Neue Stu­die der Uni­ver­si­tät Bay­reuth zur Biodiversität

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Die Viel­falt öko­lo­gi­scher Funk­tio­nen auf Mee­res­in­seln sinkt

Die Arten­viel­falt von Öko­sy­ste­men hat sich welt­weit unter dem Ein­fluss des Men­schen stark ver­än­dert. Ein For­schungs­team mit Prof. Dr. Manu­el Stein­bau­er von der Uni­ver­si­tät Bay­reuth hat die­se Pro­zes­se am Bei­spiel von Vögeln auf Ozean­in­seln unter­sucht. Die in „Sci­ence Advan­ces“ ver­öf­fent­lich­te Stu­die zeigt: Die Zahl gebiets­frem­der Arten, die sich neu ansie­deln, ist oft höher als die Zahl der unter anthro­po­ge­nen Ein­flüs­sen aus­ge­stor­be­nen Arten. Doch kön­nen die zuge­wan­der­ten Arten die diver­sen öko­lo­gi­schen Funk­tio­nen aus­ge­stor­be­ner Arten nicht in vol­lem Umfang erset­zen. Ein­hei­mi­scher Arten­schwund bewirkt daher lang­fri­stig eine Ver­ein­heit­li­chung von Öko­sy­ste­men und ihrer Funktionen.

Rotohrbülbül (Pycnonotus jocosus), der sich unter anderem auf Hawaii und den Maskareneninseln angesiedelt hat. (c) Tim Blackburn.

Rot­ohr­bül­bül (Pyc­no­no­tus joco­sus), der sich unter ande­rem auf Hawaii und den Mas­ka­re­nen­in­seln ange­sie­delt hat. © Tim Blackburn.

Die neue Stu­die ist aus einer engen Zusam­men­ar­beit von Prof. Dr. Manu­el Stein­bau­er mit For­schungs­part­nern in Schwe­den und Groß­bri­tan­ni­en her­vor­ge­gan­gen. Ins­ge­samt hat das Team durch Unter­su­chun­gen an Fos­si­li­en und leben­den Tie­ren Daten von 1.302 Vogel­ar­ten auf neun Archi­pe­len gewin­nen kön­nen. Davon sind 265 Arten heu­te zumin­dest auf die­sen Inseln aus­ge­stor­ben. 143 Arten sind als ursprüng­lich gebiets­frem­de Arten ein­ge­wan­dert und all­mäh­lich hei­misch gewor­den. Auf den Ber­mu­da-Inseln, auf Hawaii und St. Hele­na über­trifft ihre Zahl deut­lich die der aus­ge­stor­be­nen Arten. Auf den Kana­ren­in­seln, Kuba und Jamai­ca sowie auf Neu­ka­le­do­ni­en ver­hält es sich dage­gen genau umge­kehrt. Ein nur leich­tes Über­ge­wicht gegen­über den ein­ge­wan­der­ten Arten haben die aus­ge­stor­be­nen Arten auf Mada­gas­kar, den Mas­ka­re­nen und Neu­see­land. „Hin­sicht­lich der genau­en Zahl aus­ge­stor­be­ner Arten bestehen aller­dings wei­ter­hin Wis­sens­lücken. Auf fast allen Inseln dürf­ten ins­be­son­de­re auch durch den Ein­fluss des Men­schen zahl­rei­che Arten aus­ge­stor­ben sein, von denen wir bis­lang noch nicht wis­sen“, sagt Steinbauer.

Die unter­schied­li­chen quan­ti­ta­ti­ven Befun­de wur­den nun abge­gli­chen mit den öko­lo­gi­schen Funk­tio­nen der Vogel­ar­ten. Hier­zu zäh­len bei­spiels­wei­se die Form und Län­ge des Schna­bels oder die Flug­fä­hig­keit. Das Ergeb­nis: Die meist durch den Men­schen ver­ur­sach­te Zuwan­de­rung neu­er Vogel­ar­ten, die an die Stel­le aus­ge­stor­be­ner Arten tre­ten, führt dazu, dass die Vogel­welt auf den Mee­res­in­seln in funk­tio­na­ler Hin­sicht weni­ger aus­dif­fe­ren­ziert ist. Die ursprüng­li­che Viel­falt öko­lo­gi­scher Funk­tio­nen weicht dem Trend zur Ver­ein­heit­li­chung. Zahl­rei­che Funk­tio­nen, die eini­ge der mitt­ler­wei­le aus­ge­stor­be­nen Arten durch Anpas­sun­gen an spe­zi­fi­sche Insel­ge­ge­ben­hei­ten ent­wickelt haben, sind ver­lo­ren gegan­gen. Sie konn­ten durch neue gebiets­frem­de Arten nicht oder allen­falls nur teil­wei­se ersetzt werden.

Stein­bau­er war feder­füh­rend an der Kon­zep­tio­nie­rung der auf umfang­rei­chen Daten­men­gen auf­bau­en­den Stu­die betei­ligt. „Aus den welt­weit vor­lie­gen­den empi­ri­schen Daten zum Aus­ster­ben und zur Eta­blie­rung von Arten sowie den neu­en Mög­lich­kei­ten in der Daten­ana­ly­se und Model­lie­rung erge­ben sich fas­zi­nie­ren­de Ein­blicke in die Dyna­mi­ken der Arten­viel­falt“, sagt der Bay­reu­ther Öko­lo­ge, der sich in den ver­gan­ge­nen zwei Jahr­zehn­ten inten­siv mit der Bio­di­ver­si­tät auf Mee­res­in­seln und ihrer Geschich­te befasst hat. Gemein­sam mit For­schungs­part­nern in Oxford, Lon­don und Göte­borg ist er erst­mals der bis­her völ­lig unge­klär­ten Fra­ge nach­ge­gan­gen, ob die glo­ba­le Mobi­li­tät von Arten die öko­lo­gi­schen Fol­gen des vom Men­schen ver­ur­sach­ten Arten­schwunds aus­glei­chen kann. „Die Öko­sy­ste­me der von uns aus­ge­wähl­ten ozea­ni­schen Inseln haben eine hohe Zahl von ende­mi­schen Vogel­ar­ten her­vor­ge­bracht, also von Arten, die in kei­ner ande­ren Regi­on der Erde hei­misch sind. Zugleich haben sich hier, vom Men­schen wie­der­um geför­dert, vie­le Vogel­ar­ten neu ange­sie­delt. Daher lässt sich auf die­sen Inseln beson­ders gut beob­ach­ten, wie sich die Kom­bi­na­ti­on von Arten­ver­lust und Eta­blie­rung neu­er Arten aus­wirkt“, erläu­tert Steinbauer.

Ver­öf­fent­li­chung:

Fer­ran Sayol et al.: Loss of func­tion­al diver­si­ty through anthro­po­ge­nic extinc­tions of island birds is not off­set by bio­tic inva­si­ons. Sci­ence Advan­ces (2021), DOI: https://​dx​.doi​.org/​1​0​.​1​1​2​6​/​s​c​i​a​d​v​.​a​b​j​5​790