Stellungnahme des „Unser Steigerwald e.V.“ zum Bericht im Fränkischen Tag vom 15.02.2022: „Wie wäre es, einen Nationalpark zu haben?“

Brauchen wir einen Stausee im Steigerwald?

Zum Bericht im Fränkischen Tag vom 15.02.2022: „Wie wäre es, einen Nationalpark zu haben?“, in dem es um den Nationalpark Kellerwald-Edersee geht, nimmt der Verein „Unser Steigerwald e.V.“ wie folgt Stellung:

Bildung, Forschung und Artenschutz sind die Ziele eines Nationalparks (NP). Weil diese Argumente nicht stark genug sind, um NPs durchzusetzen und weil es mittlerweile bessere Konzepte gibt, klammern sich die Befürworter mit dem Tourismusargument an den letzten Strohhalm. Eine treffende Antwort auf diesen Irrweg liefert Günter Flegel vom FT Bamberg in seinem Beitrag vom 04.01.2011, indem er Folgendes schreibt: „Der Bund Naturschutz zog die letzte Karte aus dem Ärmel und versuchte in der Region damit zu punkten, dass er den NP quasi als Konjunkturprogramm anpries. Unglaubwürdiger haben Naturschützer sich und ihre Idee wohl selten verkauft. Warum? Ein NP wird nicht eingerichtet, um den Tourismus und die Wirtschaft zu fördern.“ Weiter heißt es: „Natur alleine zieht nicht mehr im multimedialen Zeitalter, der Besucher erwartet ein „Event“. Das können die noch so alten und schönen Buchen im Steigerwald nicht bieten, und seltene Käfer und Pilze sind für Experten interessant nicht aber für Otto Normalverbraucher. Der wandert durch den Steigerwald, kehrt ein und freut sich an der Natur. Ob die NP heißt, ist ihm egal“…. „Der Steigerwald wird nicht besser, wenn er offensiv für den Tourismus erschlossen wird und für die Menschen im Steigerwald nicht lebenswerter.“ Dem ist von unserer Seite nichts hinzuzufügen!

Was den Umfang der „noch so schönen und alten Buchen“ angeht, sollte der Leser wissen, dass selbst Martin Bücker vom Bund Naturschutz Bamberg im Schreiben vom 14.04.2014 an die Regierung von Oberfranken Folgendes eingestehen musste: „Im gesamten Forstbetrieb Ebrach (ca. 17.000 ha, Anmerkung des Verfassers) gibt es nur 20 bis 25 ha solcher Altbuchenwälder mit einem Alter über 200 bzw. 250 Jahren, die seit Jahrzehnten nutzungsfrei sind“. Der Leser muss sich getäuscht vorkommen, wenn ihm regelmäßig von uralten Buchenwäldern im Steigerwald erzählt wird, die man „vor der Säge“ schützen müsse. Der Leser sollte auch wissen, dass diese ca. 25 ha längst vor der NP-Diskussion bereits in verschiedenen Naturwaldreservaten geschützt wurden und die Bayer. Staatsforsten alle Buchenwälder über 180 Jahren aus der Nutzung genommen haben. Auch sollte er wissen, dass Stürme, Trockenheit und Schädlinge das Alter unserer Waldbäume bestimmen und nicht das Wunschdenken mancher Ideologen. Für überzeugte Naturinteressenten ergeht der Hinweis, dass es über ganz Bayern verteilt 160 Naturwaldreservate gibt, die alle wichtigen Waldgesellschaften Bayerns abbilden und Anschauungsobjekte für ungestörte Waldentwicklung darstellen. Hier kann man sich gerne informieren, falls überhaupt Interesse besteht.

Wer den Online-Vortrag am 02.02.2022 zum Nationalpark Kellerwald-Edersee, der oben genanntem Presseartikel zugrunde liegt, verfolgt hat, wurde mit folgenden Aussagen über die Region konfrontiert: hoch verschuldete Gemeinden, hohe Abwanderungsrate, überalterte Region, abseits großer Verkehrswege gelegen, Landwirtschaft ohne Zukunft, unzerschnittenes Buchenwaldgebiet (5500 ha) mit vielen Trockenstandorten, auf denen „urige“ Buchen stocken, im Zentrum der größte Stausee (Edertalsperre) Deutschlands. Kein einziges Kriterium trifft auf den Steigerwald zu. Deshalb kann es nur als Täuschung der Öffentlichkeit gesehen werden, wenn man die NP-Region Kellerwald-Edersee oder auch viele andere NP-Regionen mit dem Steigerwald vergleicht.

