50 Jah­re Markt Wie­sent­tal: Die Wie­se ist grün geblieben

Blick ins Wiesenttal zwischen Muggendorf und Streitberg. Foto: H.W. Penning
Blick ins Wiesenttal zwischen Muggendorf und Streitberg. Foto: H.W. Penning

Vor 50 Jah­ren schlos­sen sich fünf ehe­mals selb­stän­di­ge Kom­mu­nen zum Markt Wie­sent­tal zusam­men. Nicht alle Erwar­tun­gen gin­gen in Erfüllung.

Eigent­lich war es eine durch­aus har­mo­ni­sche Bür­ger­ver­samm­lung vor gut 50 Jah­ren im Saal des Gast­hau­ses Spon­sel in Ober­fel­len­dorf. Im Herbst 1971 bekräf­tig­ten die kom­mu­na­len Spit­zen der fünf ehe­ma­li­gen Gemein­den Alberts­hof, Engel­hardsberg, Ober­fel­len­dorf, Mug­gen­dorf und Streit­berg den Wil­len, eine neue Ein­heits­ge­mein­de zu bil­den. Zu Zei­ten des Mini­ster­prä­si­den­ten Alfons Gop­pel (CSU) – das war der Hin­ter­grund – soll­ten Land­krei­se, Städ­te, Märk­te und Gemein­den zu neu­en Gebiets­kör­per­schaf­ten zusam­men­ge­führt wer­den, um die Her­aus­for­de­run­gen der Zukunft bes­ser bewäl­ti­gen zu kön­nen. Der Druck von „oben“ erreich­te rasch des fla­che Land.

Es war wohl der dama­li­ge Streit­ber­ger Bür­ger­mei­ster Hans Geb­hardt, der – in Sachen Fisch sowie­so unter­wegs – in den Mona­ten zuvor sei­ne Net­ze im Tal der Wie­sent und auf den umlie­gen­den Höhen aus­ge­wor­fen hat­te. Um die bei­den Luft­kur­or­te Mug­gen­dorf und Streit­berg – Mug­gen­dorf brach­te zudem das Markt­recht mit – kön­ne doch, so schweb­te es Geb­hardt vor, eine lei­stungs­fä­hi­ge Kom­mu­ne ent­ste­hen, die nach dem Berap­peln der Nach­kriegs­zeit die Her­aus­for­de­run­gen der Zukunft im Sin­ne der Erfin­der der Gebiets­re­form gewiss wür­de bewäl­ti­gen kön­nen. Mit ver­ein­ten Kräf­ten jeden­falls bes­ser als jeder für sich allei­ne dies könn­te. Beim dama­li­gen Mug­gen­dor­fer Bür­ger­mei­ster Johann Mey­er und des­sen jun­gem „Vize“ Paul Pöhl­mann stieß er damit eben­so auf offe­ne Ohren wie bei den drei Jura-Gemein­den, die kirch­lich schon lan­ge dazu gehörten.

Weil die neue Gemein­de Wie­sent­tal – der Kunst-Name war ein Kom­pro­miss zwi­schen Mug­gen­dorf und Streit­berg – künf­tig dem Land­kreis Forch­heim ange­hö­ren soll­te, war auch des­sen jun­ger Land­rat Otto Ammon zu der Bür­ger­ver­samm­lung gekom­men. Das war kei­nes­wegs selbst­ver­ständ­lich, denn die histo­ri­schen Bin­dun­gen des ehe­ma­li­gen mark­gräf­li­chen Amtes Streit­berg, das in etwa dem neu­en Gemein­de­ge­biet ent­sprach, reich­ten nach Bay­reuth. Die Krie­ger- und Sol­da­ten­ka­me­rad­schaft Streit­berg und Umge­bung zum Bei­spiel blieb – in Treue fest – noch bis ins Jahr 2000 der Wag­ner­stadt und deren Kreis­ver­band ver­bun­den. Immer­hin setz­te der gera­de gewähl­te Forch­hei­mer Land­rat der Idee einer star­ken und kon­fes­sio­nell eini­gen Ein­heits­ge­mein­de die Mög­lich­keit einer Ver­wal­tungs­ge­mein­schaft ent­ge­gen, die aber auf wenig Gegen­lie­be stieß. „Otto, lass uns unser Ding machen, nac­herd bist a Kerl“, über­zeug­te der alt­ge­dien­te Kom­mu­nal­po­li­ti­ker Geb­hardt den damals jun­gen Land­rat. Der kann­te sei­ne Gren­zen: „Herr Geb­hardt, Ihr Arm ist doch län­ger als der mei­ne“, bekann­te er frei­mü­tig und gab sein Einverständnis.

