Forch­hei­mer Ober­arzt infor­miert zum The­ma „Schild­drü­sen­er­kran­kun­gen“

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Schilddrüsenspezialist Dieter Regnet, Oberarzt der Allgemeinchirurgie am Klinikum Forchheim-Fränkische Schweiz, im Gespräch mit Radio Bamberg © Klinikum Forchheim-Fränkische Schweiz

Schild­drü­sen­spe­zia­list Die­ter Reg­net, Ober­arzt der All­ge­mein­chir­ur­gie am Kli­ni­kum Forch­heim-Frän­ki­sche Schweiz, im Gespräch mit Radio Bam­berg © Kli­ni­kum Forch­heim-Frän­ki­sche Schweiz

Der Fach­be­reich All­ge­mein­chir­ur­gie des Kli­ni­kums Forch­heim-Frän­ki­sche Schweiz ist Mit­glied der Deut­sche Schild­drü­sen­zen­trum GmbH, einer Infor­ma­ti­ons­platt­form rund um die Schild­drü­se und deren Behand­lungs­mög­lich­kei­ten – inklu­si­ve garan­tier­ter Qua­li­täts­kon­trol­le. Hier haben sich Kli­ni­ken ange­schlos­sen, die sich schwer­punkt­mä­ßig mit der Schild­drü­sen­chir­ur­gie beschäf­ti­gen, wie das Kran­ken­haus in Forch­heim. Die­ter Reg­net, Ober­arzt der All­ge­mein­chir­ur­gie am Stand­ort Forch­heim, im Gespräch mit Radio Bamberg:

Ana­to­mie und Funk­ti­on der Schild­drü­se, Sym­pto­me einer Erkrankung

Die Sym­pto­me bei einer Schild­drü­sen­er­kran­kung sind viel­sei­tig: Hit­ze­ge­fühl, Abge­schla­gen­heit, Gewichts­ab­nah­me oder ‑zunah­me, auf­ge­dun­se­nes Gesicht, Ner­vo­si­tät oder Schlaf­lo­sig­keit kön­nen Anzei­chen für eine Über- oder Unter­funk­ti­on der Schild­drü­se sein. Wenn ein Kno­ten auf das umge­ben­de Gewe­be, Luft­röh­re oder Spei­se­röh­re drückt, kann ein Gefühl ent­ste­hen wie ein ‚Kloß im Hals‘ – eine Schluck­be­hin­de­rung. Oder der Betrof­fe­ne lei­det an Atem­not, weil die Luft­röh­re ein­ge­engt wird, zunächst bei Bela­stung und im Ver­lauf viel­leicht in Ruhe in Rücken­la­ge bei zusätz­lich ein­wir­ken­der Schwer­kraft. Das schmet­ter­lings­för­mi­ge Organ mit einer Grö­ße von rund 25 ml beim Mann und 18 ml bei der Frau regelt die Pro­duk­ti­on und Frei­set­zung der bei­den Schild­drü­sen­hor­mo­ne T3 (Tri­jod­thy­ro­nin) und T4 (Tet­ra­jod­thy­ro­nin oder Thy­ro­xin). Das Thy­reo­idea-sti­mu­lie­ren­de Hor­mon (TSH) wird von der Hirn­an­hangs­drü­se gebil­det und regu­liert die Bil­dung die­ser bei­den Schild­drü­sen­hor­mo­ne. Die­ter Reg­net, Ober­arzt am Kli­ni­kum Forch­heim-Frän­ki­sche Schweiz, beschreibt die Schild­drü­se als Motor für den Stoff­wech­sel: Die Schild­drü­sen­hor­mo­ne regu­lie­ren die Herz­fre­quenz und haben Ein­fluss auf zahl­rei­che Kör­per­funk­tio­nen: Sexua­li­tät, Ener­gie­ver­brauch, die Kör­per­wär­me­regu­lie­rung, Magen und Darm, Ner­ven, Mus­keln, Herz, Kreis­lauf und die Gemüts­la­ge. Beson­ders in der früh­kind­li­chen Ent­wick­lung kann eine Fehl­funk­ti­on der Schild­drü­se zu kör­per­li­chen und gei­sti­gen Wachs­tums­ver­zö­ge­run­gen führen.

