Bay­reuth: Mikro­pla­stik in Böden wird von krank­heits­er­re­gen­den Pil­zen besiedelt

Symbolbild Bildung

Ver­tre­ter zahl­rei­cher krank­heits­er­re­gen­der Pilz­ar­ten fin­den auf Mikro­pla­stik-Par­ti­keln im Erd­bo­den neue Lebens­räu­me und könn­ten damit eine der mög­li­chen Ursa­chen für einen Anstieg von Pilz­in­fek­tio­nen sein. Dies haben For­scher aus Bay­reuth, Han­no­ver und Mün­chen in einer neu­en Stu­die her­aus­ge­fun­den. Hier­für haben sie mit Hoch­durch­satz-Ver­fah­ren Pilz­ge­mein­schaf­ten in Boden­pro­ben aus einem besie­del­ten Gebiet im Westen Keni­as ana­ly­siert. Die Ergeb­nis­se die­ser Unter­su­chun­gen wur­den in der Zeit­schrift „Sci­en­ti­fic Reports“ veröffentlicht.

Es han­delt sich um die erste Stu­die, die sich mit Lebens­ge­mein­schaf­ten pilz­li­cher Mikro­or­ga­nis­men auf Mikro­pla­stik-Par­ti­keln im Erd­bo­den befasst. Vie­le der dabei nach­ge­wie­se­nen Arten gehö­ren zu Pilz­grup­pen, die für Pflan­zen, Tie­re und Men­schen krank­heits­er­re­gend sind. Patho­ge­ne Mikro­pil­ze sind auf­grund ihrer für infek­tiö­se Orga­nis­men cha­rak­te­ri­sti­schen Lebens­wei­se in der Lage, sich auf den nor­ma­ler­wei­se unwirt­li­chen Ober­flä­chen der Mikro­pla­stik-Par­ti­kel anzu­sie­deln. Fer­ner sind sie imstan­de, star­ker Son­nen­ein­strah­lung und Hit­ze zu wider­ste­hen, der sie an Boden­ober­flä­chen aus­ge­setzt sind.

„Wir haben auf den Mikro­pla­stik-Par­ti­keln alle Sta­di­en pilz­li­cher Bio­film­bil­dung beob­ach­ten kön­nen. Dabei konn­ten wir nach­wei­sen, dass die Pil­ze in der so genann­ten Pla­sti­sphä­re nicht nur wach­sen, son­dern sich auch ver­meh­ren. Die Daten, wel­che wir aus mikro­sko­pi­schen Unter­su­chun­gen und DNA-Ana­ly­sen gewon­nen haben, lie­fern Grund zur Annah­me, dass Mikro­pla­stik im Boden flä­chen­deckend von Pil­zen besie­delt ist. Zudem bele­gen sie, dass Mikro­pla­stik im Boden bestimm­te patho­ge­ne Pilz­ar­ten anrei­chert: Eini­ge für den Men­schen gefähr­li­che Arten, dar­un­ter Schwär­ze­pil­ze und kryp­to­kok­ka­le Hefe­pil­ze, sind auf den Ober­flä­chen der Mikro­pla­stik-Par­ti­kel in höhe­ren Kon­zen­tra­tio­nen vor­han­den als im umge­ben­den Boden. Unse­re Stu­die recht­fer­tigt daher die Fest­stel­lung, dass Mikro­pla­stik im Boden eine mög­li­che Quel­le für Pilz­in­fek­tio­nen dar­stellt“, sagt Gera­si­mos Gkout­se­lis M.Sc., Erst­au­tor der Stu­die und Dok­to­rand in der Abtei­lung für Myko­lo­gie der Uni­ver­si­tät Bayreuth.