Geb­hardts Plan

Aber Hans Geb­hardt, der 1999 ver­starb, ver­füg­te nicht nur über die nöti­ge Über­zeu­gungs­kraft, er hat­te auch einen Plan, den er den neu­en Gemein­de­vä­tern mit auf den Weg gab. Im schön­sten Wies­ent­grun­de, gegen­über der Nei­deck, damals noch das allei­ni­ge Wahr­zei­chen der Frän­ki­schen Schweiz, soll­te ein neu­es Zen­trum der „Groß­ge­mein­de“ Wie­sent­tal ent­ste­hen: ein neu­es Rat­haus, ein moder­nes Frei­zeit­bad, ande­re Frei­zeit­ein­rich­tun­gen und was man sonst noch brau­chen wür­de, ein biss­chen weg von den bei­den Kirch­tür­men hin zu einer neu­en Zeit. Der Frei­staat för­der­te dies im Gei­ste der Gebiets­re­form damals sehr groß­zü­gig und wür­de gewiss eine eben­so lei­stungs­fä­hi­ge wie zeit­ge­mä­ße Staats­stra­ße vom neu­en Zen­trum durch das Lan­ge Tal hin­auf zu den Jura-Orten bei­steu­ern. Dort könn­te dann auch wirt­schaft­lich wich­ti­ges Gewer­beland in belie­bi­ger Grö­ße und vor allem umwelt­freund­li­cher als im Tal erschlos­sen wer­den. Bei den Pflicht­auf­ga­ben indes sah Geb­hardt noch Nach­hol­be­darf: Zwar hat­te die Gemein­de Streit­berg bereits 1968 mit einer Tief­boh­rung bestes Trink­was­ser auch für die Orte ihrer Umge­bung erschlos­sen, Glei­ches aber müs­se in und für Mug­gen­dorf gemacht wer­den, wünsch­te er bei jeder pas­sen­den und viel­leicht auch unpas­sen­den Gelegenheit.

Heu­te, 50 Jah­re nach dem Beginn einer neu­en Zeit in Wie­sent­tal, sucht man die Vor­ha­ben von damals ver­ge­bens. Die Wie­se gegen­über der Nei­deck ist grün geblie­ben und so man­cher Traum von einer Zukunft in Sta­bi­li­tät und Geschlos­sen­heit ist zer­platzt. Allen Pro­gno­sen und wirt­schaft­li­cher Lei­stungs­fä­hig­keit zum Trotz kommt die Gemein­de Wie­sent­tal, in den Jah­ren dar­auf erwei­tert um die Gemein­den Bir­ken­reuth und Wüsten­stein, nicht aus den roten Zah­len. Man ist oder war oft ange­wie­sen auf staat­li­che Bedarfs­zu­wei­sun­gen und Sta­bi­li­sie­rungs­hil­fen. Die Gastro­no­mie vor allem im einst blü­hen­den Streit­berg blu­te­te aus und das schlim­me Wort vom „Jam­mer­tal“ macht die Run­de. War­um ist das so? Immer­hin: Mit freund­li­cher Unter­stüt­zung des dama­li­gen CSU-Land­tags­ab­ge­ord­ne­ten Erwin Keil­holz gelang es, einen elek­tro­tech­ni­schen Betrieb mit rund 100 Arbeits­plät­zen an die Wie­sent zu locken.

Sechs Par­tei­en im Rat

Von der Absicht, die frü­her sie­ben Kom­mu­nen zu einem ein­träch­ti­gen Bund zusam­men zu füh­ren, ist man heu­te den­noch weit ent­fernt. Was gewiss nicht dar­an lag oder liegt, dass 1978 mit der Gemein­de Wüsten­stein ein Revier hin­zu kam, das mit dem Gemein­de­na­men „frem­deln“ muss­te. Denn Wüsten­stein reicht ins Tal der Auf­seß, fühlt sich bis heu­te viel­leicht mit den Auf­se­ßer Nach­barn mehr ver­bun­den als mit sonst jemand und ist nicht nur eige­ne Kir­chen­ge­mein­de, son­dern ver­fügt zudem über ein bin­dungs­star­kes und boden­stän­di­ges Ver­eins­le­ben samt Ten­nis- und Ski­club. War­um man damals den Weg nach Wie­sent­tal und zum Land­kreis Forch­heim fand, ist heu­te nur schwer nach­voll­zieh­bar. Viel­leicht lag es ja dar­an, dass der dama­li­ge Bür­ger­mei­ster im dor­ti­gen Land­rats­amt sei­ne Bröt­chen verdiente …

