Pro­Herz – Eine Erfin­dung aus dem Medi­cal Val­ley Cen­ter Forchheim

Inter­view mit Fir­men­grün­der Dr. Seba­sti­an Eckl

Dr. Sebastian-Eckl. Foto: Franka Struve-Waasner

Dr. Seba­sti­an-Eckl. Foto: Fran­ka Struve-Waasner

Die App Pro­Herz für Smart­phones ist reif für den Markt, denn sie wur­de Ende April als Digi­ta­le Gesund­heits­an­wen­dung ‚App auf Rezept‘ zer­ti­fi­ziert. Die Soft­ware hilft chro­nisch Kran­ken ihre Erkran­kung zu mana­gen, eine Gefähr­dung früh­zei­tig zu erken­nen und über­flüs­si­ge Wege zum Haus­arzt, Fach­arzt und in die Kli­nik zu ver­mei­den. Das Unter­neh­men Pro­Ca­re­ment, das die Appli­ka­ti­on ent­wickelt hat, wur­de im Okto­ber 2019 gegrün­det, beschäf­tigt 17 Mit­ar­bei­ter und hat sei­nen Sitz im Medi­cal Val­ley Cen­ter Forch­heim. Ein Gespräch mit Dr. med. Seba­sti­an Eckl, Mit­be­grün­der und Geschäfts­füh­rer der Pro­Ca­re­ment GmbH:

An wen rich­tet sich die­ses Medizinprodukt?

In unse­rer Ver­suchs­pha­se mit mehr als 500 Frei­wil­li­gen haben wir uns auf Per­so­nen mit Herz­in­suf­fi­zi­enz, also Herz­schwä­che, kon­zen­triert. In wei­te­ren Schrit­ten wol­len wir noch in die­sem Jahr eine App für Dia­be­tes her­aus­ge­ben in Zusam­men­ar­beit mit dem Dia­be­tes­netz­werk und eine Soft­ware für Men­schen mit Depres­si­on ist in Pla­nung, für wei­te­re Erkran­kun­gen wie die Mul­ti­ple Skle­ro­se und Mor­bus Par­kin­son, die sich eben­falls erfolg­reich eta­blie­ren, haben wir Partnerschaften.

Wie kann ich mir die Nut­zung kon­kret vorstellen?

Ein Mensch, der an Herz­schwä­che lei­det, merkt erst spät, wenn sich sein Gesund­heits­zu­stand ver­schlech­tert. Vie­le Para­me­ter, wie Blut­druck, Gewichts­zu­nah­me und Sau­er­stoff­sät­ti­gung, die früh­zei­tig dar­auf hin­wei­sen, sind aber ein­fach mess­bar und kön­nen zu Hau­se von dem Betrof­fe­nen selbst erho­ben wer­den. Wenn der Pati­ent die Ver­schlech­te­rung bemerkt, muss er/​sie beim Haus­arzt eine Über­wei­sung holen und einen Ter­min beim Kar­dio­lo­gen ver­ein­ba­ren. Für Pati­en­ten mit Herz­in­suf­fi­zi­enz, die in einer nega­ti­ven Pha­se sind, ist es sehr beschwer­lich zur rich­ti­gen Ver­sor­gungs­stel­le zu gelan­gen: Sie atmen schlecht, es fällt ihnen schwer zu lau­fen, auf­grund der Ein­nah­me von Diure­ti­ka – das sind harn­trei­ben­de Mit­tel – müs­sen sie oft die Toi­let­te aufsuchen…

Es dau­ert oft Wochen oder sogar Mona­te, bis der Pati­ent den Pro­zess durch­lau­fen hat und die Ver­schlech­te­rung fest­ge­stellt wird. Schlimm, wenn in der Zwi­schen­zeit die Pati­en­tin ein Not­fall wird und ins Kran­ken­haus muss, weil Was­ser­an­samm­lun­gen oder Luft­not bereits im Ruhe­zu­stand auf­tre­ten. Das dre­hen wir mit unse­rer App um: Wir kom­men vir­tu­ell zum Pati­en­ten nach Hau­se und ermög­li­chen, dass die Pati­en­ten­ver­sor­gung tat­säch­lich dort statt­fin­det. Der Zugang zur medi­zi­ni­schen Ver­sor­gung wird erleich­tert, so dass die Pati­en­tin die­se leich­ter in Anspruch neh­men kann.

Außer­dem ver­bes­sern wir durch Früh­erken­nung die Behand­lungs­er­geb­nis­se. Durch Tria­gie­rungs­al­go­rith­men mer­ken wir, wenn es dem Pati­en­ten schlech­ter geht, und ver­mei­den dra­ma­ti­sche Not­fäl­le. Wir kön­nen sehr viel schnel­ler inter­ve­nie­ren, um den Pati­en­ten in die rich­ti­ge Ver­sor­gungs­stu­fe zu brin­gen – nie­der­ge­las­se­ner Arzt, Kran­ken­haus oder Spezialklinik.

Wel­che Daten wer­den von mir als Pati­ent mit Herz­in­suf­fi­zi­enz hin­ter­legt? Wel­che Wer­te gebe ich selbst ein und wie oft?

Zur Eröff­nung des Kon­tos benö­ti­gen wir die Dia­gno­se, Medi­ka­men­te, per­sön­li­che Anga­ben wie Alter, Geschlecht, und natür­lich Kon­takt­mög­lich­kei­ten, wie E‑Mail, Tele­fon- und Han­dy­num­mer. Ihr Gewicht, Sau­er­stoff­sät­ti­gung und Blut­druck mes­sen Sie täg­lich und über­mit­teln uns die Daten. Das dau­ert 1–2 Minu­ten am Tag, wenn man rou­ti­niert ist.

