie: „Die­se Gna­de steht mir nicht zu!“ und blies die Flam­me aus. Dann sprach sie mit geschlos­se­nen Augen von dem Kind, das sie emp­fan­gen hat­te und dem Stu­den­ten … Sie schloss: „Mei­ne Schuld ist zu groß!“ Schließ­lich öff­ne­te sie die Augen. Die Ker­ze brann­te. Ihr Mann stand neben ihr. Er hat­te sie mit sei­ner Schrift­rol­le entzündet.

Mit stren­ger Stim­me frag­te der Kai­ser: „Wer bist du, und wie wagst du es, mei­ne Gna­den­ker­ze von neu­em zu ent­zün­den?“ Der Mann ant­wor­te­te: „Ich bin der Gat­te die­ser Frau. Mit der Ankla­ge­schrift gegen sie hol­te ich erneut das Licht von der Oster­ker­ze!“ Da ver­neig­te sich der Kai­ser und ver­zieh: „Du hast rich­tig gehan­delt – nach dem Bei­spiel Christi!“

Aus: W. Hoff­süm­mer, Geschich­ten wie Spie­gel des Her­zens, S. 20

Lie­be Freunde!

Pfarrer Klaus Weigand (rechts) mit Urmel ...

Pfar­rer Klaus Weig­and (rechts) mit Urmel …

Steht die­ses Geschich­te, bzw. der Gat­te in ihr nicht für vie­le von uns? Wie vie­le Ankla­ge­schrif­ten hal­ten wir in der Hand und wie oft ver­ur­tei­len wir ein­fach einen ande­ren, ohne ihn genau zu ken­nen oder ohne zu wis­sen, war­um er so oder anders gehan­delt hat? Wie oft ste­hen wir schau­lu­stig dane­ben, wenn ande­re ver­ur­teilt wer­den oder ins Unglück treiben?

Wir legen in unse­rer Gesell­schaft aber auch in unse­rer Kir­che ein­fach fest, wir wer­ten und wir urtei­len. Ist uns dabei aber bewusst, dass es viel­leicht auch Ankla­ge­schrif­ten gegen uns gibt? Jesus sag­te ein­mal zu den Pha­ri­sä­ern und Schrift­ge­lehr­ten, die den Tod einer Frau woll­ten, die sie beim Ehe­bruch ertappt hat­ten: “Wer von euch ohne Sün­de ist, der wer­fe als erstes einen Stein auf sie.“

In unse­rer Geschich­te woll­te ihr eige­ner Gat­te auch einen Stein auf die Sün­de­rin wer­fen und sie ver­ur­tei­len. Doch er ver­gibt ihr mit­hil­fe der eig­nen Anklageschrift.

Soll­ten wir nicht auch anfan­gen, Men­schen nicht mehr zu ver­ur­tei­len? Soll­ten wir nicht anfan­gen, wie Jesus zu han­deln und ein­an­der zu verzeihen?
Ich weiß, dass das nicht leicht ist, aber es wäre nach dem Bei­spiel Jesu.

Ich wün­sche Ihnen des­we­gen Men­schen, die Sie nie in Schub­la­den stecken, ver­ur­tei­len oder bewer­ten, son­dern Sie als das schät­zen, was Sie sind: Ein wun­der­ba­rer Gedan­ke Got­tes – ein­zig­ar­tig und wichtig.

Und ich wün­sche Ihnen den Mut, dass auch Sie immer wie­der ver­ge­ben, und ande­re nicht ver­ur­tei­len, wer­ten oder fest­le­gen: Han­deln wir nach dem Bei­spiel Jesu!

In die­sem Sin­ne einen geseg­ne­ten Sonntag!

Klaus Weig­and


Wei­te­re Sonn­tags­ge­dan­ken

Infos zu Pfar­rer Klaus Weigand

  • Gebo­ren 1966 in Erlen­bach am Main (Unter­fran­ken)
  • Abitur am The­re­sia­num in Bam­berg 1989
  • Stu­di­um der Kath. Theo­lo­gie in Bam­berg und Wien
  • Prie­ster­wei­he 1998
  • Tätig­kei­ten:
  • Fürth, Christ­kö­nig von 1997 – 2010
  • Bucken­ho­fen als Pfarr­ad­mi­ni­stra­tor 2010 – 2015
  • seit 2015 in Herolds­bach und Hausen