Amts­ge­richt Bay­reuth urteilt im sog. „Kirchenasyl“-Verfahren

Symbolbild Justiz

Mit Ent­schei­dung vom 08. Novem­ber 2021 hat das Amts­ge­richt Bay­reuth den Ange­klag­ten, der Pfar­rer einer Kir­chen­ge­mein­de ist, wegen Bei­hil­fe zum uner­laub­ten Auf­ent­halt ver­ur­teilt und hier­für ver­warnt. Zudem wur­de eine Geld­stra­fe von 15 Tages­sät­zen zu je 100 € für den Fall vor­be­hal­ten, dass der Ange­klag­te sich nicht bewährt. Schließ­lich muss er eine Geld­auf­la­ge in Höhe von 1500 € an die Staats­kas­se zahlen.

Das Amts­ge­richt sah es als erwie­sen an, dass der Ange­klag­te dem ander­wei­tig Ver­folg­ten ira­ni­schen Staats­an­ge­hö­ri­gen S. in den Kir­chen­räu­men Unter­kunft und Ver­pfle­gung gewährt sowie ihn bei der Bewäl­ti­gung von Behör­den­an­ge­le­gen­hei­ten unter­stützt habe. Der ander­wei­tig Ver­folg­te S. sei, nach­dem sein Asyl­an­trag nach einer Ent­schei­dung des zustän­di­gen Baye­ri­schen Ver­wal­tungs­ge­richts rechts­kräf­tig als unzu­läs­sig abge­lehnt wor­den sei, voll­zieh­bar aus­rei­se­pflich­tig gewe­sen. Um der Abschie­bung zu ent­ge­hen, habe sich der ander­wei­tig Ver­folg­te S. Mit­te Janu­ar 2021 in das Kir­chen­asyl bege­ben. Nach­dem eine Här­te­fall­prü­fung zu kei­nem posi­ti­ven Ergeb­nis geführt habe, habe der Ange­klag­te das Kir­chen­asyl wis­sent­lich fort­ge­setzt, um zu ver­hin­dern, dass der ander­wei­tig Ver­folg­te S. abge­scho­ben werde.

Der Ange­klag­te hat sich nach Auf­fas­sung des Amts­ge­richts Bay­reuth der Bei­hil­fe zum uner­laub­ten Auf­ent­halt des ander­wei­tig Ver­folg­ten S. schul­dig und straf­bar gemacht. Das Amts­ge­richt begrün­de­te dies damit, dass Kir­chen­asyl kein in der gel­ten­den Rechts­ord­nung aner­kann­tes Recht sei. Die Grund­rech­te wür­den durch den Staat garan­tiert wer­den, wozu auch die Gewäh­rung staat­li­chen Asyls in sei­ner gesetz­lich gere­gel­ten prak­ti­schen Anwen­dung gehö­re. Nie­mand, auch nicht die Kir­che oder son­sti­ge gesell­schaft­li­che Inter­es­sen­grup­pen, könn­ten hier oder in ande­ren Berei­chen außer­halb die­ser Ord­nung Son­der­rech­te für sich bean­spru­chen und etwa Asyl gewäh­ren oder sonst All­ge­mein­ver­bind­lich­keit für das bean­spru­chen, was jeweils gera­de für rich­tig oder falsch erach­tet wer­de. Es kön­ne von die­sen nicht bestimmt wer­den, was erlaubt sei und was nicht.

Wür­de man ande­res zulas­sen, so wäre nach Auf­fas­sung des Amts­ge­richts Bay­reuth eine ver­fas­sungs­recht­lich bedenk­li­che Ungleich­be­hand­lung die Fol­ge und ein Kli­ma feh­len­der Rechts­treue geschaf­fen. Grund­rechts­schran­ken wür­den igno­riert wer­den. Viel­mehr wür­de nach Ein­schät­zung des Amts­ge­richts Bay­reuth das Rechts­be­wusst­sein der All­ge­mein­heit und damit die öffent­li­che Ord­nung als Grund­la­ge des geord­ne­ten Zusam­men­le­bens der Bür­ger in Frei­heit beschä­digt wer­den. Der Ange­klag­te wür­de sei­ne eige­ne mora­li­sche Wer­tung über gesetz­li­che Vor­schrif­ten stel­len. Dies habe zur Fol­ge, dass der Ange­klag­te für sich ein Son­der­recht gegen­über allen ande­ren in Deutsch­land leben­den Per­so­nen dekla­rie­ren wür­de nach sei­nen eige­nen per­sön­li­chen, welt­an­schau­li­chen und reli­giö­sen Moti­ven. Ein sol­ches kön­ne von der Rechts­ord­nung jedoch nicht akzep­tiert wer­den. Grund­sätz­lich habe sich jeder an die Rechts­ord­nung zu hal­ten, egal ob er die­se für rich­tig oder falsch erachte.

Das Urteil ist noch nicht rechts­kräf­tig, nach­dem sowohl die Staats­an­walt­schaft Bay­reuth als auch der Ange­klag­te Beru­fung gegen das Urteil ein­ge­legt haben.

2 Antworten

  1. Marita Weissig sagt:

    Ein mehr als über­fäl­li­ges und rich­ti­ges Urteil! Nie­mand kann sich auf­grund per­sön­li­cher oder reli­giö­ser Anschau­un­gen oder Emp­fin­den über das Gesetz stel­len. Hof­fent­lich wird das Urteil nicht in der Beru­fung rela­ti­viert oder verworfen.……

  2. Tiberius Sempronius Gracchus sagt:

    Wie Afgha­ni­stan, wo unzäh­li­ge Men­schen bar­ba­ri­scher Will­kür aus­ge­setzt wur­den, wird auch der dik­ta­to­risch von fana­tisch-pseu­do­re­li­giö­sen Fana­ti­kern unter­drück­te Iran offen­bar als siche­rer Staat angesehen.

    Das Asyl­recht ist in Deutsch­land längst aus­ge­höhlt, die Leh­ren aus der Zeit der hie­si­gen Dik­ta­tur sind offen­bar ver­ges­sen. Die Bun­des­re­pu­blik kann mehr als Para­gra­phen- denn als Rechts­staat bezeich­net wer­den – jeden­falls dann, wenn Recht noch etwas mit Gerech­tig­keit und nicht nur mit teils ent­mensch­lich­ten Ver­wal­tungs­vor­schrif­ten zu tun hat.