Bay­reuth: Kli­ma­kri­se und Urba­ni­sie­rung: Pro­fes­so­rin der Uni­ver­si­tät Bay­reuth erforscht Ver­ti­cal Far­ming als mög­li­chen Weg zur Ernährungssicherung 

prof-dr-susanne-baldermann / Foto: Uni Bayreuth
prof-dr-susanne-baldermann / Foto: Uni Bayreuth

In Kulm­bach arbei­ten Forscher*innen an der Ernäh­rung der Zukunft. Prof. Dr. Susan­ne Bal­der­mann beschäf­tigt sich mit dem Stoff­wech­sel von Pflan­zen und zieht dar­aus Schlüs­se für eine künf­ti­ge Land­wirt­schaft, die gar nicht mehr nur „auf dem Land“ statt­fin­den muss: „Ver­ti­cal Far­ming“ in urba­nen Räu­men als Reak­ti­on auf Kli­ma­wan­del und Boden­knapp­heit ist ein For­schungs­feld der Pro­fes­so­rin für Food Meta­bo­lom an der neu­en Fakul­tät VII für Lebens­wis­sen­schaf­ten: Lebens­mit­tel, Ernäh­rung und Gesund­heit der Uni­ver­si­tät Bay­reuth in Kulmbach.

Die Ver­sor­gung der Men­schen mit aus­rei­chend gesun­den Lebens­mit­teln kann nicht mehr nur auf tra­di­tio­nel­le Land­wirt­schaft set­zen: Zum einen stellt der Kli­ma­wan­del Lebens­mit­tel­pro­du­zen­ten vor gro­ße Pro­ble­me, was Hit­ze­be­stän­dig­keit, Was­ser­haus­halt oder Schäd­lings­re­si­stenz von Pflan­zen angeht. Zum ande­ren leben immer mehr Men­schen in Städ­ten und haben kei­nen Zugang zu regio­nal pro­du­zier­ten, fri­schen Lebens­mit­teln. Außer­dem sind Böden vie­ler­orts aus­ge­laugt oder ver­schmutzt und auf Jah­re unbrauch­bar, Trink­was­ser wird knapp, dar­über hin­aus neh­men poli­ti­sche Insta­bi­li­tä­ten welt­weit zu. Wel­che Alter­na­ti­ven es zu herr­schen­den Agrar­sy­ste­men gibt, um die Welt­be­völ­ke­rung gesund zu ernäh­ren, erforscht Prof. Dr. Susan­ne Bal­der­mann, Pro­fes­sur für Food Meta­bo­lom und seit Anfang 2021 an der neu­en Fakul­tät VII für Lebens­wis­sen­schaf­ten: Lebens­mit­tel, Ernäh­rung und Gesund­heit der Uni­ver­si­tät Bay­reuth in Kulm­bach. Sie beschäf­tigt sich unter ande­rem seit Jah­ren mit „Ver­ti­cal Far­ming“ – der Indoor-Auf­zucht von Lebens­mit­tel­pflan­zen in Pflan­zen­an­zucht­schrän­ken, Rega­len oder Fabrik­hal­len – und lei­tet das For­schungs­feld Orga­nis­men im Ver­bund „food4future“ am Leib­niz-Insti­tut für Gemü­se- und Zier­pflan­zen­bau (IGZ) e.V. in Großbeeren.

Wer in Pflan­zen­fa­bri­ken auf meh­re­ren Eta­gen rund um die Uhr Gemü­se anbaut, hat dort bezo­gen auf den Qua­drat­me­ter ein Viel­fa­ches an Ertrag. Eine wach­sen­de Welt­be­völ­ke­rung vor allem in urba­nen und peri­ur­ba­nen Räu­men macht sol­che Ent­wick­lun­gen nötig. Weil die­ser Anbau bei gleich­blei­ben­den Tem­pe­ra­tu­ren und gleich­mä­ßi­gem Licht gänz­lich ohne Wit­te­rungs­ein­flüs­se und Jah­res­zei­ten aus­kommt, wird ganz­jäh­rig in glei­cher Qua­li­tät pro­du­ziert und geern­tet. Die Pflan­zen wach­sen nicht in Erde, son­dern auf spe­zi­el­len Unter­grün­den, deren Wachs­tums­ge­fä­ße z.B. aus recy­cel­tem Kunst­stoff bestehen kön­nen. Dazu braucht es auch spe­zi­el­le Pflan­zen: „Wenn wir in U‑Bahn-Schäch­ten oder an Häu­ser­wän­den Gemü­se anbau­en wol­len, dann müs­sen wir genau die rich­ti­gen Pflan­zen dafür haben, es geht also um geziel­te Sor­ten­aus­wahl. Des­halb ver­su­chen wir, Pflan­zen so exakt wie mög­lich zu ana­ly­sie­ren, beur­tei­len ihre Inhalts­stof­fe und tref­fen Aus­sa­gen über deren ernäh­rungs­phy­sio­lo­gi­sche Eigen­schaf­ten,“ sagt Prof. Baldermann.

