Bam­berg-Forch­heim: Pro­test gegen die Cari­tas – ver.di-Aktive für all­ge­mein­ver­bind­li­chen Tarif­ver­trag in der Alten­pfle­ge – „Geht gar nicht!“

ver.di-Protest: Was die Caritas da macht geht gar nicht / Foto: ver.di

ver.di-Protest: Was die Cari­tas da macht geht gar nicht / Foto: ver.di

Bam­berg, den 23.04.21 Beschäf­tig­te aus der pri­va­ten Alten­pfle­ge und ver.di-Aktive aus Bam­berg sind wütend über die Ent­schei­dung der arbeits­recht­li­chen Kom­mis­si­on der Cari­tas, die einem all­ge­mein­ver­bind­li­chen Tarif­ver­trag für die Alten­pfle­ge nicht zuge­stimmt hat. Des­halb haben sie sich am Frei­tag­nach­mit­tag vor der Geschäfts­stel­le der Cari­tas Bam­berg in Gey­ers­wörth getrof­fen und vor dem „schla­fen­den Josef“ ihren Pro­test vor­ge­tra­gen. Um die bibli­sche Erzäh­lung vom „schla­fen­de Josef“ ent­wickel­te sich ein christ­li­cher Brauch, in dem Gläu­bi­ge ihm klei­ne Zet­tel­chen unter­schie­ben, auf denen sie ihre Pro­ble­me und Bit­ten schrei­ben. Der hei­li­ge Josef „schläft dar­über“ und die Bitt­stel­ler fin­den durch ihre Für­bit­te Erhö­rung. Die­se Chan­ce haben ver.di-Aktive genutzt und einen offe­nen Brief an ihn und auch an die Cari­tas adressiert.

Dar­in ver­tre­ten die Gewerk­schaf­ter und Gewerk­schaf­te­rin­nen – nicht nur aus der Alten­pfle­ge, son­dern aus auch aus ande­ren Berei­chen –eine kla­re Mei­nung: „Die Hal­tung von Cari­tas und Dia­ko­nie ist ein Schlag ins Gesicht von hun­dert­tau­sen­den Beschäf­tig­ten in der Alten­pfle­ge, die unter oft schwie­ri­gen Arbeits­be­din­gun­gen mit zu nied­ri­gen Löh­nen eine gesell­schaft­lich unver­zicht­ba­re Arbeit lei­sten“, erklär­te Mar­git Spie­gel, ver.di-Mitglied aus der Alten­pfle­ge. „Dabei spre­chen wir von Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen, deren Ein­kom­men so nied­rig sind, dass sie oft­mals gezwun­gen sind, Zweit­jobs anzu­neh­men, oder Kre­di­te auf­zu­neh­men, wenn mal die Wasch­ma­schi­ne kaputt­geht oder das Auto in die Werk­statt muss. Urlaubs- oder Weih­nachts­geld sind für vie­le ohne­hin ein Fremd­wort. Die von der Kir­che bean­spruch­ten Son­der­rech­te wer­den als ein­zi­ges Argu­ment genannt um Dum­ping­löh­ne in pri­va­ten Pfle­ge­ein­rich­tun­gen zu festi­gen. Statt ihre christ­li­chen Wer­te ernst zu neh­men, stüt­zen Cari­tas und Dia­ko­nie damit Pro­fit­ma­che­rei auf Kosten der Beschäf­tig­ten“, unter­stützt Jan Jae­gers, ver.di-Mitglied und Stu­die­ren­der der Uni­ver­si­tät Bamberg.

Die Gewerk­schaft ver.di hat­te mit der Bun­des­ver­ei­ni­gung der Arbeit­ge­ber in der Pfle­ge­bran­che (BVAP) einen Tarif­ver­trag mit Lohn­stei­ge­run­gen ober­halb des Min­dest­lohn­ni­veaus ver­ein­bart, den der Bun­des­ar­beits­mi­ni­ster für all­ge­mein­ver­bind­lich erklä­ren woll­te. Hier­zu wäre eine Zustim­mung der kirch­li­chen Trä­ger nötig gewesen.