Schild­drü­sen­kno­ten

Da Deutsch­land ein Jod­man­gel­ge­biet ist, hat fast jeder Über-60-jäh­ri­ge Schild­drü­sen­kno­ten, die ggf. kon­troll­be­dürf­tig sind. Die Schild­drü­se gleicht den Man­gel an Jod mit Wachs­tum aus und die­ser stän­di­ge Wachs­tums­reiz führt zu ver­mehr­ter Kno­ten­bil­dung in der Schilddrüse.

Ein Drit­tel der Deut­schen ist im Lau­fe des Lebens von einer Schild­drü­sen­er­kran­kung betrof­fen. Eine Stru­ma oder im Volks­mund ‚Kropf‘ bedeu­tet erst mal nichts ande­res als eine Schild­drü­sen­ver­grö­ße­rung, die man – je nach Grö­ße – selbst erta­sten kann. Es gibt soge­nann­te ‚war­me‘ und ‚küh­le‘ Kno­ten und es gibt indif­fe­ren­te Kno­ten. Alle haben bestimm­te Eigen­hei­ten und ein indi­vi­du­el­les Risi­ko, dass ein Tumor ent­ste­hen könnte.

Wel­cher Arzt ist wofür zuständig?

Um her­aus­zu­fin­den, in wel­cher Form die Schild­drü­se betrof­fen ist, führt der Haus­arzt oder der haus­ärzt­li­che Inter­nist eine strah­len­freie Schild­drü­senul­tra­schall­un­ter­su­chung durch.

Wenn Tei­le der Schild­drü­se auf dem Ultra­schall­bild eher dun­kel aus­se­hen, muss unter­sucht wer­den, ob sie Ver­kal­kun­gen haben, ver­mehrt durch­blu­tet sind. Auch wenn sicht­ba­re Kno­ten auf­fäl­lig aus­se­hen, wird wei­ter unter­sucht. Die Blut­wert­un­ter­su­chung der Schild­drü­sen­hor­mo­ne T3, T4 und TSH sagt dann etwas über die Funk­ti­on aus, ob evtl. eine Schild­drü­sen­über- oder Unter­funk­ti­on vorliegt.

Bei Auf­fäl­lig­kei­ten der Form oder der Funk­ti­on erfolgt eine Über­wei­sung an den Nukle­ar­me­di­zi­ner, der mit­tels einer Szin­ti­gra­phie die Akti­vi­tä­ten in der Schild­drü­se visua­li­siert. „Viel Akti­vi­tät kenn­zeich­net einen ‚war­men‘ Kno­ten, wenig oder kei­ne Akti­vi­tät einen ‚kal­ten‘ Kno­ten. Ein kal­ter Kno­ten kann aber auch durch Zysten, also flüs­sig­keits­ge­füll­te Gewebs­an­tei­le her­vor­ge­ru­fen wer­den. Wenn der Szin­ti­gra­phie­be­fund mit dem Ultra­schall­be­fund und der Labor­un­ter­su­chung kor­re­liert – wenn also die Stel­le des szin­ti­gra­fisch kal­ten Kno­tens mit dem auf­fäl­li­gen Kno­ten im Ultra­schall zusam­men­fällt, dann kön­nen wir von einem kal­ten Kno­ten spre­chen, der zu wenig pro­du­ziert und die­se Kno­ten haben ein gewis­ses Poten­ti­al, dass sie bös­ar­tig wer­den kön­nen“, erläu­tert Die­ter Regnet.

Das Risi­ko einer bös­ar­ti­gen Gewe­be­ver­än­de­rung beim Vor­lie­gen eines kal­ten Kno­tens liegt bei unge­fähr fünf Pro­zent. Eine Fein­na­del­punk­ti­on schafft Klar­heit, die von einem Nukle­ar­me­di­zi­ner oder Endo­kri­no­lo­gen durch­ge­führt wird. Aus dem Kno­ten wer­den unter ört­li­cher Betäu­bung Zel­len gewon­nen, die patho­lo­gisch unter­sucht wer­den. Eini­ge Gewe­be­ver­än­de­run­gen (fol­li­ku­lä­re Neo­pla­sie), kann man erst nach voll­stän­di­ger Ent­nah­me der Schild­drü­sen in ‚gut­ar­tig‘ und ‚bös­ar­tig‘ klassifizieren.

