Uni­ver­si­tät Bay­reuth: Neu­es euro­päi­sches Pro­jekt erforscht gesund­heit­li­che Aus­wir­kun­gen von Kunst­stoff­teil­chen auf den Menschen

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Die Wir­kun­gen von Kunst­stoff­teil­chen auf den mensch­li­chen Orga­nis­mus zu erfor­schen und eine gesund­heits­po­li­ti­sche Stra­te­gie für die Bewer­tung der dar­aus resul­tie­ren­den Risi­ken zu ent­wickeln, ist das Ziel des neu­en euro­päi­schen For­schungs­ver­bunds Pla­stics­Fa­tE. Die Uni­ver­si­tät Bay­reuth sowie 26 wei­te­re Uni­ver­si­tä­ten, Insti­tu­te und Orga­ni­sa­tio­nen aus zehn EU-Mit­glieds­län­dern betei­li­gen sich an dem Pro­jekt. Die Euro­päi­sche Uni­on för­dert das auf vier Jah­re ange­leg­te Vor­ha­ben mit rund sechs Mil­lio­nen Euro, auf die Uni­ver­si­tät Bay­reuth ent­fal­len dabei mehr als 465.000 Euro. Bei einer vir­tu­el­len Kick-Off-Ver­an­stal­tung der Part­ner fiel heu­te am 28. April 2021 der Start­schuss für das Projekt.

Pla­stics­Fa­tE ist das erste euro­päi­sche For­schungs­pro­jekt, das sich syste­ma­tisch mit den für die mensch­li­che Gesund­heit rele­van­ten Aus­wir­kun­gen von Kunst­stoff­par­ti­keln befasst. Der Name steht für „Pla­stics Fate and Effects in the human body“. Die For­schungs­part­ner wer­den Kunst­stoff­teil­chen ver­schie­de­ner Grö­ßen­ord­nun­gen in ihre Unter­su­chun­gen ein­be­zie­hen: Mikro­pla­stik-Par­ti­kel, die klei­ner als fünf Mil­li­me­ter sind, und die noch win­zi­ge­ren Nano­pla­stik-Par­ti­kel, die klei­ner als ein Zehn­tau­send­stel Mil­li­me­ter (100 Nano­me­ter) sind. Dar­über hin­aus wol­len sie die gesund­heit­li­chen Fol­gen von Zusatz­stof­fen iden­ti­fi­zie­ren, die den Kunst­stof­fen bei ihrer indu­stri­el­len Her­stel­lung bei­gemengt wer­den, und eben­so die Wir­kun­gen von Pla­stik­teil­chen, auf deren Ober­flä­che sich in der Umwelt Schad­stof­fe ange­la­gert haben. Mit dem Ziel, ein ver­tief­tes und dif­fe­ren­zier­tes wis­sen­schaft­li­ches Ver­ständ­nis der gesund­heit­li­chen Fol­gen von Pla­stik­teil­chen zu erar­bei­ten, wer­den Metho­den und For­schungs­tech­no­lo­gien aus den Natur‑, Umwelt‑, Gesund­heits- und Sozi­al­wis­sen­schaf­ten in dem neu­en Ver­bund zusammengeführt.

„Der­zeit ist unser Kennt­nis­stand hin­sicht­lich der gesund­heit­li­chen Aus­wir­kun­gen von Mikro- und Nano­pla­stik noch sehr begrenzt – nicht zuletzt des­halb, weil Metho­den zum Nach­weis klein­ster Kunst­stoff­par­ti­kel in mensch­li­chen Gewe­ben gera­de erst ent­wickelt wer­den. Eine zen­tra­le Auf­ga­be des neu­en For­schungs­ver­bunds ist es des­halb, ein umfas­sen­des Mess- und Test­pro­gramm auf­zu­bau­en, mit dem wir die heu­te ver­füg­ba­ren Metho­den prü­fen und sie im Hin­blick auf ihre Lei­stungs­fä­hig­keit für die Mikro- und Nano­pla­stik­for­schung gezielt ver­bes­sern kön­nen“, sagt Prof. Dr. Chri­sti­an Laforsch, der die For­schungs­ar­beit an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth leitet.