Für die Unter­su­chung der Mikro­pla­stik-Par­ti­kel wur­den bild­ge­ben­de Ver­fah­ren wie die Raster­elek­tro­nen­mi­kro­sko­pie und die kon­fo­ka­le Laser-Scan­ning-Mikro­sko­pie ein­ge­setzt. Meta­b­ar­co­ding-Ana­ly­sen haben gezeigt, dass die Anzahl der Arten auf den Mikro­pla­stik-Par­ti­keln gerin­ger war als in den Boden­pro­ben selbst. „Unse­re For­schungs­er­geb­nis­se spre­chen daher für die Annah­me, dass sich auf den Mikro­pla­stik-Par­ti­keln spe­zia­li­sier­te Pilz­ge­mein­schaf­ten bil­den, die sich von denen im umge­ben­den Erd­bo­den deut­lich unter­schei­den. Gleich­zei­tig ist erkenn­bar, dass die Anzahl der auf Mikro­pla­stik-Par­ti­keln im Boden vor­kom­men­den Pilz­ar­ten wesent­lich höher ist als die Anzahl derer, die sich auf Mikro­pla­stik in Flüs­sen und Seen ansie­deln“, erklärt Prof. Dr. Ger­hard Ram­bold, Lei­ter der Abtei­lung Myko­lo­gie an der Uni­ver­si­tät Bayreuth.

Vor allem in eini­gen tro­pi­schen Län­dern mit ero­dier­ten Böden ist das Risi­ko ver­gleichs­wei­se hoch, dass Mikro­pla­stik zu einem Über­trä­ger für krank­heits­er­re­gen­de Pil­ze wer­den. Die mikro­pla­stik­hal­ti­gen Boden­pro­ben, die in der neu­en Stu­die unter­sucht wur­den, stam­men aus der west­ke­nia­ni­schen Stadt Sia­ya: Sie wur­den einem Markt­platz, zwei Abfall­de­po­nien, dem Stra­ßen­rand und einem Innen­hof ent­nom­men. „Auch wenn Pla­stik­müll ger­ne als Pro­blem der Drit­ten Welt dar­ge­stellt wird, hat Kenia einen Vor­rei­ter­sta­tus bei der Pla­stik­müll­ver­mei­dung. Seit 2017 sind dort effek­ti­ve Maß­nah­men zur Ver­mei­dung von Ein­weg­pla­stik getrof­fen wor­den. Eben­falls ist Kenia einer Alli­anz bei­getre­ten, die den Pla­stik-Import aus Indu­strie­staa­ten erschwe­ren soll. Damit sind hier früh­zei­tig Maß­nah­men getrof­fen wor­den, die dem Pro­blem des Pla­stik­mülls in der Umwelt ent­ge­gen­wir­ken sol­len. Dass wir in den Boden­pro­ben aus Kenia zahl­rei­che krank­heits­er­re­gen­de Pilz­grup­pen ent­deckt haben, ist ein deut­li­ches Indiz für die Dring­lich­keit des Pro­blems in tro­pi­schen Regio­nen im All­ge­mei­nen, zumal hier die Rate von Pilz­in­fek­tio­nen bereits heu­te schon hoch ist. Welt­weit sind Pilz­in­fek­tio­nen auf dem Vor­marsch. Unse­re Stu­die zeigt: Maß­nah­men zur Ver­mei­dung des Ein­tra­ges von Pla­stik­müll in die Umwelt und zur Wei­ter­ent­wick­lung der Abfall­wirt­schaft sind glo­bal drin­gend gebo­ten“, sagt Rambold.

Die in „Sci­en­ti­fic Reports“ ver­öf­fent­lich­ten For­schungs­er­geb­nis­se sind aus einer engen fächer­über­grei­fen­den Zusam­men­ar­beit von Wis­sen­schaft­lern der Uni­ver­si­tät Bay­reuth mit Part­nern an der Leib­niz Uni­ver­si­tät Han­no­ver und der LMU Mün­chen her­vor­ge­gan­gen. Die inter­dis­zi­pli­nä­re Arbeits­grup­pe an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth ist Teil des hie­si­gen DFG-Son­der­for­schungs­be­reichs 1357 „Mikro­pla­stik“. Wissenschaftler*innen aus der Myko­lo­gie, Mikro­bio­lo­gie, Bio­geo­che­mie und Gene­tik unter­su­chen in die­sem Team gemein­sam die Wech­sel­wir­kun­gen von Mikro­pla­stik und Mikro­or­ga­nis­men in der Umwelt.