Eine Alter­na­ti­ve zum inva­si­ven Ein­griff ist die Radio­jod­the­ra­pie. Dabei rei­chert sich ein radio­ak­ti­ves Medi­ka­ment, das vom Nukle­ar­me­di­zi­ner gespritzt wird, in der Schild­drü­se an.

Es hat nur einen sehr kur­zen Strah­lungs­weg von 0,5 Mil­li­me­ter und redu­ziert die Schild­drü­sen­ak­ti­vi­tät in die­sem sehr begrenz­ten Bereich. Den Vor­teil der Ope­ra­ti­on sieht der Chir­urg Die­ter Reg­net in der fein­ge­web­li­chen Unter­su­chung des ent­fern­ten Mate­ri­als. „Bei der Radio­jod­the­ra­pie hat man erst nach einem hal­ben oder einem Jahr Gewiss­heit, wie­viel von der Schild­drü­se oder von dem Kno­ten zer­stört sind, und in der Zwi­schen­zeit ist die Hor­mon­la­ge etwas unsi­cher und muss häu­fig kon­trol­liert wer­den“, sagt er.

Wann ope­rie­ren?

Eine Ope­ra­ti­on zur Gewe­be­ent­fer­nung ist bei Tumor­ver­dacht ange­zeigt, bei mecha­ni­scher Behin­de­rung durch Kno­ten und wenn bei einem hei­ßen Kno­ten bzw. einer gene­ra­li­sier­ten Über­funk­ti­on die Gabe von schild­drü­sen­brem­sen­den Medi­ka­men­ten über einen län­ge­ren Zeit­raum zu star­ke Neben­wir­kun­gen (Leber, Blut­bild­ver­än­de­rung) verursacht.

Schild­drü­sen­spe­zia­list Die­ter Reg­net erläu­tert: „In der Regel ist es so, dass der Pati­ent schon mit Befun­den zu uns kommt, weil uns der Gesetz­ge­ber vor­schreibt, dass alles was ambu­lant gemacht wer­den kann, ambu­lant gemacht wer­den muss. Der Pati­ent kommt mit Ana­mne­se und Ultra­schall­un­ter­su­chung vom Haus­arzt, mit der szin­ti­gra­fi­schen Unter­su­chung vom nukle­ar­me­di­zi­ni­schen Kol­le­gen und den Labor­un­ter­su­chun­gen zu uns und wir schau­en uns die­se Befun­de an. Häu­fig kommt der Pati­ent schon mit einer Emp­feh­lung von Nukle­ar­me­di­zi­ner, dass die Schild­drü­se ent­fernt wer­den sollte.“

Fünf ver­schie­de­ne Tumorarten

Das papilläre Schild­drü­sen­kar­zi­nom kommt am häu­fig­sten vor (70% aller Schild­drü­sen­kar­zi­no­me). Bei die­sem Kar­zi­nom­typ ist die natür­li­che Lebens­er­war­tung, wenn es aus­rei­chend behan­delt ist, nor­ma­ler­wei­se nicht beeinträchtigt.

Das fol­li­ku­lä­re Kar­zi­nom hat eine ähn­lich gute Lebens­er­war­tung, kann aber Fern­me­ta­sta­sen bilden.

Die drit­te Tumor­art nennt sich das ‚wenig dif­fe­ren­zier­te‘ Schild­drü­sen­kar­zi­nom. Es hat eine etwas schlech­te­re Ausgangslage.

Das ‚ent­dif­fe­ren­zier­te‘ Schild­drü­sen­kar­zi­nom hat eine sehr schlech­te Pro­gno­se, ist aber sehr sel­ten und tritt in der Regel erst im hohen Lebens­al­ter auf.

Das medullä­re Schild­drü­sen­kar­zi­nom ist eine von den C‑Zellen der Schild­drü­se aus­ge­hen­de Form des Schild­drü­sen­kar­zi­noms. Die­se Zell­art pro­du­ziert ein Hor­mon, das für den Kal­zi­um­haus­halt wich­tig ist, das soge­nann­te Cal­ci­to­nin. Hier ist eine Ope­ra­ti­on eben­falls zwin­gend notwendig.

