Selb: Der Letz­te der „Big Three“ geht in den Hockey-Ruhestand

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Her­bert sagt zum Abschied lei­se servus

Er war einer der „Big Three“ des VER Selb – zusam­men mit Kyle Piwo­w­ar­c­zyk und Jared Mudryk bil­de­te Her­bert Geisber­ger über Jah­re hin­weg eine der gefähr­lich­sten und effek­tiv­sten Sturm­rei­hen der Oberliga.

Nach sei­ner Rück­kehr zur Sai­son 2020/2021 – einer sehr unge­wöhn­li­chen Spiel­zeit ohne Fans, dafür mit vie­len Auf­la­gen in und um die NETZSCH-Are­na – und einer gewon­ne­nen Ober­li­ga­mei­ster­schaft, ver­ab­schie­det sich die Num­mer 23 nun aus dem Pro­fi-Sport. Her­bert stand uns zum Abschied noch ein­mal für ein aus­führ­li­ches Inter­view zur Verfügung.

Die Schlä­ger waren schon verteilt

Dass das Kar­rie­re­en­de ein schlei­chen­der Pro­zess war, ist klar, denn schon die letz­ten drei bis vier Spiel­zei­ten hat der Fami­li­en­rat von Jahr zu Jahr ent­schie­den, ob noch eine Sai­son gehen wür­de. „Eigent­lich war geplant, nach mei­ner letz­ten Sai­son bei den Blue Devils Wei­den auf­zu­hö­ren. Ich hat­te sogar schon mei­ne Schläger
ver­teilt“, so Her­bert. Da hat­te er nicht damit gerech­net, dass sich noch­mals die Mög­lich­keit erge­ben wür­de, für den VER Selb auf­zu­lau­fen. VER-Vize Tho­mas Man­zei durf­te mit Her­bert den Ver­trag für ein wei­te­res Jahr fest machen. Man­zei: „Die Ver­pflich­tung war eigent­lich sehr unkom­pli­ziert“, und mit einem Lachen fügt er hinzu,
„das war aber auch schon mal anders und auch wie­der spe­zi­ell. Her­bert hat­te kei­nen Agen­ten, ver­han­del­te sei­ne Ver­trä­ge selbst und das war meist schon ein Erleb­nis. Her­bert hielt da schon mal eine 25-sei­ti­ge Power­Point-Prä­sen­ta­ti­on ab und prä­sen­tier­te sich da bis ins letz­te Detail. Ich mach den Job ja schon sehr lan­ge, aber das war für mich bis heu­te ein­ma­lig. Und wenn ich ehr­lich bin, auch ein Stück beein­druckend.“ Der Stür­mer hat also ger­ne noch ein Jahr dran­ge­hängt. „Mit der Ober­li­ga-Mei­ster­schaft und dem Auf­stieg in die DEL2 ist das nun ein per­fek­ter Abschluss. Da war mir direkt nach dem ent­schei­den­den Final­spiel klar: Das war’s.“ Eine gewon­ne­ne Mei­ster­schaft – ein per­fek­ter Abschluss einer erfolg­rei­chen Karriere.

Viel­leicht geht’s Weih­nach­ten zur Oma

Der Stür­mer selbst sieht sich nicht mehr in der DEL2, sagt von sich selbst, er sei dafür mitt­ler­wei­le zu lang­sam. Dafür freut sich Geisber­ger schon auf die neu gewon­ne­ne Zeit: „Ich bin mei­ner Fami­lie sehr dank­bar, dass sie den Zir­kus so lan­ge mit­ge­macht und mich unter­stützt hat. Mit zwei Jobs ist man wäh­rend einer Sai­son kaum zu Hau­se. Ich freue mich sehr, nun mehr Zeit mit mei­ner Fami­lie zu ver­brin­gen. Viel­leicht machen wir ein­mal einen Win­ter-Urlaub, Vero­na soll ja im Febru­ar traum­haft sein, oder wir fah­ren Weih­nach­ten zur Oma. Womög­lich ler­ne ich ein Instru­ment oder eine neue Fremdsprache.“

Schön­ste und erfolg­reich­ste Zeit beim VER Selb

Zeit, ein­mal auf sei­ne Lauf­bahn zurück­zu­blicken. Nach vier gewon­ne­nen Mei­ster­ti­teln mit Rosen­heim, Wolfs­burg, Bie­tig­heim und zuletzt Selb – gibt es denn etwas, was ein Her­bert Geisber­ger heu­te anders gemacht hät­te? „Natür­lich weiß man es nach­her mei­stens bes­ser und man denkt, man­che Sta­ti­on war nicht opti­mal. Aber im Gro­ßen und Gan­zen hat das alles gepasst“, gibt sich Her­bert zufrie­den. In den letz­ten Jah­ren ist ihm trotz der Dop­pel­be­la­stung ein flie­ßen­der Über­gang ins nor­ma­le Berufs­le­ben gelun­gen. Jun­gen Nach­wuchs­cracks rät der Stür­mer: „Sie soll­ten in der Kabi­ne anstatt ihrer Han­dys lie­ber mal ein Kalt­ge­tränk in die Hand neh­men und sich mit ihren Mann­schafts­ka­me­ra­den unter­hal­ten, anstatt im Inter­net zu surfen.“

