Uni­ver­si­tät Bay­reuth erar­bei­tet Leit­fa­den für inno­va­ti­ve Lebens­mit­tel­pro­du­zen­ten – Weg durch den EU-Vorschriftendschungel

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Weg­wei­ser für Pro­du­zen­ten neu­ar­ti­ger Lebens­mit­tel präsentiert

Unter­stützt von der Adal­bert-Raps-Stif­tung haben Forscher*innen der Uni­ver­si­tät Bay­reuth einen Leit­fa­den für inno­va­ti­ve Lebens­mit­tel­pro­du­zen­ten erar­bei­tet: Unter Lei­tung von Prof. Dr. Kai Purn­ha­gen wur­de das EU-Rege­lungs­um­feld für Pro­duk­te, die aus Pil­zen und Pilz­my­zel gewon­nen wer­den, unter­sucht. Das Team des Lehr­stuhls für Lebens­mit­tel­recht der Fakul­tät für Lebens­wis­sen­schaf­ten: Lebens­mit­tel, Ernäh­rung und Gesund­heit hat gemein­sam mit der For­schungs­stel­le für Deut­sches und Euro­päi­sches Lebens­mit­tel­recht an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth im Rah­men die­ses Pro­jekts auch Lücken im EU-Recht aufgezeigt.

Die Pro­duk­ti­on von tie­ri­schen Pro­te­inen gilt als stark umwelt­be­la­sten­de Indu­strie, daher wird welt­weit inten­siv an Alter­na­ti­ven zu tie­ri­schen Pro­te­inen (also Fleisch, Milch, Eiern) gear­bei­tet. Gro­ße Sum­men wer­den in die Ent­wick­lung inno­va­ti­ver Lösun­gen wie Zell­kul­tu­ren, Insek­ten­zucht oder die Her­stel­lung von Pro­te­inen auf Pflan­zen­ba­sis inve­stiert. Lebens­mit­tel­pro­duk­te aus Pil­zen und Myzel, ihrem fei­nen, faden­för­mi­gen, meist unsicht­ba­ren Zell­ge­flecht im Boden oder bei Baum­pil­zen im Holz (Mush­room and Myce­li­um Pro­ducts oder „MMP“) sind dabei von gro­ßer Bedeu­tung. Die feh­len­de Rechts­si­cher­heit auf die­sem spe­zi­el­len Feld stellt aller­dings ein gro­ßes Pro­blem für Lebens­mit­tel­un­ter­neh­men dar, die in den Markt ein­tre­ten und sich in die­sem Sek­tor enga­gie­ren wol­len. „Inno­va­ti­ve Lebens­mit­tel müs­sen sicher und nach­hal­tig sein! Gleich­zei­tig ist es wich­tig, dass Inno­va­tio­nen nicht durch einen restrik­ti­ven lebens­mit­tel­recht­li­chen Rah­men aus­ge­bremst wer­den. Beson­ders für Start-ups ist die Rechts­si­cher­heit bezüg­lich ihrer Pro­duk­te eine grund­le­gen­de Vor­aus­set­zung“, erklärt Frank Küh­ne, Vor­sit­zen­der Stif­tungs­vor­stand der Adal­bert-Raps-Stif­tung, sei­ne Moti­va­ti­on, das For­schungs­pro­jekt der Uni­ver­si­tät Bay­reuth zu unterstützen.

„Der EU-Rechts­rah­men für MMP war bis­her nie Gegen­stand einer umfas­sen­den Stu­die oder Über­prü­fung, daher haben wir uns dem The­ma gewid­met“, erklärt Prof. Dr. Kai Purn­ha­gen, Inha­ber des Lehr­stuhls für Lebens­mit­tel­recht in Kulm­bach. Unter ande­rem hat er mit sei­nem Team fol­gen­de Fra­ge­stel­lun­gen bearbeitet:

  • Ein­stu­fung von MMP als Lebens­mit­tel, Arz­nei­mit­tel oder als land­wirt­schaft­li­che Erzeugnisse
  • Ver­ord­nung über neu­ar­ti­ge Lebens­mit­tel, soweit zutref­fend für MMP
  • Anfor­de­run­gen für die Erlan­gung einer Zulas­sung für neu­ar­ti­ge Lebensmittel
  • Ver­wen­dung von land­wirt­schaft­li­chen Neben­er­zeug­nis­sen als Sub­stra­te für MMP
  • Ver­wen­dung von Lebens­mit­tel­zu­satz­stof­fen in MMP und Ver­wen­dung von MMP zur Her­stel­lung von Lebensmittelzusatzstoffen
  • Kenn­zeich­nung von MMP: obli­ga­to­ri­sche und frei­wil­li­ge Infor­ma­tio­nen (z. B. eine kor­rek­te Bezeich­nung für MMP; Ver­wen­dung von nähr­wert- und gesund­heits­be­zo­ge­nen Angaben)

Damit wird Start-ups der Lebens­mit­tel­bran­che, die MMP auf den Markt brin­gen wol­len, erst­mals eine Hand­rei­chung durch den Rege­lungs­dschun­gel gege­ben. Frank Küh­ne betont: „Mit die­ser Stu­die hat die Adal­bert-Raps-Stif­tung eine erste For­schungs­ar­beit am Cam­pus Kulm­bach geför­dert, die erfolg­reich abge­schlos­sen wer­den konn­te. Nicht zuletzt die Tat­sa­che, dass die Ergeb­nis­se auf gro­ßes Inter­es­se bei den invol­vier­ten Start-ups sto­ßen, bestärkt uns in unserm Wunsch, auch zukünf­tig eng mit dem Cam­pus Kulm­bach und dem Lehr­stuhl für Lebens­mit­tel­recht zusammenzuarbeiten.“

