Bay­reu­ther Forscher*innen ent­decken Ursa­che für bis­her rät­sel­haf­te seis­mi­sche Diskontinuitäten

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In einer Tie­fe von 660 Kilo­me­tern kommt es zu einem abrup­ten Wech­sel der Geschwin­dig­keit, mit der sich seis­mi­sche Wel­len im Erd­in­ne­ren aus­brei­ten. Die­se auf­fäl­li­ge seis­mi­sche Dis­kon­ti­nui­tät ver­la­gert sich jedoch unter­halb kal­ter Sub­duk­ti­ons­zo­nen, wo die ozea­ni­sche Kru­ste in den Erd­man­tel unter die kon­ti­nen­ta­le Kru­ste sinkt, in eine Tie­fe von 750 Kilo­me­tern. Ein For­schungs­team am Baye­ri­schen Geo­in­sti­tut (BGI) der Uni­ver­si­tät Bay­reuth hat durch Hoch­druck-Expe­ri­men­te eine Erklä­rung für die­ses bis­her rät­sel­haf­te Phä­no­men gefun­den: die Umwand­lung des Mine­rals Aki­mo­toit in Bridgma­nit. In „Natu­re“ stel­len die Forscher*innen ihre Ergeb­nis­se vor.

In der geo­wis­sen­schaft­li­chen For­schung besteht Kon­sens dar­über, wie die seis­mi­sche Dis­kon­ti­nui­tät in einer Tie­fe von 660 Kilo­me­tern zu erklä­ren ist: In die­ser Über­gangs­zo­ne vom obe­ren zum unte­ren Erd­man­tel zer­fällt das Mine­ral Ring­woo­dit – das sich aus Magne­si­um, Eisen, Sili­zi­um und Sau­er­stoff zusam­men­setzt – in Bridgma­nit und Fer­ro­pe­riklas. Infol­ge­des­sen kön­nen sich seis­mi­sche Wel­len schnel­ler fort­pflan­zen. Die seis­mi­schen Dis­kon­ti­nui­tä­ten, die unter kal­ten Sub­duk­ti­ons­zo­nen in Tie­fen zwi­schen 660 und 750 Kilo­me­tern zu beob­ach­ten sind, waren jedoch bis­her unklar. In die­sen viel küh­le­ren Regio­nen des Erd­in­ne­ren teilt sich die seis­mi­sche Dis­kon­ti­nui­tät in Dis­kon­ti­nui­tä­ten im Bereich von 660 bis 670 Kilo­me­tern und im Bereich von 740 bis750 Kilo­me­tern auf. Expe­ri­men­te im BGI, bei denen die im Erd­in­ne­ren herr­schen­den Kom­pres­si­ons­drücke und Tem­pe­ra­tu­ren simu­liert wur­den, zei­gen ein­deu­tig: Der Zer­fall des Ring­woo­dit in Bridgma­nit und Fer­ro­pe­riklas kann für die­se Dis­kon­ti­nui­tä­ten nicht ver­ant­wort­lich sein. Denn er ist unab­hän­gig von Tem­pe­ra­tur­än­de­run­gen und fin­det unter einem Kom­pres­si­ons­druck statt, wie er in einer Tie­fe von rund 660 Kilo­me­tern herrscht.

Einer Erklä­rung sind die Bay­reu­ther Forscher*innen auf die Spur gekom­men, als sie den Pha­sen­über­gang von Aki­mo­toit zu Bridgma­nit unter den glei­chen Bedin­gun­gen unter­sucht haben. Aki­mo­toit ist ein Mine­ral, das haupt­säch­lich in den küh­le­ren Berei­chen der Über­gangs­zo­ne zum unte­ren Erd­man­tel vor­kommt. Die Expe­ri­men­te in den Labo­ra­to­ri­en des BGI führ­ten zu einem über­ra­schen­den Ergeb­nis: Der Pha­sen­über­gang von Aki­mo­toit zu Bridgma­nit weist eine stei­le nega­ti­ve Clapey­ron-Kur­ve auf. Dies bedeu­tet: Je tie­fer die Tem­pe­ra­tur ist, desto höher muss der Kom­pres­si­ons­druck sein, damit es zu einem Pha­sen­über­gang – näm­lich zur Umwand­lung in Bridgma­nit – kommt. Der höhe­re Druck ist aber erst in einer grö­ße­ren Tie­fe gege­ben. Bereits ein ver­gleichs­wei­se gerin­ges Absin­ken der Tem­pe­ra­tur führt also dazu, dass sich der Pha­sen­über­gang von Aki­mo­toit zu Bridgma­nit deut­lich tie­fer ins Erd­in­ne­re verlagert.

Die­ser Befund bie­tet nun die Mög­lich­keit, gleich zwei unge­klär­te geo­wis­sen­schaft­li­che Rät­sel zu lösen: „Die sehr auf­fäl­li­ge seis­mi­sche Dis­kon­ti­nui­tät in einer Tie­fe von 740 bis 750 Kilo­me­tern unter­halb kal­ter Sub­duk­ti­ons­zo­nen kann auf der Grund­la­ge unse­rer Expe­ri­men­te plau­si­bel durch den Pha­sen­über­gang von Aki­mo­toit zu Bridgma­nit erklärt wer­den. Eine wei­te­re Dis­kon­ti­nui­tät, die in 660 bis 670 Kilo­me­tern unter­halb kal­ter Sub­duk­ti­ons­zo­nen auf­tritt, wird durch den Zer­fall von Ring­woo­dit in Aki­mo­toit und Fer­ro­pe­riklas ver­ur­sacht. Die­se bei­den Über­gän­ge kön­nen dazu füh­ren, dass sich die Aus­brei­tungs­ge­schwin­dig­keit seis­mi­scher Wel­len abrupt ändert“, erklärt Dr. Artem Cha­nys­hev, wis­sen­schaft­li­cher Mit­ar­bei­ter am BGI und Erst­au­tor der jetzt in „Natu­re“ ver­öf­fent­lich­ten Studie.

Die For­schungs­er­geb­nis­se sind her­vor­ge­gan­gen aus einer engen Zusam­men­ar­beit des BGI mit dem Deut­schen Elek­tro­nen-Syn­chro­tron DESY in Ham­burg, dem Cen­ter for High Pres­su­re Sci­ence and Tech­no­lo­gy Advan­ced Rese­arch in Peking und der Jilin Uni­ver­si­tät in Chang­chun (Chi­na) sowie dem Japan Syn­chro­tron Radia­ti­on Rese­arch Insti­tu­te und der Toho­ku Uni­ver­si­tät in Sen­dai (Japan).