Wir im Steigerwald haben weder Wasserflächen noch Wintersportmöglichkeiten, wir haben keinen Watzmann und keinen Königssee, keine Rachel und keinen Lusen oder einen Brocken wie im Harz, und der Wald an sich wird durch die Aufstellung einer Tafel „Nationalpark“ keinen Deut attraktiver als vorher. Insofern ist die Bildunterschrift in oben genanntem Beitrag „Wertvolle Buchenwälder im NP Kellerwald-Edersee bringen die Region voran“ eine beabsichtigte Irreführung der Öffentlichkeit. Günter Flegel hat recht, der Waldbesucher erwartet ein Event, einen Baumwipfelpfad, ein attraktives Museum oder Ausstellungsgelände, ein Wildschaugehege, eine urige Waldgaststätte, attraktive Sportmöglichkeiten usw. Hierfür ist allerdings kein NP erforderlich. Der Steigerwald lebt es sehr erfolgreich vor. Doch auch diese Events müssen ständig erweitert und modernisiert werden, sonst kommt es zu den schockierenden Folgen, welche das Bundesamt für Naturschutz aufgrund einer Untersuchung in den Jahren 2006-2011 (Quelle: Projekt M Destinationsindex 2012) in den älteren Nationalparken, namentlich Harz, Bayer. Wald und Berchtesgaden festgestellt hat. In diesem Bericht wird von „Übernachtungsverlusten und massiven Marktanteilsverlusten“ gesprochen. Nationalparke sind eben nur ein Strohfeuer für eine touristische Belebung und entfalten keine nachhaltige Wirkung. Wie verzweifelt muss die Tourismusbranche in der NP-Region Bayer. Wald sein, wenn sie im Fränkischen Tag vom 15/16.01.2022 mit anmutenden Winterlandschaften wirbt, wohlwissend, dass es diese wegen des Klimawandels nicht mehr geben wird.

Die Kernfrage, in welchem Maße denn die touristische Belebung in der vom Stausee Edertalsperre geprägten Region durch die NP-Ausweisung beeinflusst wurde, konnte nicht beantwortet werden, da Daten vor der NP-Einrichtung angeblich nicht erhoben wurden. Dies überrascht nicht, ist doch der Stausee der Besuchermagnet, nicht der NP. Die Werbung der Region mit dem Label Edersee und nicht NP sind der schlagende Beweis.

Am Versuch, mit wissenschaftlichen Methoden die ökonomischen Vorteile eines NPs am Beispiel des NP Bayer. Wald zu belegen ist bereits Prof. Job von der Uni Würzburg gescheitert. Er musste eingestehen, dass er für das Bayer. Umweltministerium nur ein Gefälligkeitsgutachten gemacht hätte.

Der NP Bayer. Wald hat den Steuerzahler mittlerweile eine halbe Milliarde Euro gekostet. Nicht berücksichtigt sind Millionenverluste in zweistelliger Höhe durch die verbotene nachhaltige Holznutzung und die klimaschädlichen Folgen wegen der wegfallenden CO₂-Bindung infolge der großflächigen Waldverluste. Was hat er gebracht? Eine Region mit nach wie vor verschuldeten Gemeinden und nie gekannten großflächigen Waldverlusten. Und für den Artenschutz? Weder Luchs noch Wolf noch Wildkatze brauchen einen NP und die vielzitiertenUrwaldreliktarten sind nicht vom Himmel gefallen, weil man ein Schild NP aufgestellt hat. Sie waren bereits vor der NP-Ausweisung da.

Hier gäbe es einen Ansatzpunkt für eine intensive Prüfung durch den Obersten Rechnungshof. Denn die Politik muss sich angesichts der klaren Datenlage fragen, ob es nicht geeignetere Möglichkeiten gibt eine Region zu stärken als NPs.

Nur als peinlich kann man als Kenner des Artenspektrums im Steigerwald den Vortrag des für den Naturschutz zuständigen Biologen Dr. Achim Frede sehen, wenn das Vorkommen von Schwarzstorch, Wildkatze, Ästigem Stachelbart und eines bescheidenen Schwarzkäferfundes als revolutionäres Ergebnis des NPs verkauft werden soll. Diese Arten sind, wie viele andere auch, im Steigerwald längst eine Selbstverständlichkeit. Der Leser sollte wissen, dass erst vor gut einem Jahr vier als ausgestorben geltende Arten (Pabulatrix papulatricula, Dicera berolinensis, Coprinus geesterani und Lycogala confusum) in bewirtschafteten Wäldern Unterfrankens gefunden wurden.

Obwohl sich das Kellerwaldgebiet im Unterschied zum Steigerwald durch große zusammenhängende Wälder auszeichnet, gelang es nicht, den Luchs anzusiedeln. Die genannten Gründe „illegale Abschüsse“ und „Luchsräude“ sind nicht überzeugend.

Als Befürworter eines NPs dürfte man kein Interesse haben Referenten einzuladen, die gegen einen NP sind. Insofern war o.g. Veranstaltung des BN eine Farce. Und die vorgespielte Harmonie, die nach angeblichen Widerständen in jeder NP-Region herbeigeredet werden soll, kann man sich mit „großzügigen Geldspritzen“ und Drohgebärden erkaufen. Diese Praktiken an die Öffentlichkeit zu bringen, wäre höchst interessant, würde aber den Rahmen dieses Beitrags sprengen.

Wir im Steigerwald werden auf der Basis unserer naturgegebenen Voraussetzungen (auch ohne Stausee), der sich über Generationen herausgebildeten ökologisch und ökonomisch stabilen Wirtschaftsstruktur und eines weltweit anerkannten Waldbewirtschaftungskonzeptes die Herausforderungen des Klimawandels annehmen und bewältigen. Dieses Konzept werden wir uns nicht von überkommenen NP-Anschauungen zerreden lassen.

Verein Unser Steigerwald e.V.
Oskar Ebert