Der Cari­tas­ver­band für die Erz­diö­ze­se Bam­berg unter­hält 800 Ein­rich­tun­gen mit mehr als 12.000 Beschäf­tig­ten – all die­se Beschäf­tig­ten hät­ten von die­sem Tarif­ver­trag pro­fi­tiert. Im Ein­zel­nen sieht der Tarif­ver­trag vor, die Min­dest­stun­den­ent­gel­te für alle Pfle­ge­per­so­nen in der Alten­pfle­ge im Ver­gleich zum aktu­ell gel­ten­den Pfle­ge­min­dest­lohn in vier Schrit­ten – begin­nend ab dem 1. August 2021 – deut­lich zu erhö­hen. Pfle­ge­hel­fe­rin­nen und Pfle­ge­hel­fer erhal­ten dem­nach ab dem 1. August 2021 ein Ent­gelt von min­de­stens 12,40 Euro pro Stun­de, ab dem 1. Janu­ar 2022 min­de­stens 13,80 Euro, ab dem 1. Janu­ar 2023 min­de­stens 14,15 Euro und ab dem 1. Juni 2023 min­de­stens 14,40 Euro. Pfle­ge­hel­fe­rin­nen und Pfle­ge­hel­fer mit min­de­stens ein­jäh­ri­ger Aus­bil­dung bekom­men ab dem 1. August 2021 min­de­stens 13,10 Euro pro Stun­de; ihre Min­dest­stun­den­ent­gel­te erhö­hen sich ab 1. Janu­ar 2022 auf 14,50 Euro, ab 1. Janu­ar 2023 auf 15,00 Euro und ab 1. Juni 2023 auf 15,25 Euro. Die Min­dest­stun­den­ent­gel­te für exami­nier­te Pfle­ge­fach­per­so­nen lie­gen dem­nach ab 1. August 2021 bei 16,10 Euro, ab 1. Janu­ar 2022 bei 17,00 Euro, ab 1. Janu­ar 2023 bei 18,50 Euro und ab 1. Juni 2023 bei 18,75 Euro.

Das ent­spricht einer Stei­ge­rung gegen­über dem bis­he­ri­gen Pfle­ge­min­dest­lohn von ins­ge­samt 25 Pro­zent. Im Juni 2023 wer­den bei einer 39-Stun­den-Woche dann min­de­stens fol­gen­de Monats­ge­häl­ter gezahlt: 2.440,00 Euro für Pfle­ge­hel­fe­rin­nen und Pfle­ge­hel­fer, 2.585,00 Euro für Pfle­ge­hel­fe­rin­nen und Pfle­ge­hel­fer mit min­de­stens ein­jäh­ri­ger Aus­bil­dung und 3.180 Euro für Pfle­ge­fach­per­so­nen. Pfle­ge­per­so­nen in der Alten­pfle­ge haben zudem künf­tig Anspruch auf min­de­stens 28 Urlaubs­ta­ge pro Jahr und ein zusätz­li­ches Urlaubs­geld von min­de­stens 500,00 Euro. Der Tarif­ver­trag regelt Min­dest­be­din­gun­gen in der Alten­pfle­ge; bes­se­re Rege­lun­gen blei­ben davon unbe­rührt und sind auch wei­ter­hin möglich.

„Die Ent­schei­dung der Cari­tas ist mehr als schein­hei­lig. Nied­rig­löh­ne und unzu­rei­chen­de Arbeits­be­din­gun­gen in der Alten­pfle­ge sind nicht län­ger hin­nehm­bar und in Zei­ten der Coro­na-Pan­de­mie beson­ders skan­da­lös. Leid­tra­gen­de sind neben den Beschäf­tig­ten auch die Bewoh­ne­rin­nen und Bewoh­ner der Alten­pfle­ge­ein­rich­tun­gen. Daher wer­den wir auch wei­ter­hin für eine bes­se­re Bezah­lung, ver­bind­li­che Vor­ga­ben für genug Per­so­nal und eine soli­da­ri­sche Pfle­ge­ga­ran­tie ein­tre­ten,“ fügt ver.di Gewerk­schafts­se­kre­tä­rin Mag­da­le­ne Wal­deck hinzu.

Neben der Gewerk­schaft und der Initia­ti­ve „Gesund­heit statt Pro­fit“ unter­stüt­zen auch soli­da­ri­sche Beschäf­tig­te der Cari­tas bun­des­weit den Pro­test der Altenpflegekräfte.