Bam­ber­ger Joseph-Stif­tung stif­tet Wahl­pflicht­fach für Hoch­schu­le Coburg

Geförderter Wohnungsbau in Herzogenaurach © Sebastian Kolm
Geförderter Wohnungsbau in Herzogenaurach © Sebastian Kolm

Die Joseph-Stif­tung, das kirch­li­che Woh­nungs­un­ter­un­ter­neh­men aus Bam­berg, stif­tet für das Som­mer­se­me­ster 2022 ein Wahl­pflicht­fach an der Fakul­tät Design der Hoch­schu­le für ange­wand­te Wis­sen­schaf­ten Coburg. Initi­iert hat das Pro­jekt der 41-jäh­ri­ge Archi­tekt Chri­sti­an Mül­ler gemein­sam mit sei­ner Kol­le­gin Nico­le Rose. Er ist Absol­vent der Cobur­ger Hoch­schu­le und nach Sta­tio­nen bei renom­mier­ten Büros in Ham­burg, Zürich und Ber­lin, nun als Pla­ner bei der Joseph-Stif­tung tätig. Neben ihm wer­den von der Joseph-Stif­tung noch Vor­stand Andre­as F. Heipp, die Archi­tek­tin Michae­la Mey­er und der Pro­jekt­steue­rer Sven Hau­ser refe­rie­ren. Was sich hin­ter der Vor­le­sungs­rei­he mit dem Titel „Geför­der­ter Woh­nungs­bau – quo vadis?“ ver­birgt, was die Stu­die­ren­den erwar­tet was sich das Unter­neh­men davon ver­spricht und war­um Nach­hal­tig­keit auch hier eine gro­ße Rol­le spielt, ver­rät Chri­sti­an Mül­ler im Interview.

Fra­ge: Herr Mül­ler, wie sind Sie auf die Idee gekom­men, eine Lehr­ver­an­stal­tung an einer Hoch­schu­le anzu­bie­ten und wel­che Zie­le ver­fol­gen Sie damit?

Christian Müller © privat

Chri­sti­an Mül­ler © privat

Chri­sti­an Mül­ler: Wir haben im ver­gan­ge­nen Jahr ein Pro­jekt mit der Hoch­schu­le für ange­wand­te Wis­sen­schaf­ten Würz­burg-Schwein­furt zur Ent­wick­lung eines gro­ßen Quar­tiers aus den 1970er-Jah­ren in Bam­berg gehabt. Hier sind span­nen­de Ent­wür­fe durch die Archi­tek­tur­stu­den­ten ent­stan­den. Zur Cobur­ger Hoch­schu­le gibt eben­falls seit eini­ger Zeit gute Kon­tak­te. Gemein­sam mit Nico­le Rose und unserm Vor­stand Dr. Kle­mens Deinzer habe ich den Bereich Pla­nen und Bau­en der Joseph-Stif­tung im Rah­men einer Lehr­ver­an­stal­tung von Frau Prof. Ohli­ger im ver­gan­ge­nen Jahr vor­ge­stellt. Mein Stu­di­um in Coburg ist nun schon auch mehr als 15 Jah­re her und ich war von der Ent­wick­lung der Hoch­schu­le posi­tiv über­rascht. Auf der ande­ren Sei­te dis­ku­tie­ren wir im Unter­neh­men schon län­ger über viel­fäl­ti­ge Nach­hal­tig­keits­the­men und deren Ein­fluss auf unse­re Pro­jek­te und Pro­duk­te. Auf der Rück­fahrt ist mit mei­ner Kol­le­gin Nico­le Rose und unse­rem Vor­stand Dr. Kle­mens Deinzer die Idee ent­stan­den, gemein­sam mit Stu­die­ren­den der Archi­tek­tur die­se The­men­fel­der zu bear­bei­ten. Bei der Cobur­ger Hoch­schu­le kam die Idee sofort gut an.

Fra­ge: Was kön­nen die Stu­die­ren­den von die­ser Lehr­ver­an­stal­tung erwarten?

