Auf den Spu­ren der Roman­ti­ker von Streit­berg nach Eber­mann­stadt und zurück

Die erste VHS- Gscheit­gut-Wan­de­rung in die­sem Jahr ist auch gleich­zei­tig die erste Prä­senz­ver­an­stal­tung der VHS des Land­krei­ses Forch­heim im Som­mer­se­me­ster 2021

End­lich! Die Inzi­denz­wer­te sind gesun­ken und der Weg ist frei für den ersten gscheit­gu­ten Wan­der­ge­nuss im zwei­ten Coro­na-Jahr. Am Sams­tag, dem 29.05.2021 star­te­te daher nicht nur die erste Gscheit­gut-Wan­de­rung, son­dern auch die erste Prä­senz­ver­an­stal­tung der VHS Forch­heim im Jahr 2021. Alles was wir dafür brauch­ten war gutes Wet­ter, denn nach den Bestim­mun­gen des Land­rats­am­tes, darf bis­her nur die Außen­ga­stro­no­mie öff­nen. An jedem Tisch dür­fen maxi­mal 2 Haus­stän­de zusam­men­sit­zen. Geimpf­te und Gene­se­ne nicht eingeschlossen.

34 Wan­de­rer star­te­ten pünkt­lich um 9 Uhr am Bür­ger­haus in Streit­berg bei herr­lich­stem Son­nen­schein. Der Tag heu­te stand ganz im Zei­chen der Roman­ti­ker und führ­te uns auf die Spu­ren derer, die das „Mug­gen­dor­fer Gebürg“, wie die Frän­ki­sche Schweiz einst hieß, ent­deckt hat­ten: Lud­wig Tieck und Wil­helm Hein­rich Wacken­ro­der. Eben­falls mit dabei: Die Rei­se­no­ti­zen von Ernst Moritz Arndt und Lud­wig Rich­ter, einem der ganz gro­ßen Maler der Romantik.

Unse­re Wan­der­füh­rung lag in bewähr­ten Hän­den beim ehe­ma­li­gen Lei­ter des Kul­tur­am­tes Toni Eckert. Heu­te ler­nen wir auch sei­ne Nach­fol­ge­rin im Amt ken­nen: Mari­on Ros­sa-Schu­ster ist die neue Lei­te­rin der VHS und des Kul­tur­am­tes für den Land­kreis Forch­heim. Auch ihr ist „Land­schafts­schutz mit Mes­ser und Gabel“ ein Her­zens­an­lie­gen. Außer­dem mit dabei: Corin­na Brau­er, die erste Vor­sit­zen­de des Gscheit­gut-Ver­eins, die vor genau 10 Jah­ren die­se Wan­de­run­gen initi­iert hat und bis heu­te ehren­amt­lich unterstützt.

Bevor es los geht, wer­fen wir noch kurz einen Blick hin­auf zum Fel­sen– wo einst die Burg Streit­berg stand und heu­te das Loch­ge­fäng­nis frei­ge­legt ist. Doch das ist ein ande­res Wan­der­the­ma. Heu­te wan­dern wir wei­ter zur Orts­mit­te und gelan­gen zum Gast­hof Schwar­zer Adler in Streitberg.

Kei­ne Fra­ge: weder Hei­del­berg noch Ber­lin, nein, die Frän­ki­sche Schweiz ist die Wie­ge der Roman­tik. Zu Beginn des 19. Jahr­hun­derts, uns heu­te bekannt als die Zeit der Roman­tik, ent­deck­ten Lite­ra­ten und ande­re Künst­ler die ärm­li­che Regi­on zwi­schen Eber­mann­stadt und Mug­gen­dorf als „roman­ti­sche Land­schaft“. Sie lehn­ten die Barock­zeit mit ihren gestutz­ten Hecken und streng gepfleg­ten Gär­ten ab. Das „Mug­gen­dor­fer Gebürg“ mit sei­nen vie­len Bur­gen und Schlös­sern war für sie genau die rich­ti­ge Kulis­se, um die Sehn­sucht nach „der guten alten Zeit“, dem Mit­tel­al­ter, zu stil­len. Ihre Gedan­ken hiel­ten sie in Brie­fen und Tage­buch­auf­zeich­nun­gen fest.

Die Noti­zen und Brie­fe der Rei­sen­den fun­gier­ten als Lite­ra­tur und wur­den – wie damals üblich – in den Salons vor­ge­le­sen. Heu­te hören wir von unse­rem Wan­der­füh­rer Toni Eckert Aus­zü­ge aus die­sen Brie­fen, die uns in die Zeit und die Land­schaft vor mehr als 200 Jah­ren zurückversetzen.

Als Wacken­ro­der und Tieck ihre berühm­te Pfingst­rei­se antra­ten, brauch­ten sie mit dem Pferd 1 ½ Stun­den, um von Erlan­gen nach Bai­er­s­dorf zu gelan­gen. Der Maler Lud­wig Rich­ter war 14 Tage unter­wegs, um die Frän­ki­sche Schweiz auf 900 Kilo­me­tern zu Fuß zu durch­que­ren. Heu­te wäre das ein gutes Trai­ning für einen Triathlon.