Im Fokus der Bay­reu­ther For­schung: Auf­nah­me­we­ge, Umwelt­ein­flüs­se, Trans­port­we­ge im Organismus

Die For­schungs­ar­bei­ten an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth befas­sen sich ins­be­son­de­re mit der Fra­ge, über wel­che Auf­nah­me­we­ge und in wel­chen Men­gen Kunst­stoff­teil­chen in den mensch­li­chen Orga­nis­mus gelan­gen. Dies kann über unter­schied­lich­ste Lebens­mit­tel, bei­spiels­wei­se Gemü­se, Obst, Geträn­ke oder Fisch, aber auch durch Kos­me­ti­ka oder über die Atem­luft gesche­hen. Dar­über hin­aus sol­len die Aus­wir­kun­gen der Kunst­stoff­par­ti­kel auf den Men­schen unter­sucht wer­den. „In Modell­sy­ste­men wer­den wir ana­ly­sie­ren, wie Mikro- und Nano­par­ti­kel von mensch­li­chen Zel­len auf­ge­nom­men, inner­halb der Zel­len trans­por­tiert und ins umlie­gen­de Gewe­be wei­ter­ge­ge­ben wer­den. Ein dabei nicht zu unter­schät­zen­der Aspekt sind Umwelt­ein­flüs­se, wel­che die Eigen­schaf­ten der Par­ti­kel ver­än­dern und ihnen so den Weg in die mensch­li­chen Zel­len erleich­tern kön­nen“, sagt Pro­jekt-Mit­ar­bei­te­rin Anja Ram­sper­ger M.Sc.

Die Bay­reu­ther Forscher*innen wer­den nicht nur mit her­kömm­li­chen zwei­di­men­sio­na­len Zell­kul­tu­ren arbei­ten, in denen sich die Zel­len auf einer Glas- oder Kunst­stoff­flä­che ver­meh­ren. Es sol­len neu­ar­ti­ge drei­di­men­sio­na­le Zell­kul­tu­ren und Gewe­be­mo­del­le zum Ein­satz kom­men, die es ermög­li­chen, die Aus­wir­kun­gen der Par­ti­kel – bei­spiels­wei­se im Magen-Darm-Trakt oder in den Atmungs­or­ga­nen – rea­li­täts­ge­treu zu simu­lie­ren. „Mit die­sen For­schungs­tech­ni­ken wer­den wir auch neue Erkennt­nis­se dar­über gewin­nen kön­nen, wie lan­ge die Par­ti­kel im Zell­ge­we­be ver­blei­ben und wel­che mög­li­chen Aus­wir­kun­gen wäh­rend län­ge­rer Zeit­räu­me von ihnen aus­ge­hen kön­nen“, sagt Ramsperger.

Ein neu­es Kon­zept zur Risikobewertung

Die in den kom­men­den Jah­ren gewon­ne­nen Erkennt­nis­se wol­len die an Pla­stics­Fa­tE betei­lig­ten For­schungs­part­ner nut­zen, um ein wis­sen­schaft­lich fun­dier­tes Kon­zept zur Risi­ko­be­wer­tung von Mikro- und Nano­pla­stik in Bezug auf den Men­schen zu ent­wickeln. Die­ses Kon­zept berück­sich­tigt erst­mals umfas­send die wach­sen­de Ver­brei­tung von Mikro- und Nano­pla­stik in der mensch­li­chen Umwelt und die dar­aus resul­tie­ren­den Wege, auf denen sie in den mensch­li­chen Orga­nis­mus gelangen.

„Die For­schungs­er­geb­nis­se sol­len uns in die Lage ver­set­zen, den Ver­ant­wort­li­chen in Poli­tik und Wirt­schaft gut begrün­de­te Hand­lungs­emp­feh­lun­gen zu geben, die zum gesund­heit­li­chen Schutz der Men­schen bei­tra­gen – sowohl inner­halb der EU als auch auf glo­ba­ler Ebe­ne“, betont Laforsch, der an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth auch den DFG-Son­der­for­schungs­be­reich „Mikro­pla­stik“ leitet.

Home­page des EU-For­schungs­ver­bunds PlasticsFatE:

https://​www​.pla​stics​fa​te​.eu/​o​v​e​r​v​iew