Exper­te der Uni­ver­si­tät Bay­reuth zur Impf­pflicht im Gesund­heits­we­sen: „Da kommt viel auf die Gerich­te zu“

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Ab Mit­te März gilt für Beschäf­tig­te in Kli­ni­ken und in der Pfle­ge die soge­nann­te „Coro­na-Impf­pflicht“ – offen­bar nicht in allen Bun­des­län­dern, ein­zel­ne Län­der pla­nen Über­gangs­re­ge­lun­gen die einer Aus­set­zung des Geset­zes gleich­kom­men. Außer­dem herrscht Unsi­cher­heit über den Voll­zug des Geset­zes. Details dazu weiß der Arbeits­recht­ler Prof. Dr. Adam Sagan, Inha­ber des Lehr­stuhls Zivil­recht II an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth. Er erläu­tert im Inter­view auch die Lücken im Gesetz.

Spre­chen wir hier über eine Impf-„Pflicht“?

Aus dem Geset­zes­text ergibt sich nur eine Nach­weis­pflicht in bestimm­ten Berei­chen des Gesund­heits­we­sens. Kon­kret heißt es da: Beschäf­tig­te müs­sen nach­wei­sen, dass sie geimpft oder gene­sen sind oder aus medi­zi­ni­schen Grün­den nicht geimpft wer­den können.

Wenn sie das nicht tun?

Dann muss der Arbeit­ge­ber dies dem zustän­di­gen Gesund­heits­amt unver­züg­lich mel­den. Das ent­schei­det über ein Tätig­keits­ver­bot in der Ein­rich­tung. Der Lei­stungs­aus­tausch im Arbeits­ver­hält­nis – Arbeit gegen Geld – kommt damit zum Erlie­gen. Das heißt: Die­se Kräf­te erhal­ten kein Gehalt mehr. Aber bit­te beden­ken Sie, dass zum Bei­spiel Mit­ar­bei­ter der Kran­ken­haus­ver­wal­tung auch von zu Hau­se arbei­ten könn­ten. Wenn sie den Nach­weis schul­dig blei­ben und in dem Betrieb nicht mehr tätig sein dür­fen, kann der Arbeit­ge­ber sie mög­li­cher­wei­se den­noch im Home­of­fice beschäftigen.

Bei wem liegt eigent­lich die Ent­schei­dung über ein Tätigkeitsverbot?

Neben den gesetz­li­chen Ver­bo­ten räumt der Gesetz­ge­ber den Gesund­heits­äm­tern einen Ermes­sens­spiel­raum ein. Sie sol­len alle Umstän­de des Ein­zel­fal­les abwä­gen und ent­schei­den, ob sie bei einem feh­len­den Nach­weis ein Tätig­keits­ver­bot aus­spre­chen. Aber wie sol­len die Ämter das schaf­fen? Eini­ge sind bereits jetzt abso­lut über­la­stet. Dabei ist das Gesund­heits­ri­si­ko, das von einer unge­impf­ten Per­son auf einem bestimm­ten Arbeits­platz aus­geht, nicht leicht ein­zu­schät­zen. Das gilt auch für die Fol­gen der Ver­bo­te. Die Gesund­heits­äm­ter wer­den kaum abse­hen kön­nen, ab wel­cher Zahl ein Betrieb oder eine Abtei­lung geschlos­sen wer­den muss.

Wenn die Per­son den­noch in der Ein­rich­tung weiterarbeitet?

Ver­stö­ße gegen ein behörd­li­ches Tätig­keits­ver­bot sind Ord­nungs­wid­rig­kei­ten, die mit Buß­gel­dern von bis zu 2.500 Euro belegt wer­den kön­nen. Das gilt eben­so für die gesetz­li­chen Tätig­keits- und Beschäf­ti­gungs­ver­bo­te, die für Arbeit­neh­mer und Arbeit­ge­ber gel­ten. Die Buß­gel­der wer­den zwangs­voll­streckt, im Grun­de wie ein Straf­zet­tel. Ganz theo­re­tisch ist auch Erzwin­gungs­haft denkbar.

Tref­fen die neu­en Rege­lun­gen auch Pfle­ge­kräf­te aus dem EU-Aus­land?

Arbeit­neh­mer aus ande­ren EU-Mit­glieds­staa­ten wer­den behan­delt wie Inlän­der. Sie müs­sen beim Geimpf­ten-Sta­tus nach­wei­sen, dass sie mit einem hier zuge­las­se­nen Impf­stoff geimpft sind. Dage­gen bestehen mei­nes Erach­tens kei­ne uni­ons­recht­li­chen Bedenken.

