Amtsgericht Bamberg bietet suchtkrankem Drogenhändler letzte Chance

Symbolbild Justiz

Beinahe wäre ein 26-jähriger Mann aus dem Landkreis Bamberg für einige Jahre hinter Gittern verschwunden. Am Amtsgericht Bamberg lautete der Vorwurf Handel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Doch ein nicht erschienener Zeuge und die Corona-Pandemie retteten den Suchtkranken. Er bekam Bewährung und damit seine wohl letzte Chance.

Als die Polizeistreife den Drogenhändler bei der Durchfahrt durch Strullendorf anhält, da hat der Mann aus dem Landkreis Bamberg 1.200 Euro Bargeld im Handschuhfach. Seinen Stoff ist er gerade auf dem menschenleeren Sportplatz in Altendorf losgeworden. Seinen Kunden wollen wir Jürgen nennen, obwohl er natürlich ganz anders heißt. Für die vierstellige Summe hat er 120 Gramm Marihuana erstanden, die zuvor in Egloffstein gebunkert waren. Wahrlich kein Schnäppchen, aber mit einem Wirkstoffgehalt von knapp 15 Prozent „guter Stoff“, wie der in zahllosen Rauschgift-Prozessen erfahrene Vorsitzende Richter Matthias Bachmann bemerkte.

Die Auswertung des Mobiltelefons des Drogendealers ergibt Hinweise auf Jürgen. Als man einige Stunden später dessen Wohnung durchsucht, findet man nur ganz wenige Gramm des Rauschgifts, vermischt mit Tabak. „Die 120 Gramm hatte er außerhalb des Hauses deponiert und nach dem Abzug der Beamten in der Toilette hinuntergespült“, so Pflichtverteidiger Christian Barthelmes. „Er hatte schlicht die Hosen voll“. So muss für die chemisch-toxikologische Analyse ein Rest herhalten, den man beim anderen Drogendealer zu Hause aufgestöbert hat. Was bei Jürgen auftaucht sind zwei Glas-Bongs, ein Crusher zum Zerkleinern des Marihuana und eine Wasserpfeife, die auf reges Rauchen hindeuten. „E saß in seinem stillen Kämmerchen und hat eine Bong geraucht, wie andere ihr Bier trinken. Er hat damit niemandem geschadet, außer sich selbst“, so Jürgens Rechtsanwalt aus Bamberg. Was fehlt sind die szenetypischen Utensilien, die man als Dealer so daheim hat: Eine Feinwaage, einen Schwung Plastik-Tütchen zur Portionierung und Geldscheine in kleiner Stückelung aus dem Straßenverkauf. In einer Schublade schlummert derweil ein vierzackiger Ninja-Wurfstern, der auf Grund seiner Gefährlichkeit als verbotene Waffe eingestuft wird.

Bei solch einer nicht geringen Menge an Betäubungsmitteln ging Staatsanwalt Johannes Obenauf anfangs davon aus, dass Jürgen das Gras an weitere Abnehmer verkaufen wollte. Doch der erklärte, alles nur für den eigenen Konsum erworben zu haben. Wegen der Corona-Pandemie habe er sich einen Vorrat angelegt, um nicht ständig etwas besorgen zu müssen. Immerhin braucht Jürgen täglich ein bis zwei Gramm des Pflanzenmaterials. Pluspunkte sammelte Jürgen mit seiner Zusicherung, seit zwei Monaten clean zu sein. Er habe nach dem Schrecken der Hausdurchsuchung immer kleiner werdende Mengen in immer größeren Abständen geraucht, es „ausschleichen“ lassen. Minuspunkte sammelt er mit seiner kriminellen Vergangenheit, in der ihn vor zwei Jahren das Amtsgericht Weißenburg wegen des Besitzes zweier Gramm Marihuana und zweier verbotener Waffen (Schlagring und Butterfly-Messer) zu einer Geldstrafe verurteilt hatte. „Sie haben offensichtlich nichts dazugelernt“, so Staatsanwalt Obenauf, der 20 Monate zur Bewährung forderte.

Am Ende verurteilte das Schöffengericht Jürgen wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und vorsätzlichem unerlaubtem Besitzes einer verbotenen Waffe zu einer einjährigen Bewährungsstrafe. Wie die Gerichtssprecherin Monika Englich erklärte, beträgt die Bewährungszeit drei Jahre, in denen ein Bewährungshelfer Jürgen unterstützen soll. Als Auflagen muss Jürgen seine derzeitige Ausbildung fortführen und darf diese nicht durch eigenes Verschulden gefährden. Außerdem muss er an fünf Beratungsgesprächen bei der Suchtberatung teilnehmen. „Dem Angeklagten wird jeglicher Besitz und Konsum von Betäubungsmitteln nach dem Betäubungsmittelgesetz sowie Stoffen nach dem Neue-Psychoaktive-Stoffe-Gesetz untersagt. Insoweit wird er angewiesen, sich auf seine Kosten nach näherer Weisung des Gerichts oder des Bewährungshelfers maximal vier Mal jährlich Urinkontrollen sowie Haarprobenentnahmen zu unterziehen“.