Das Team in Kulm­bach hat zudem wei­te­ren Rege­lungs­be­darf auf­ge­deckt. Bis­her wur­den die regu­la­to­ri­schen Beson­der­hei­ten von MMP als neu­ar­ti­ge Lebens­mit­tel nur in Bezug auf die Anwen­dung für Lebens­mit­tel­en­zy­me aner­kannt. „Es bestehen aber immer noch Unsi­cher­hei­ten in Bezug auf die geeig­ne­ten toxi­ko­lo­gi­schen und all­er­ge­nen Stra­te­gien für die Risi­ko­be­wer­tung von MMP. Dies erschwert das Expe­ri­men­tie­ren mit Sub­stra­ten, die aus land­wirt­schaft­li­chen Neben­pro­duk­ten stam­men, zusätz­lich“, berich­tet Prof. Dr. Kai Purn­ha­gen. „Die Kenn­zeich­nung von MMP in der EU ist also nach wie vor mit recht­li­chen Unsi­cher­hei­ten behaf­tet.“ Die Ver­wen­dung von Lebens­mit­tel­zu­satz­stof­fen in MMP sowie die Ver­wen­dung von MMP zur Her­stel­lung von Lebens­mit­tel­zu­satz­stof­fen ste­hen vor ver­gleich­ba­ren regu­la­to­ri­schen Her­aus­for­de­run­gen wie ande­re Lebens­mit­tel­zu­satz­stof­fe. Sol­len Alter­na­ti­ven zu tie­ri­schen Pro­te­inen, sprich: zu rie­si­ger Fleisch­pro­duk­ti­on, effi­zi­ent zu Markt­rei­fe gebracht wer­den, wäre dies ein­fa­cher mit einer Nach­bes­se­rung der EU-Regu­la­ri­en zu erreichen.

Erläu­tert und dis­ku­tiert wird die Stu­die online am 3.12.2021 zwi­schen 15:30 und 17:00 Uhr.

Im Rah­men einer Q&A Ses­si­on kön­nen Start-ups und wei­te­re Inter­es­sier­te Fra­gen zur Stu­die stel­len, die von den Mitarbeiter*innen des Lehr­stuhls Lebens­mit­tel­recht – Ales­san­dro Mona­co und Alex­an­dra Molito­ri­só­va – beant­wor­tet wer­den. Anmel­dung bit­te unter https://​inno​va​te​food​law​.event​bri​te​.de/.


Über die Adalbert-Raps-Stiftung:

Seit 40 Jah­ren reicht die Adal­bert-Raps-Stif­tung mit Sitz in Kulm­bach Men­schen aus ganz Ober­fran­ken die Hand, die Unterstützung benötigen – sei es im Bereich der Senio­ren- oder Jugend­ar­beit oder in ande­ren sozia­len Bedarfs­la­gen. Darüber hin­aus steht die Stif­tung, die 1978 von dem Apo­the­ker Adal­bert Raps gegründet wur­de, auch in der Lebens­mit­tel­for­schung als Förderpartner an der Sei­te zahl­rei­cher Wis­sen­schaft­le­rin­nen und Wis­sen­schaft­ler sowie Insti­tu­te im In- und Aus­land. Neben dem Enga­ge­ment in ein­zel­nen Pro­jek­ten und Koope­ra­tio­nen setzt die Stif­tung Akzen­te, indem sie Pro­gram­me und Initia­ti­ven ins Leben ruft, die für drängende Zukunfts­the­men den pas­sen­den sozia­len und wis­sen­schaft­li­chen Rah­men geben. Zen­tra­les Anlie­gen der Stif­tung ist es, in all ihren Tätig­kei­ten in einer Art und Wei­se zu unterstützen, die gezielt, effek­tiv und mess­bar nach­hal­tig ist.

Über den Lehr­stuhl für Recht und Lebensmittelrecht:

Die Lebens­mit­tel­pro­duk­ti­on steht welt­weit vor gro­ßen Her­aus­for­de­run­gen und einer dra­sti­schen Wen­de. Die Haupt­auf­ga­be des Lehr­stuhls besteht dar­in, das Recht so zu gestal­ten, dass an die­sem Schei­de­weg der rich­ti­ge Weg gewählt wird. Des­halb wird hier das Recht inter­dis­zi­pli­när betrach­tet. Um die Regu­lie­rung unse­res Lebens­mit­tel­sy­stems als Gan­zes zu ver­ste­hen, müs­sen Lebens­mit­tel­recht­ler unter ande­rem auch die Umwelt­aspek­te der Lebens­mit­tel­pro­duk­ti­on und die damit zusam­men­hän­gen­den recht­li­chen Bestim­mun­gen, die Regu­lie­rung der Finanz­märk­te, das Wett­be­werbs­recht, das Recht des gei­sti­gen Eigen­tums, die Men­schen­rech­te und das inter­na­tio­na­le Pri­vat­recht in ihre Arbeit ein­be­zie­hen. Das Lebens­mit­tel­recht, wie es an der Fakul­tät VII der Uni­ver­si­tät Bay­reuth erforschst wird, durch­dringt daher eine Rei­he von ver­schie­de­nen (For­schungs-) Berei­chen, die übli­cher­wei­se nicht gemein­sam bewer­tet werden.