Inter­view mit Kulm­ba­cher Land­rat Klaus Peter Söll­ner zur Corona-Situation

Landrat Klaus Peter Söllner. Foto: LRA Kulmbach

Die Inzi­denz im Land­kreis Kulm­bach bleibt wei­ter­hin hoch. Vie­le Bür­ger machen sich Sor­gen und haben Fra­gen. Land­rat Klaus Peter Söll­ner hat eini­ge die­ser Fra­gen­auf­ge­grif­fen und gibt Antworten:

Der Land­kreis Kulm­bach, aber auch ver­schie­de­ne Kom­mu­nal­po­li­ti­ker, haben sich inzwi­schen dar­um bewor­ben, dass die Regi­on Kulm­bach den Zuschlag für ein modell­haf­tes Öff­nungs­kon­zept nach Tübin­ger Vor­bild erhält. Wie ist dazu der aktu­el­le Stand?

Wir haben Inter­es­se bekun­det, weil wir schon vie­le Vor­ar­bei­ten gelei­stet haben mit unse­rer extrem hohen Test­fre­quenz und mit unse­ren Schnell­test­zen­tren. Die­se Inter­es­sen­be­kun­dung geschah im Übri­gen zu einer Zeit, als unse­re Inzi­denz-Wer­te auf unter 250 gesun­ken waren! Übri­gens haben sich weit mehr als 80 von 96 Gebiets­kör­per­schaf­ten in Bay­ern für die­ses Modell­pro­jekt inter­es­siert. Der Grund dafür ist klar: Die Men­schen sind inzwi­schen fru­striert von einem mona­te­lan­gen Lock­down. Bei allem Ver­ständ­nis für die Regeln: Es muss Ansät­ze geben, wann den Men­schen wie­der Per­spek­ti­ven gebo­ten wer­den. Aber ich muss auch klar sagen: In der jet­zi­gen aktu­el­len Situa­ti­on, wie wir sie im Land­kreis Kulm­bach haben, kön­nen wir nicht öffnen.

Nun hat aber am Don­ners­tag der Baye­ri­sche Ver­wal­tungs­ge­richts­hof ent­schie­den, dass Schuh­ge­schäf­te ab sofort wie­der öff­nen dür­fen. Wie passt das zusammen?

Das Urteil ist schon nach­voll­zieh­bar. Das Gericht hat gesagt, der Schuh­han­del kön­ne eine Par­al­le­le zu Bau­märk­ten zie­hen. Ich wür­de das nicht als Fehl­ur­teil bezeich­nen. Das steht mir erstens nicht zu, und zwei­tens gibt es nach­voll­zieh­ba­re Grün­de. Aller­dings fra­ge ich mich natür­lich, wie ich das dem klei­nen Ein­zel­händ­ler erklä­ren soll, der sei­nen Laden wei­ter geschlos­sen hal­ten muss. Die Klei­nen haben da das Nach­se­hen. Des­we­gen ist es mir ja so wich­tig, Per­spek­ti­ven anbie­ten zu kön­nen. Dass wir momen­tan im Land­kreis Kulm­bach nicht in der kon­kre­ten Situa­ti­on sind, Öff­nun­gen zu ermög­li­chen, das weiß ich natür­lich auch.

Wie kann man sol­che Per­spek­ti­ven entwickeln?

Unser gesam­tes System, was geht und was nicht, was wird gelockert, was geöff­net und was nicht, ist aus­schließ­lich über die Inzi­denz gesteu­ert. So lan­ge die Inzi­denz der allei­ni­ge Maß­stab ist, müs­sen wir damit zurecht­kom­men. Aber da gäbe es auch ande­re Ansät­ze. Dar­über wird auch bereits dis­ku­tiert. Nur: System­än­de­run­gen wer­den nicht im Land­kreis Kulm­bach ent­wickelt und auch nicht hier beschlos­sen. Das geschieht lan­des- oder bundesweit.