Wel­che Kon­se­quen­zen hat es, wenn ein Impf­nach­weis gefälscht ist?

Da muss man zwi­schen öffent­li­chem Recht und Arbeits­recht unter­schei­den. Die Ver­wen­dung gefälsch­ter Impf­aus­wei­se kann eine Straf­tat sein oder eine Ord­nungs­wid­rig­keit, die mit Buß­geld belegt wird. Im Ver­hält­nis zum Arbeit­ge­ber wäre das eine Ver­let­zung arbeits­ver­trag­li­cher Pflich­ten, kann also Abmah­nung oder Kün­di­gung nach sich zie­hen. Schließ­lich kann Scha­den­er­satz dro­hen, wenn der Nut­zer des gefälsch­ten Impf­pas­ses nach­weis­lich ande­re Per­so­nen im Betrieb infi­ziert hat.

Ist das Gesetz in Ihren Augen gut gemacht?

Nein, es hat kla­re hand­werk­li­che Schwä­chen. Gilt das gesetz­li­che Tätig­keits­ver­bot ab dem 16. März für alle Beschäf­tig­ten oder nur für die­je­ni­gen, die dann noch neu ein­ge­stellt wer­den? Der Gesetz­ge­ber dach­te wohl nur an die Neu­ein­stel­lun­gen, aber das steht so nicht im Gesetz. Dort steht: „Per­so­nen, die (…) ab dem 16. März 2022 tätig wer­den sol­len“. Das umfasst auch die schon bis­lang Täti­gen. Dar­über hin­aus steht vie­les nicht im Gesetz, son­dern nur in den Druck­sa­chen des Bun­des­ta­ges. Die arbeits- und sozi­al­ver­si­che­rungs­recht­li­chen Fol­gen sind nicht gere­gelt wor­den. Als Arbeits­recht­ler wür­de ich mir wün­schen, dass das nach­ge­bes­sert würde.

Der baye­ri­sche Mini­ster­prä­si­dent plant „groß­zü­gi­ge Über­gangs­re­ge­lun­gen“. Aus Sicht eines Arbeits­recht­lers: Ist das sinnvoll?

Wenn die Über­gangs­re­ge­lun­gen dazu füh­ren, dass das Gesetz de fac­to nicht aus­ge­führt wird, wirft das schon ver­fas­sungs­recht­li­che Fra­gen auf. Die von mir genann­ten arbeits­recht­li­chen Pro­ble­me löst die fak­ti­sche Aus­set­zung des Ver­wal­tungs­voll­zugs jeden­falls nicht. Es bleibt dabei, dass die Beschäf­tig­ten im Gesund­heits­we­sen grund­sätz­lich geimpft oder gene­sen sein müs­sen. Dar­aus erge­ben sich die Fra­gen, ob der Arbeit­ge­ber die Imp­fung ver­lan­gen kann, die Beschäf­ti­gung unge­impf­ter Arbeit­neh­mer ableh­nen kann, ob Ent­gelt fort­ge­zahlt wer­den muss und ob abge­mahnt und gekün­digt wer­den darf. Hier allein auf die Untä­tig­keit der Gesund­heits­äm­ter zu hof­fen, ver­schiebt die­se Fra­gen nur in eine recht­li­che Grauzone.

Was erwar­ten Sie ab 16. März?

Die mei­sten Beschäf­tig­ten wer­den ihre Imp­fung nach­wei­sen oder haben das schon getan. Die 3G-Regel am Arbeits­platz gilt ja schon eine Wei­le. Bei denen, die weder geimpft noch gene­sen sind und sich auch nicht imp­fen las­sen wol­len, müss­ten die Gesund­heits­äm­ter behörd­lich Nach­wei­se anfor­dern oder ärzt­li­che Unter­su­chun­gen anord­nen, und dann Tätig­keits­ver­bo­te aus­spre­chen. Aber jeder kann die­se Maß­nah­men ver­wal­tungs­ge­richt­lich über­prü­fen las­sen. Auch wegen arbeits- und sozi­al­recht­li­cher Fol­gen kann man vor die Gerich­te zie­hen. Wegen der Unklar­hei­ten im Gesetz wird da eini­ges auf die Gerich­te zukommen.