Chri­sti­an Mül­ler: Im Semi­nar wer­den Pro­jek­te des geför­der­ten Woh­nungs­baus durch ein­zel­ne Pla­nungs­pha­sen geführt und hin­sicht­lich Nach­hal­tig­keits­aspek­ten vor­ge­stellt und ana­ly­siert. Die The­men­schwer­punk­te sind neben Städ­te­bau, gesell­schaft­li­chen und demo­gra­fi­schen Aspek­ten vor allem die Berei­che Ener­gie, Mate­ria­li­en, Wirt­schaft­lich­keit und nicht zuletzt Betrieb und Nach­nut­zung. Die Auf­ga­be der Stu­die­ren­den ist die Unter­su­chung eines Pro­jek­tes oder Quar­tiers des geför­der­ten Woh­nungs­baus. Als Grund­la­ge der Unter­su­chung die­nen uns ver­schie­de­ne Kri­te­ri­en­ka­ta­lo­ge. Wir stel­len sowohl Bau­pro­jek­te der Joseph-Stif­tung als auch die ande­rer Unter­neh­men vor.

Fra­ge: Wel­che Bedeu­tung hat das The­ma Nach­hal­tig­keit im Woh­nungs­bau und war­um liegt der Fokus des Semi­nars so stark darauf?

Chri­sti­an Mül­ler: Wir befin­den uns im Wan­del. Ein Umden­ken muss ein­set­zen, um die natio­na­len und inter­na­tio­na­len Ziel­set­zun­gen wie die Redu­zie­rung der Erd­er­wär­mung, CO2-Neu­tra­li­tät, Schaf­fung bezahl­ba­ren Wohn­raums und die bes­se­re Wie­der­ver­wert­bar­keit von Mate­ria­li­en sozi­al und nach­hal­tig umzu­set­zen. Es müs­sen eta­blier­te Stan­dards hin­ter­fragt und neue Wege gefun­den wer­den. Hier­für eig­net sich eine sol­che Lehr­ver­an­stal­tung außerordentlich.

Fra­ge: Sie haben den geför­der­ten Woh­nungs­bau als ein wich­ti­ges Nach­hal­tig­keits­the­ma benannt, kommt die­ser Bereich in Stu­di­um und Aus­bil­dung zu kurz oder gibt es bei Pla­nern Vor­ur­tei­le gegen­über die­sem Thema?

Chri­sti­an Mül­ler: Nein, das kann man nicht gene­ra­li­sie­ren. Das The­ma hat wie vie­le ande­re Nach­hal­tig­keits­aspek­te in den ver­gan­ge­nen Jah­ren sicher­lich an Bedeu­tung und Dyna­mik gewon­nen. Beim geför­der­ten Woh­nungs­bau geht es eher um eine Moti­va­ti­ons­fra­ge. Vor allem im Stu­di­um sind eher außer­ge­wöhn­li­che Pro­jek­te wie Thea­ter oder Muse­en span­nend. Der geför­der­te Woh­nungs­bau ist eher nicht das Lieb­lings­ent­wurfs­the­ma vie­ler Stu­die­ren­der. Wir wol­len ihn etwas schmack­haf­ter machen. Woh­nen betrifft jeden.

Fra­ge: Und wie kann man nun ein Gebäu­de nach­hal­tig planen?

Es geht dar­um, das Gan­ze zu sehen: den Betrieb, die Nach­nut­zung und die soge­nann­te „Lei­stungs­pha­se 0“, die im Sin­ne der HOAI, also der Hono­rar­ord­nung für Archi­tek­ten und Inge­nieu­re, kei­ne ech­te Lei­stungs­pha­se ist. Im Wesent­li­chen geht es um die Pro­jekt­vor­be­rei­tung, in der kla­re Ziel­set­zun­gen und Auf­ga­ben­stel­lun­gen für die pla­nen­den Archi­tek­ten in den Lei­stungs­pha­sen 1–9 ent­wickelt wer­den. Archi­tek­ten müs­sen ihren Hori­zont öff­nen und die Zeit nach Pla­nung und Bau stär­ker mitdenken.

Fra­ge: Kön­nen Sie das an einem Bei­spiel fest machen?