Der Land­kreis macht die Regeln nicht, trotz­dem lan­det viel Unmut der Bür­ger im Land­rats­amt und bei den Ver­ant­wort­li­chen. Wie gehen Sie mit die­ser Kri­tik um?

Ich habe gro­ßes Ver­ständ­nis für die Men­schen, beson­ders auch für die Inha­ber klei­ner Geschäf­te. Ob das jetzt Händ­ler sind oder Gastro­no­men: Sie alle sind seit einem Jahr in einer ganz schwie­ri­gen Situa­ti­on. Aber ich sage es auch ganz deut­lich: Das ist nicht die Pan­de­mie der Dr. Came­lia Fied­ler, das ist nicht die Pan­de­mie der Kath­rin Lim­mer und des Oli­ver Hem­pf­ling, auch nicht mei­ne übri­gens. Es han­delt sich um eine Natur­ka­ta­stro­phe rie­si­gen Aus­ma­ßes. Die­se kön­nen wir nur alle gemein­sam bekämp­fen. Mein Amt tut dafür alles Men­schen­mög­li­che. Dane­ben ist aber jeder für sich selbst und sein Umfeld ver­ant­wort­lich! Dies soll­ten auch jede beden­ken, die zu simp­len Über­le­gun­gen nei­gen. Oft sind die Din­ge eben kom­plex und schwierig!

Es ärgert mich aller­dings, wenn mei­ne Leu­te, auf die ich super­stolz bin, weil sie über­ra­gen­de Arbeit lei­sten, zu Unrecht ange­gan­gen wer­den. Dafür habe ich über­haupt kein Ver­ständ­nis. Im Janu­ar gab es einen Shits­torm, als wir die Kon­takt­re­geln zusätz­lich ver­schärft haben. Wenn da Gren­zen über­schrit­ten wer­den, muss man auch über­le­gen, recht­li­che Schrit­te zu ergrei­fen. Lei­der geht es in allen Land­krei­sen so, dass Kri­tik immer lau­ter und lei­der auch immer unqua­li­fi­zier­ter wird

Was kann der Land­kreis denn beein­flus­sen, wenn es um Coro­na und die Regeln geht?

Wir haben mit unse­rem Gesund­heits­amt die Auf­ga­be des Infek­ti­ons­schut­zes. Das ist uns per Gesetz auf­ge­ge­ben. Und wir sind für das Imp­fen ver­ant­wort­lich, aber nicht dafür, wie vie­le Impf­do­sen wir bekom­men. Gleich­wohl bemü­hen wir uns regel­mä­ßig um Son­der­ra­tio­nen. Unser Gesund­heits­amt lei­stet her­vor­ra­gen­de Arbeit. Wir tun alles, um dem Infek­ti­ons­ge­sche­hen nach­zu­kom­men. Das gelingt auch. Unse­re Kon­takt­nach­ver­fol­gung ist in allen Fäl­len tages­ak­tu­ell. Sowohl was das Testen

angeht als auch beim Imp­fen haben wir im Land­kreis Kulm­bach her­aus­ra­gen­de Wer­te. Allei­ne rund 31.000 Abstri­che haben wir seit dem ver­gan­ge­nen Sep­tem­ber gemacht, seit Mit­te Febru­ar waren es rund 10.000. Hin­zu kom­men Tau­sen­de von Schnell­tests. In 37 Ein­rich­tun­gen und Betrie­ben haben wir in den ver­gan­ge­nen Wochen Rei­hen­te­stun­gen gemacht. Auch mit den Schnell­tests haben wir in Kulm­bach sehr früh begon­nen, wir waren auch unter den Ersten, die die Selbst­tests an die Schu­len her­aus­ge­ge­ben haben. Sicher beach­tens­wert ist auch unse­re Akti­on, klei­ne und gro­ße Betrie­be dabei zu unter­stüt­zen, eige­ne Test­kon­zep­te zu eta­blie­ren. Der Land­kreis schiebt das nicht nur durch Bera­tung und Beglei­tung, son­dern auch mit der kosten­lo­sen Lie­fe­rung der ersten Schnell­tests an.