Und natür­lich gab es auch beson­de­re Momen­te mit den Sel­ber Wöl­fen. „Beim VER hat­te ich die schön­sten und erfolg­reich­sten Jah­re mei­ner Eis­hockey-Lauf­bahn. In mei­nen ersten Jah­ren hat­ten wir einen star­ken Mann­schafts­kern, der über einen lan­gen Zeit­raum zusam­men­ge­blie­ben ist. Das ist im Eis­hockey schon eine Beson­der­heit. Da sind auch eini­ge Freund­schaf­ten fürs Leben ent­stan­den. Wir haben uns von einem Außen­sei­ter zu einem Ober­li­ga-Favo­ri­ten ent­wickelt und auch schon paar Mal am
Auf­stieg gekratzt, haben unzäh­li­ge Der­by-Sie­ge errun­gen und muss­ten bei einer Sai­son­ab­schluss­fahrt vor wil­den Long­horn-Büf­feln in Pull­man-City flüch­ten. Per­sön­lich waren die Jah­re mit Jared Mudryk und Kyle Piwo­w­ar­c­zyk am erfolg­reich­sten. Dass wir alle drei die Mar­ke von über 500 Punk­ten für den VER geknackt
haben, ist schon außer­ge­wöhn­lich. Und natür­lich wird mir die­se Mei­ster­schaft in gol­de­ner Erin­ne­rung bleiben.“

In Selb sess­haft geworden

Geisber­gers wur­den in Selb sess­haft. Sehen wird man den gebür­ti­gen Bad Aib­lin­ger also sicher auch wei­ter­hin in der NETZSCH-Are­na. „Ich wer­de mit mei­nen Mädels bestimmt beim öffent­li­chen Lauf ver­su­chen, das Schlitt­schuh­lau­fen nicht zu ver­ler­nen. Mir wur­de immer gesagt, ich hät­te Defi­zi­te beim Rückwärtslaufen,
dar­an kann ich nun arbei­ten. Ver­mut­lich wer­de ich mehr oder weni­ger regel­mä­ßig bei den alten Her­ren mit hacken, um noch hin und wie­der einen Hockey­schlä­ger in die Hän­de zu bekom­men. Den­nis Schie­ner mein­te, dort wür­de noch etwas Offen­si­ve-Raf­fi­nes­se gebraucht wer­den.“ Auch als Kom­men­ta­tor bei den Spra­de-Über­tra­gun­gen könn­te man ihn künf­tig ab und zu sehen und hören. „Das habe ich letz­te Sai­son schon ein­mal wäh­rend einer Ver­let­zungs­pau­se mit Freu­de gemacht.“ Aber auch als Zuschau­er wird er die NETZSCH-Are­na künf­tig sicher besuchen.

Die letz­te Sai­son war irgend­wie doch eine ver­rück­te Sai­son. Ein­schrän­kun­gen hier, Auf­la­gen da, Zuschau­er fehl­ten… Wie sah ein Her­bert Geisber­ger das alles? „Gene­rell muss­ten wir uns, bei all den Ein­schrän­kun­gen sowie mit Kurz­ar­beit, Home-Office und Home-Schoo­ling glück­lich schät­zen, dass wir in der Ober­li­ga über­haupt eine vol­le Sai­son spie­len konn­ten. Die gan­ze Zeit war für alle und beson­ders für die Kin­der nicht leicht. Ich emp­fand es immer als Pri­vi­leg, ins Sta­di­on zu dür­fen und den gan­zen Coro­na-Frust auf dem Eis zu ver­ges­sen.“ Die Hygie­ne-Auf­la­gen haben ihn da nicht beson­ders gestört, aber an die feh­len­de Fan-Kulis­se muss­ten sich wohl alle erst gewöh­nen. „Mir kam das zu Beginn immer wie ein Trai­nings­spiel vor. Ohne die Kulis­se und den Lärm fehlt ein­fach die Inten­si­tät. Wir haben uns dann gegen­sei­tig ange­trie­ben und jedes Spiel ver­sucht einen Grund zu fin­den, war­um der jewei­li­ge Geg­ner unbe­dingt bezwun­gen wer­den muss. Wir hat­ten da ein­fach die rich­ti­gen Füh­rungs­spie­ler und Cha­rak­te­re in der Kabi­ne. Klar wäre es traum­haft gewe­sen, eine so erfolg­rei­che Sai­son mit Zuschau­ern zu bestrei­ten. Mit den „Wer­det zur Legen­de – Kämp­fen bis zum Ende…“-Gesängen wären da sicher eini­ge Gän­se­haut­mo­men­te in den Play­offs gewe­sen.“ Trau­rig ist Her­bert übri­gens nicht, dass er aus­ge­rech­net bei sei­nem Kar­rie­re­en­de nun ohne Fans aus­kom­men muss­te, denn: „Ich spe­ku­lie­re, da es wie­der mög­lich ist, Zuschau­er in die NETZSCH-Are­na zu las­sen, auf einen schönen
Abschluss bei einem Gau­di-Spiel­chen. Ich den­ke, da gibt’s eini­ge Spie­ler, die in den letz­ten Jah­ren ihre Kar­rie­ren in Selb been­det haben, die man in einem sol­chen Rah­men noch­mal auf­lau­fen las­sen könnte.“