Chri­sti­an Mül­ler: Wir kön­nen und soll­ten von einer Gebäu­de­le­bens­dau­er von 50 bis 80 Jah­ren aus­ge­hen. Der Betrieb eines Gebäu­des, also die Zeit, in der es bei­spiels­wei­se bewohnt ist, ist die läng­ste Pha­se dabei. Was pas­siert bei­spiels­wei­se mit der Wär­me­tech­nik dar­in? Hier gibt es einen ste­ti­gen Wan­del, den wir gera­de bei Gas oder Öl hin zu Wär­me­pump­sy­ste­men oder Solar­ther­mie beob­ach­ten kön­nen. Wie pla­ne ich also die tech­ni­sche Gebäu­de­aus­rü­stung in einem Gebäu­de, um auf die­sen Wan­del in den kom­men­den Jahr­zehn­ten gut reagie­ren zu kön­nen? Glei­ches gilt für die Grund­ris­se. Hier ändert sich der Wohn­be­darf auch schnel­ler als ein Gebäu­de steht. Ein Bei­spiel ist die Ent­wick­lung hin zum Home­of­fice. All die­se The­men sind bekannt, wer­den in der Pra­xis teil­wei­se zu wenig umge­setzt. Wir wol­len mit unse­rer Ver­an­stal­tung auch hier ansetzen.

Fra­ge: Wann ist die Lehr­ver­an­stal­tung für Sie ein Erfolg und will die Joseph-Stif­tung so etwas künf­tig regel­mä­ßig anbieten?

Chri­sti­an Mül­ler: Ob in die­ser Form wird sich zei­gen, eine kon­ti­nu­ier­li­che Zusam­men­ar­beit mit der Hoch­schu­le in Coburg ist ange­dacht. Die Joseph-Stif­tung ist immer an einem fach­li­chen Aus­tausch mit wis­sen­schaft­li­chen Ein­rich­tun­gen inter­es­siert. Die Erfah­run­gen zei­gen, dass wir als Unter­neh­men dar­aus viel mit­neh­men kön­nen. Eine sol­che Lehr­ver­an­stal­tung ist kei­ne Ein­bahn­stra­ße, son­dern soll­te sowohl den Stu­die­ren­den als auch dem Unter­neh­men eine Wei­ter­ent­wick­lung ermög­li­chen. Wir wol­len nicht sagen, wie es gemacht wird, son­dern gemein­sam Ideen ent­wickeln, wie es bes­ser gemacht wer­den kann. Wir erhof­fen uns neue Ideen und Denk­an­sät­ze und klar freu­en wir uns auch, wenn die Stu­die­ren­den durch den Aus­tausch die Joseph-Stif­tung für einen spä­te­ren Berufs­ein­stieg in Betracht ziehen.

Herr Mül­ler, wir dan­ken Ihnen für das Gespräch.


Grün­dung und Stiftungszweck

Die Joseph-Stif­tung als kirch­li­ches Woh­nungs­un­ter­neh­men wur­de 1948 durch den Bam­ber­ger Erz­bi­schof Joseph Otto Kolb gegrün­det. Sie ist christ­li­chen Grund­wer­ten ver­pflich­tet. Stif­tungs­zweck ist die Woh­nungs­ver­sor­gung – ins­be­son­de­re in der Erz­diö­ze­se Bam­berg – für Ziel­grup­pen mit gerin­ge­rem Ein­kom­men zu verbessern.

Kern­ge­schäfts­fel­der und Wirkungsbereich

Das Unter­neh­men ist in den Berei­chen Neu­bau und Bau­trä­ger, Bau­be­treu­ung für Drit­te und in der Immo­bi­li­en­ver­wal­tung tätig. Mit etwa 180 Mit­ar­bei­tern, rund 15.000 ver­wal­te­ten Ein­hei­ten und einer jähr­li­chen Bilanz­sum­me von rund 400 Mil­lio­nen Euro ist die Joseph-Stif­tung eines der größ­ten Woh­nungs­un­ter­neh­men in Nord­bay­ern. Neben dem Haupt­sitz in Bam­berg betreibt das Unter­neh­men Geschäfts­stel­len und Kundenzentren