Wenn die patho­lo­gi­sche Unter­su­chung nach Fein­na­del­punk­ti­on oder die fein­ge­web­li­che Schnell­un­ter­su­chung wäh­rend der Ope­ra­ti­on eine bös­ar­ti­ge Gewe­be­ver­än­de­rung bestä­tigt, kommt es dar­auf an, wel­che Art Tumor vor­liegt und wie groß die­ser Tumor ist. Manch­mal reicht es, nur einen Schild­drü­sen­lap­pen zu ent­fer­nen. Wenn bei der vor­her­ge­hen­den Ultra­schall­un­ter­su­chung Lymph­kno­ten­ver­än­de­run­gen zu sehen waren, wer­den die­se bei der Ope­ra­ti­on mit entfernt.

Hor­mon­er­satz?

Je mehr Schild­drü­sen­ge­we­be ope­ra­tiv ent­fernt wird, desto mehr müs­sen die feh­len­den Hor­mo­ne durch Tablet­ten­ein­nah­me ersetzt wer­den. „Wenn die Hälf­te der Schild­drü­se ent­fernt wird – also ein Lap­pen – wür­de man vor­über­ge­hend Hor­mo­ne erset­zen, aber auf Dau­er reicht auch unter Umstän­den der eine Lap­pen aus, um die Funk­ti­on zu über­neh­men“, erklärt Die­ter Reg­net. Die täg­li­che Tablet­te nimmt man am besten eine hal­be Stun­de vor dem Früh­stück ein, weil der Wirk­stoff da am besten auf­ge­nom­men wird. Die ersten Kon­trol­len nach einer Ope­ra­ti­on soll­ten nach vier bis sechs Wochen erfol­gen, um fest­zu­stel­len, ob der Hor­mon­pe­gel rich­tig ein­ge­stellt ist. Danach rei­chen Kon­trol­len im halb­jähr­li­chen bis jähr­li­chen Abstän­den aus.

Auto­im­mun­erkran­kun­gen Hash­i­mo­to Thy­reo­idi­tis und Mor­bus Basedow

Es gibt auch unter­schied­li­che Arten von Schild­drü­sen­ent­zün­dun­gen. Zwei For­men der ent­zünd­li­chen Auto­im­mun­erkran­kung sind bekannt: Die Hash­i­mo­to Thy­reo­idi­tis; die­se ist weit ver­brei­tet. Sie muss in der Regel nicht ope­riert, aber kon­trol­liert wer­den, weil die Schild­drü­se im Ver­lauf der Erkran­kung in ihrer Funk­ti­on, evtl. schub­wei­se, immer mehr abnimmt mit dem Resul­tat einer Schild­drü­sen­un­ter­funk­ti­on, die mit Hor­mo­nen nach­ge­steu­ert wer­den muss. Bei der Base­dows­chen Erkran­kung ent­ste­hen im Kör­per – ohne dass man so genau weiß, war­um – Anti­kör­per, die die glei­che Wir­kung haben wie das schild­drü­sen­stim­mu­lie­ren­de Hor­mon TSH aus der Hirn­an­hangs­drü­se. Die Sym­pto­me ähneln denen einer Schild­drü­sen­über­funk­ti­on mit schnel­lem Puls und Auf­ge­regt­heit. In der Hälf­te der Fäl­le tre­ten Augen­sym­pto­me (Exo­ph­thal­mus) auf. Die Anti­kör­per wir­ken nicht nur an der Schild­drü­se, son­dern auch an den Augen­mus­keln oder am Fett­ge­we­be hin­ter dem Auge: Das Auge fängt an zu wach­sen und drückt den Aug­ap­fel immer wei­ter nach vor­ne. Das kann dazu füh­ren, dass der Pati­ent das Lid nicht mehr kom­plett schlie­ßen kann oder dass durch die­se Augen­mus­kel­ver­dickung die Augen­be­we­gung ein­ge­schränkt ist und der Pati­ent Dop­pel­bil­der sieht.

Der Mor­bus Base­dow wird zunächst medi­ka­men­tös behan­delt und kommt hier­un­ter evtl. zum Ste­hen. Wei­te­re Behand­lungs­op­tio­nen sind auch hier die Radio­jod­the­ra­pie und die ope­ra­ti­ve Schild­drü­sen­ent­fer­nung. Wobei eine beglei­ten­de Augen­sym­pto­ma­tik am ehe­sten auf eine ope­ra­ti­ve Ent­fer­nung der Schild­drü­se anspricht, evtl. mit einer zusätz­li­chen Bestrahlungstherapie.