Was bekom­me ich?

Wir haben ein drei­stu­fi­ges Model ent­wickelt. Auf der Stu­fe eins bekommt der Pati­ent ein Alarm­sy­stem mit Medi­ka­men­ten­er­in­ne­rungs­funk­ti­on, Spei­che­rung der medi­zi­ni­schen Doku­men­te an einem Ort, Lern­mo­du­le und eine Wiki-Funk­ti­on, d.h. ein krank­heits­spe­zi­fi­sches Lexi­kon in Pati­en­ten-ver­ständ­li­cher Spra­che. Auf Stu­fe zwei beob­ach­tet eine Pfle­ge­fach­kraft im Care­Cen­ter in Forch­heim die gan­ze Zeit die Vital­wer­te und reagiert sofort auf Alarm, nimmt mit dem Pati­en­ten Kon­takt auf, wenn etwas nicht stimmt. Die drit­te Stu­fe ist für jene gedacht, die Schwie­rig­kei­ten haben, ihre Krank­heit selbst zu mana­gen. Es gibt feste, regel­mä­ßi­ge Coa­ching­ter­mi­ne, bei denen die Fach­kraft die gan­ze Woche bespricht: Wo gab es Aus­rei­ßer? Was kann die Pati­en­tin tun, um Ent­glei­sun­gen zu ver­mei­den? Wie ver­trägt sie die Medi­ka­men­te? Wir doku­men­tie­ren das und stel­len es dem behan­deln­den Arzt zur Verfügung.

Dr. Sebastian-Eckl und Christof Busch. Foto: Franka Struve-Waasner

Dr. Seba­sti­an-Eckl und Chri­stof Busch. Foto: Fran­ka Struve-Waasner

Noch ein Wort zu unse­rer fach­li­chen Kom­pe­tenz: In unse­rem Care­Cen­ter sit­zen medi­zi­nisch hoch aus­ge­bil­de­te Kräf­te. Mein Mit­grün­der, Tony Fuß, und ich sind Ärz­te mit lang­jäh­ri­ger Erfah­rung in kli­ni­scher Medi­zin und als Haus­arzt. Mein Kol­le­ge in der Geschäfts­füh­rung, Chri­stof Busch, hat fast acht Jah­re lang die inter­dis­zi­pli­nä­re Inten­siv­sta­ti­on mit Inter­me­dia­te Care am Uni­ver­si­täts­kli­ni­kum in Erlan­gen gelei­tet, kennt sich ent­spre­chend gut auch mit kri­tisch kran­ken Pati­en­ten aus. Die Pati­en­ten­be­treu­ung erfolgt aktu­ell aus­schließ­lich mit exami­nier­ten Pfle­ge­kräf­ten. Die mei­sten von ihnen haben eine Zusatz­aus­bil­dung, z.B. in der Inten­siv­me­di­zin und in der Ver­sor­gung von herz­in­suf­fi­zi­en­ten Patienten.

Wie kom­me ich an die App?

Wir sind in der Zulas­sung als digi­ta­le Gesund­heits­ap­pli­ka­ti­on (DiGA), als ‚App auf Rezept‘. Hier­zu benö­ti­gen Sie ledig­lich eine ärzt­li­che Ver­schrei­bung mit einem Akti­vie­rungs­code, dann über­nimmt die Kran­ken­kas­se die Kosten, der Zulas­sungs­pro­zess dau­ert aller­dings noch an.

Bis dahin wol­len wir die­ses inno­va­ti­ve Medi­zin­pro­dukt aber nie­man­den vor­ent­hal­ten und bie­ten auch Selbst­zah­ler­mo­del­le an: Je nach Stu­fe kostet die Anwen­dung 29 Euro, 59 Euro oder 119 Euro pro Monat, man kann aber auch Quar­tals- oder Jah­res­abon­ne­ments abschließen.

Wie sicher sind mei­ne Daten?

Wir sind kom­plett DSGVO-kon­form! Unse­re zen­tra­le Daten­hal­tung auf den bei­den Ser­vern ist gegen Boden- und Luft­an­grif­fe geschützt, wer in den Ser­ver­raum geht, wird aufs Gramm genau gemes­sen und wenn das Gewicht beim Ver­las­sen abweicht, wird der Raum sofort abge­rie­gelt mit der Per­son darin.

Gegen Hacker haben wir uns durch von­ein­an­der getrenn­te Ser­ver­struk­tu­ren und ver­schie­de­ne Fire­walls geschützt. MEHR GEHT NICHT!

Eine phi­lo­so­phi­sche Fra­ge: Wer hat die Datenhoheit?

Aktu­ell sind die Daten bei einem loka­len Ser­ver in Bay­ern gesi­chert. Wir wol­len den Weg der föde­ra­len Daten­hal­tung gehen, das heißt, wir bil­den genau den Gegen­pol zu den „gro­ßen Daten­kra­ken“, die alle Daten in zen­tra­len Daten­cen­tern besit­zen. Wir belas­sen die Daten auf einer Platt­form mit Schnitt­stel­len beim Pati­en­ten. Die­ser ent­schei­det, wem er wann, zu wel­chem Zweck, wel­che Daten geben möchte.

Dazu sind wir mit einem loka­len Part­ner im Gespräch, der hier die ent­spre­chen­de Erfah­rung und Tech­no­lo­gie mit­bringt. Ich sehe das auch wirk­lich per­sön­lich: Die­se Infor­ma­tio­nen gehen mich nichts an, das ist wie das Tage­buch eines Men­schen, auf das ich nie und nim­mer Zugriff habe – außer jemand erlaubt es mir und sagt: Bit­te schau Dir das an!

Vie­len Dank für das Gespräch!