Her­bert war ein Glücksgriff

„Über Her­bert könn­te ich so viel erzäh­len, das wür­de sicher eine eige­ne Pres­se­mit­tei­lung“, fängt Tho­mas Man­zei, VER-Vize an. „Ich kann mich noch gut dran erin­nern, dass ich die Ver­pflich­tung von Her­bert auf einer Geschäfts­rei­se in Kana­da klar­ge­macht habe. Gese­hen und auf ihn auf­merk­sam gewor­den bin ich, als ich ein
Spiel der Mos­ki­tos Essen besucht hat­te, um ursprüng­lich einen ande­ren Spie­ler zu scou­ten. Mir fie­len ins­be­son­de­re sei­ne spie­le­ri­schen Fähig­kei­ten und sein Hand­ge­lenk­schuss auf. Man­zei erin­nert sich an das erste Trai­ning der ersten Mann­schaft, wel­ches damals in Mit­ter­teich statt­fand. Bernd Set­zer sag­te bereits
nach 30 Minu­ten zu mir, dass wir an Geisber­ger sehr viel Freu­de haben wer­den, er wäre eine sehr gute Ver­pflich­tung. Set­zer war sich sicher, Her­bert wür­de vie­le Tore schie­ßen. Und Bernd hat­te recht behal­ten. Der Vor­stand erin­nert sich an so manch legen­dä­re Fei­ern mit Her­bert – weni­ger amü­sant für man­che Trainer,
bei den Fans war er dafür umso belieb­ter. Aber der Stür­mer war, so ist man sich beim VER sicher, ein abso­lu­ter Glücks­griff. „Her­bert war auf dem Eis und in der Kabi­ne vom ersten Spiel an ein Schlüs­sel­spie­ler für uns und kom­plet­tier­te die legen­dä­ren „Big Three“, mit denen wir gro­ße Erfol­ge in der Ober­li­ga fei­er­ten. Dazu
ist er ein unglaub­lich sym­pa­thi­scher Mensch. Das Gesamt­pa­ket Her­bert Geisber­ger stimm­te einfach.“

Schee war’s

Und für die legen­dä­re Sel­ber Fan­ge­mein­schaft hat der 36-Jäh­ri­ge noch ein paar Wor­te: „Ich kann mich eigent­lich nur für die groß­ar­ti­ge Unter­stüt­zung und den klas­se Rück­halt der Fans gegen­über der Mann­schaft wäh­rend all der Jah­re bedan­ken. Und was da in die­sen Play­offs ver­an­stal­tet wur­de, war ein­fach unglaub­lich. Da hat man gemerkt, wie sehr die Stadt hin­ter dem Eis­hockey steht. Mit den Wor­ten von Doug Irwin: Des is Wahn­sinn, was do abgeht in Selb! Ich wün­sche den Fans, dass sie bald wie­der ins Sta­di­on dür­fen, um dort vie­le Sie­ge der Sel­ber Wöl­fe mit dem neu­en Bier-Spon­sor zu genie­ßen. Dem VER wün­sche ich alles Gute für den wei­te­ren Aus­bau des Eis­hockey-Stand­orts Selb und der Nach­wuchs­ar­beit, eine erfolg­rei­che erste DEL2-Sai­son und bedan­ke mich für das ent­ge­gen­ge­brach­te Ver­trau­en über all die Jahre. –
Schee war’s.

Die Vor­stand­schaft des VER Selb e.V. wünscht Fami­lie Geisber­ger für die Zukunft nur das Beste und bedankt sich im Namen des Ver­eins bei Her­bert für die außer­ge­wöhn­li­che Lei­stung, sei­nen Kampf­geist und sein Enga­ge­ment bei den Sel­ber Wöl­fen. Mach‚s guad, Herbert.