Bam­ber­ger Psy­cho­lo­gen haben unter­sucht, wie Hand­lungs­mu­ster aus Spiel­erfah­run­gen unse­ren Umgang mit der Kri­se prägen

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Spiel als COVID-19-Strategie

Eine Pan­de­mie ist kein Spiel. Und doch sehen wir Ver­hal­tens­mu­ster im Umgang mit der Coro­na-Pan­de­mie, die wir aus Spie­len ken­nen, wie drei Wis­sen­schaft­ler der Uni­ver­si­tät Bam­berg her­aus­ge­fun­den haben: Men­schen hor­ten Res­sour­cen, ori­en­tie­ren sich an Rang­li­sten und Gra­fi­ken, schlüp­fen in Rol­len, redu­zie­ren die Situa­ti­on auf ein Gut-Böse-Sche­ma und rich­ten sich nach pro­mi­nen­ten Hel­den­fi­gu­ren. Sind Men­schen mit unge­wis­sen Situa­tio­nen kon­fron­tiert, dann hel­fen ihnen bereits bekann­te Ver­hal­tens­wei­sen und Denk­mu­ster, soge­nann­te Skrip­te, trotz­dem hand­lungs­fä­hig zu blei­ben. Die Bam­ber­ger Psy­cho­lo­gen Dr. Mari­us Raab, Niklas Döb­ler und Prof. Dr. Claus-Chri­sti­an Car­bon vom Lehr­stuhl für All­ge­mei­ne Psy­cho­lo­gie und Metho­den­leh­re, stel­len in ihrer neu­en Publi­ka­ti­on fest: Den Men­schen feh­len in der Pan­de­mie Erfah­run­gen und damit die Skrip­te aus ähn­li­chen Situa­tio­nen, um mit dem aktu­el­len Gesche­hen umzu­ge­hen. Des­halb grei­fen sie auto­ma­tisch auf Erfah­run­gen aus Spie­len zurück und bil­den Ana­lo­gien – schlie­ßen also von Bekann­tem auf das Unbekannte.

Die Gefahr: Bei den mei­sten Spie­len gibt es neben Gewin­nern auch Verlierer

„Spiel­ele­men­te und ‑mecha­ni­ken für Ana­lo­gien zu nut­zen, um eine anstecken­de und poten­zi­ell töd­li­che Krank­heit zu ver­ste­hen, birgt Gefah­ren“, sagt Mari­us Raab, Erst­au­tor der Stu­die und wis­sen­schaft­li­cher Mit­ar­bei­ter am Lehr­stuhl für All­ge­mei­ne Psy­cho­lo­gie und Metho­den­leh­re. Zum einen sei­en die Ana­lo­gien meist sehr ober­fläch­lich und ver­mit­tel­ten kein Ver­ständ­nis für einen bes­se­ren Umgang mit der Dyna­mik von COVID-19. Das Hor­ten von knap­pen Res­sour­cen wie Spiel­geld etwa kön­ne in man­chen Brett­spie­len eine sinn­vol­le Stra­te­gie sein. „Das Hor­ten von Toi­let­ten­pa­pier und Hefe hin­ge­gen bringt kei­nen Vor­teil, auch nicht der hor­ten­den Per­son selbst“, sagt Niklas Döb­ler, Dok­to­rand am Lehr­stuhl. Zum ande­ren beru­hen die Ana­lo­gien nach Ein­schät­zung der Psy­cho­lo­gen meist auf wett­be­werbs­ori­en­tier­ten Spie­len, in denen das Ziel ist zu gewin­nen. Dadurch gebe es zwangs­läu­fig auch Ver­lie­re­rin­nen und Ver­lie­rer. „Gesell­schaft­li­che Kri­sen sind aber Auf­ga­ben, die nur als Gemein­schaft gewon­nen wer­den kön­nen“, so Raab.

Die soge­nann­te „Gami­fi­zie­rung“ kann Gesund­heits­maß­nah­men nach­voll­zieh­ba­rer machen

Die Wis­sen­schaft­ler schla­gen vor, die­se spon­ta­ne Ten­denz zur Anwen­dung von Spiel-Ana­lo­gien stra­te­gisch zu nut­zen, um Gesund­heits­maß­nah­men effek­ti­ver und nach­voll­zieh­ba­rer zu gestal­ten. „Spiel­me­ta­phern kön­nen aktiv auf­ge­grif­fen wer­den, um die Wech­sel­wir­kun­gen und die Eigen­dy­na­mik der Pan­de­mie bes­ser zu ver­ste­hen“, erklärt Claus-Chri­sti­an Car­bon. Dabei soll­ten sich die Men­schen an Spie­len ori­en­tie­ren, die auf Koope­ra­ti­on set­zen, nicht auf Wett­be­werb. So kön­ne man zum Bei­spiel die Rang­li­sten der Inzi­den­zen, R‑Werte und Todes­zah­len um Zah­len erwei­tern, die anzei­gen, wie vie­le Stun­den sich Men­schen ehren­amt­lich enga­giert haben. Damit tritt der Aspekt der gemein­schaft­li­chen Pan­de­mie­be­kämp­fung in den Vor­der­grund. „Die­se Idee der soge­nann­ten stra­te­gi­schen Gami­fi­zie­rung geht klar über die Coro­na-Pan­de­mie hin­aus und ist für alle glo­ba­len Her­aus­for­de­run­gen nutz­bar“, meint Mari­us Raab. Rich­tig ein­ge­setzt – also nicht über­ge­stülpt, son­dern direkt auf das spon­ta­ne Ver­hal­ten der Men­schen bezo­gen – könn­ten so Zukunfts­auf­ga­ben wie etwa der Kli­ma­wan­del oder die Auto­ma­ti­sie­rung der Arbeits­welt bes­ser ver­stan­den werden.

Die Publi­ka­ti­on ist unter dem Titel „A Game of COVID. Stra­te­gic thoughts about a ludi­fi­ed pan­de­mic” in der wis­sen­schaft­li­chen Zeit­schrift „Fron­tiers in Psy­cho­lo­gy” erschie­nen und online abruf­bar unter: https://​www​.fron​tier​sin​.org/​a​r​t​i​c​l​e​s​/​1​0​.​3​3​8​9​/​f​p​s​y​g​.​2​0​2​1​.​6​0​7​3​0​9​/​f​ull

In deut­scher Spra­che haben die drei Wis­sen­schaft­ler das The­ma außer­dem in der aktu­el­len Fol­ge ihres Pod­casts „Die Bam­ber­ger Psy­cho­ka­lyp­se” auf­ge­ar­bei­tet: https://​psy​cho​ka​lyp​se​.podi​gee​.io/​5​7​-​k​1​3v2