An den Wüsten­stei­nern liegt es jeden­falls nicht, dass sich die vier­zehn Sit­ze im Gemein­de­rat auf sechs Par­tei­en und loka­le Wäh­ler­grup­pen ver­tei­len. Wie es scheint, suchen die Wie­sent­ta­ler und Wesent­ta­le­rin­nen ihr Heil bis dato lie­ber auf eige­ne Faust denn im Ver­trau­en auf die Gemein­schaft. In das so ent­stan­de­ne Macht­va­ku­um drängt sich neu­er­dings ein so genann­tes „Quar­tiers­ma­nage­ment“, das in den drei Kir­chen­ge­mein­den Mug­gen­dorf, Streit­berg und Wüsten­stein sei­ne „Quar­tie­re“ sieht. Bil­den sich hier schon Schat­ten­reich-Struk­tu­ren? Die Fra­ge sei erlaubt: Wer hat die­se Leu­te gewählt? Wel­cher Kon­trol­le unter­lie­gen sie? Man beruft sich auf Gott, aber gehö­ren zu des­sen Auf­ga­ben­be­reich zum Bei­spiel Grund­stücks­be­ra­tun­gen? Wie weit kann die so pro­kla­mier­te „Nach­bar­schafts­hil­fe“ gehen? Erstaun­lich, dass die Rechts­auf­sicht sich dafür nicht inter­es­siert. Das Got­tes­gna­den­tum gehört doch wohl der Ver­gan­gen­heit an.

Wun­der­werk Wasserversorgung

Sym­pto­ma­tisch für die Abläu­fe in der Markt­ge­mein­de Wie­sent­tal ist bis heu­te die Trink­was­ser­ver­sor­gung im Gemein­de­ge­biet. Nach­dem in den Anfangs­jah­ren der Kom­mu­ne die Boh­rung eines zwei­ten Tief­brun­nens für und bei Mug­gen­dorf unter­blieb, ent­wickel­te sich die­se kom­mu­na­le Pflicht­auf­ga­be für Jahr­zehn­te zur Hän­ge­par­tie. Nach der Kom­mu­nal­wahl 2008 schließ­lich wur­de zwar nahe beim ersten Tief­brun­nen unter­halb der Nei­deck eine zwei­te Boh­rung nie­der­ge­bracht, doch vor dem Ver­wal­tungs­ge­richt Bay­reuth hat­ten Kon­zept und Sat­zung wei­te­re zehn Jah­re danach kei­nen Bestand. Immer­hin der Frei­staat Bay­ern zeigt sich der­zeit kulant und gewährt für die Sanie­rung der Sanie­rung des gemeind­li­chen „Wun­der­wer­kes Was­ser­ver­sor­gung Wie­sent­tal“ (Richard Wag­ner hät­te sei­ne Freu­de dar­an) eine hohe För­de­rung von 80 Pro­zent der Kosten. Der­zeit wird gebaut, viel­leicht über­nimmt die Kom­mu­ne ja die rest­li­chen 20 Prozent.

Die Taug­lich­keit des erneu­ten Ver­su­ches ist aller­dings noch nicht erwie­sen: Denn das Was­ser aus den Streit­ber­ger Tief­brun­nen soll zunächst kilo­me­ter­weit in den neu­en Hoch­be­häl­ter am ande­ren Ende der Gemein­de jen­seits von Mug­gen­dorf gepumpt und von dort aus ver­teilt wer­den. Ob da vor allem in was­ser­ar­men Zei­ten noch etwas über­bleibt für Streit­berg und Ober­fel­len­dorf, die sich die­ses Was­ser­vor­kom­men einst erschlos­sen haben? Oder wird es hier nur eine bes­se­re Not­ver­sor­gung von der Auf­seß­grup­pe her geben? Das mag für den Haus­ge­brauch ja genü­gen, wenn es aber um die Prä­di­ka­ti­sie­rung als Luft­kur­ort geht, dann braucht es nicht nur rei­ne Luft, son­dern auch opti­ma­les Trinkwasser.

Lang­wei­lig soll­te es den Gemein­de­vä­tern und ‑väte­rin­nen also auch in Zukunft nicht werden.