Damals dien­te den Gästen das beschau­li­che Streit­berg als Über­nach­tungs­ort: Als Fürst Her­mann von Pück­ler-Mus­kau in Streit­berg raste­te, wähl­te er das Alte Kur­haus als Quar­tier. Tieck und Wacken­ro­der hat­ten im Schwar­zen Adler über­nach­tet. Der Schwar­ze Adler war damals eine Post­sta­ti­on. Vier Pfer­de muss­te man den Post­kut­schen vor­span­nen, um den Berg nach Ober­fel­len­dorf hin­auf­zu­kom­men. Spä­ter ver­lor die Han­dels­stra­ße an Bedeu­tung, der Schwar­ze Adler blieb und steht bis heute.

Hin­ter dem Tra­di­ti­ons­haus zweigt der Kul­tur­weg ab, auf dem wir heu­te wan­dern und es geht steil berg­auf. Unser Ziel: Der Pavil­lon mit dori­schen Säu­len, den einst der Unter­neh­mer Ignaz Bing für Streit­berg gestif­tet hat­te. 4.000 Reichs­mark hat­te ihn der Bau geko­stet, dazu noch unzäh­li­ge Fäs­ser Bier, die er den Streit­ber­gern zur Eröff­nung stif­te­te. Der Spiel­zeug­fa­bri­kant hat­te ein Feri­en­haus in Streit­berg erwor­ben und wäh­rend sei­nen regel­mä­ßi­gen Auf­ent­hal­ten in der „Frän­ki­schen“ wur­de er zum Wohl­tä­ter des klei­nen Ortes – bis er im Zuge der Juden­ver­fol­gung flie­hen muss­te. Bei­spiels­wei­se war er es, der dem Ort zur Elek­tri­zi­tät ver­hol­fen hat­te. Bis heu­te ist sein Name untrenn­bar mit der Bing-Höh­le ver­bun­den – Ignaz Bing war in sei­ner Frei­zeit auch Höh­len­for­scher und ent­deck­te in den Fel­sen von Streit­berg durch Zufall eine der schön­sten Tropf­stein­höh­len Deutschlands.

Der stei­le Auf­stieg durch den lich­ten Buchen­wald wird beglei­tet vom Zwit­schern der Vögel und wir gelan­gen zum Hum­mer­stein. Hier weist uns ein alter Wall im Wald auf eine ehe­ma­li­ge Bur­gen­be­fe­sti­gung hin. Droh­te Gefahr, konn­te sich hier die Dorf­be­völ­ke­rung zurückziehen.

Heu­te genießt der Wan­de­rer vom Fels­pla­teau herr­li­che Aus­blicke bis nach Gas­sel­dorf. Rech­ter Hand liegt der gebro­che­ne Berg, der durch einen gigan­ti­schen Erd­rutsch im Jahr 1625 ent­stan­den ist. In Gas­sel­dorf erin­nert ein ver­bli­che­nes Schild an die­ses Ereignis.

Über den Kel­ler­wald errei­chen wir schließ­lich Gas­sel­dorf. Hät­ten Sie gewusst, dass der Erfin­der der Wie­ner Würst­chen bzw. Frank­fur­ter aus Gas­sel­dorf stamm­te? Das Rezept für die­se berühm­te Spe­zia­li­tät stammt aus der Frän­ki­schen Schweiz, da ist sich unser Wan­der­füh­rer sicher.

Zwar ist unser heu­ti­ger Gast­ge­ber auch Metz­ger­mei­ster, doch in der Son­ne 29 in Eber­mann­stadt ste­hen heu­te weder Wie­ner noch Frank­fur­ter auf der Spei­se­kar­te. Hier erwar­tet uns ein frän­kisch-asia­ti­scher Mix:

  • Grü­nes Cur­ry mit grü­nem Spar­gel und geräuch­tem Tofu
  • Grü­nes Cur­ry mit Lachs
  • Drei frän­ki­sche Bier­brat­wür­ste mit Kraut und Brot oder Kartoffelsalat
  • Rin­der­gu­lasch mit Spätzle
  • Zum Des­sert: Rhabarberkuchen

Peter Hüb­sch­mann hat extra für uns sein Restau­rant zur Mit­tags­zeit geöff­net. Alles ist frisch und kunst­fer­tig zube­rei­tet – dazu ein freund­li­cher Ser­vice. Wan­de­rer, was willst du mehr? Beglei­tet wird unser kuli­na­ri­scher Genuss von lite­ra­ri­schen Rei­se­er­in­ne­run­gen des Für­sten Her­mann von Pück­ler-Mus­kau und dem Maler Lud­wig Rich­ter, die Toni Eckert zu erzäh­len weiß.

Zurück geht es gemüt­lich von Eber­mann­stadt nach Streit­berg auf dem Rad­weg ent­lang der Wiesent.

Die Gscheit­gut-Wan­de­run­gen sind eine Koope­ra­ti­on der VHS des Land­krei­ses Forch­heim mit dem Gscheit­gut-Ver­ein. Ziel ist die Schaf­fung von „Genuss­erleb­nis­sen“ durch die Ver­bin­dung tra­di­tio­nel­ler Gerich­te aus Regio­nal­pro­duk­ten mit frän­ki­scher Kul­tur. Vier Mal pro Jahr fin­den die Wan­de­run­gen im Gebiet der Frän­ki­schen Schweiz statt. Mit dabei ist immer ein Gscheit­gut-Gast­hof, der regio­nal und sai­so­nal kocht.