Sobald die Labo­re in Kulm­bach aus­ge­stat­tet sind, wird Prof. Bal­der­mann die Ana­ly­se von Inhalts­stof­fen von „Indoor-Gemü­se und ‑Kräu­tern“ in ihre For­schungs­ar­bei­ten inte­grie­ren. Die Infra­struk­tur der Uni­ver­si­tät Bay­reuth, u.a. das Nord­baye­ri­sche NMR-Zen­trum mit sei­ner welt­weit füh­ren­den Kom­pe­tenz auf dem Feld der magne­ti­schen Kern­re­so­nanz­spek­tro­sko­pie (engl. nuclear magne­tic reso­nan­ce; NMR) oder das Bay­reu­ther Zen­trum für Öko­lo­gie und Umwelt­for­schung Bay­CE­ER (Bay­reuth Cen­ter of Eco­lo­gy and Envi­ron­men­tal Rese­arch), aber auch die For­schungs­ar­bei­ten inner­halb der Pro­fil­fel­der der Uni­ver­si­tät bie­ten inter­es­san­te Mög­lich­kei­ten für gemein­sa­me For­schungs­ar­bei­ten mit Kolleg*innen der Uni-Bay­reuth. Bis dahin steht die for­schungs­ori­en­tier­te Aus­bil­dung über die Inhalts­stof­fe von Lebens­mit­teln und deren Ver­än­de­run­gen ent­lang der Lebens­mit­tel­ver­sor­gungs­ket­te vom Anbau bis zum Ver­zehr im Mittelpunkt.

Zur Per­son:

Prof. Dr. Susan­ne Bal­der­mann hat Lebens­mit­tel­che­mie an der TU Braun­schweig stu­diert und die berufs­prak­ti­sche Aus­bil­dung für Lebens­mit­tel­che­mi­ker in Nie­der­sach­sen absol­viert. Bereits wäh­rend ihres Stu­di­ums und der Pro­mo­ti­on hat sie Tei­le ihrer For­schungs­ar­bei­ten im Aus­land durch­ge­führt, bevor sie als Post­doc und wis­sen­schaft­li­che Mit­ar­bei­te­rin ab 2007 an der Uni­ver­si­tät in Shi­zu­oka in Japan forsch­te und lehr­te. Seit 2012 war sie an der Uni­ver­si­tät Pots­dam und am Leib­niz-Insti­tut für Gemü­se- und Zier­pflan­zen­bau (IGZ) e.V. tätig. Die Arbeits­grup­pe hat beson­de­re Exper­ti­se in der Mas­sen­spek­tro­me­trie, der wis­sen­schaft­li­che Fokus liegt auf der Ana­ly­se des Sekun­där­stoff­wech­sels und des­sen Bedeu­tung für die Qua­li­täts­bil­dung und ‑erhal­tung pflanz­li­cher Lebensmittel.

Hin­ter­grund Food Metabolom/​Metabolismus:

Hier geht es um den Stoff­wech­sel (Meta­bo­lis­mus) im mensch­li­chen Kör­per und in Pflan­zen. Der Begriff „Food Meta­bo­lom“ ist nicht ein­heit­lich defi­niert. Schät­zun­gen gehen davon aus, dass mehr als 200.000 Inhalts­stof­fe (Meta­boli­te) exi­stie­ren, von denen wir etwa 5.000 bis 10.000 mit unse­rer Nah­rung auf­neh­men. Die­se Meta­boli­te unter­lie­gen wei­te­ren dyna­mi­schen Ände­run­gen wäh­rend der Ver­ar­bei­tung, der Zube­rei­tung oder in unse­rem Kör­per. Mit den tech­no­lo­gi­schen Ent­wick­lun­gen in der Mas­sen­spek­tro­me­trie der letz­ten Jah­re ist es nun mög­lich gewor­den, sol­che dyna­mi­schen, kom­ple­xen Ände­run­gen zu erfas­sen und so u.a. das Ver­ständ­nis über den kom­ple­xen Stoff­wech­sel im mensch­li­chen Kör­per und in Pflan­zen und Ände­run­gen in Lebens­mit­teln zu ver­bes­sern und gesun­de Ernäh­rungs- und Lebens­wei­sen zu erforschen.