Für die Kon­trol­len der Coro­na-Regeln ist die Poli­zei zustän­dig, für die Ord­nungs­gel­der das Land­rats­amt. Wie sieht es denn in die­sem Bereich aus?

Die Anord­nun­gen der Qua­ran­tä­ne wer­den im Land­kreis Kulm­bach zum größ­ten Teil befolgt. Es gibt aber auch Miss­ach­tun­gen. Die­se Fäl­le wer­den ver­folgt und geahn­det. Unser Gesund­heits­amt schickt bei Hin­wei­sen auf Qua­ran­tän­ever­stö­ße die Poli­zei im Rah­men der Amts­hil­fe los. Aber eins muss auch klar sein: Wir kön­nen nicht immer flä­chen­deckend kon­trol­lie­ren. Wir sind immer in engem Kon­takt mit der Poli­zei und wei­sen die­se auf Mel­dun­gen hin, die bei uns im Amt ein­ge­hen. Die Poli­zei kon­trol­liert zum Bei­spiel in Super­märk­ten punk­tu­ell, ob die Ein­gangs­kon­trol­len ein­ge­hal­ten wer­den. Auch gro­ße Bau­stel­len sind schon unan­ge­kün­digt kon­trol­liert wor­den. Hier arbei­ten wir eng mit dem Gewer­be­auf­sichts­amt zusam­men. Wegen der hohen Inzi­denz im Land­kreis Kulm­bach wird bei­spiels­wei­se die Kulm­ba­cher Inspek­ti­on auch von der Bereit­schafts­po­li­zei für Schwer­punkt­kon­trol­len zum The­ma Coro­na unter­stützt. Dazu wur­de uns jetzt ange­kün­digt, dass aus die­sen Kon­trol­len dem­nächst eine gan­ze Rei­he von Mas­ken­ver­stö­ßen in der Kulm­ba­cher Innen­stadt zur wei­te­ren Bear­bei­tun­gen bei uns ein­ge­hen wer­den. Aktu­ell sind das allein aus den zehn Tagen rund 80. Hin­zu kom­men noch­mals fast 130 Anzei­gen, die aus der Kon­trol­le von Betrie­ben resul­tie­ren. Und natür­lich haben wir in den ver­gan­ge­nen Wochen und Mona­ten schon Ord­nungs­gel­der ver­hängt und wer­den das auch wei­ter zeit­nah tun. Ver­stö­ße gegen Coro­na-Regeln sind kei­ne Kavaliersdelikte.

Gibt es eine Emp­feh­lung, die Sie der Kulm­ba­cher Bevöl­ke­rung gera­de jetzt an Ostern aus­spre­chen möchten?

Nach­dem Kin­der und Jugend­li­che mitt­ler­wei­le sehr stark das Virus ver­brei­ten, möch­te ich alle bit­ten, dass zumin­dest die Erwach­se­nen beim Oster­aus­flug oder beim Besuch von Spiel­plät­zen ihre Mas­ken tra­gen. Das ist das A und O. Ganz wich­tig ist es auch, die Schnell­test­zen­tren zu nut­zen. Wer Per­spek­ti­ven will, muss sich ange­wöh­nen, zum Bei­spiel vor einem Besuch bei Ver­wand­ten einen Schnell­test zu machen.

Das The­ma Imp­fen steht auch im Land­kreis Kulm­bach gera­de im Mit­tel­punkt. Wie ist der aktu­el­le Stand? Wie geht’s über Ostern weiter?

Unse­re Impf­quo­te mit fast 16 Pro­zent, die wir jetzt an Ostern errei­chen wer­den, dürf­ten wir bay­ern­weit unter den Top Five sein. Klar ist, dass der Impf­pro­zess auch an Ostern nicht ins Stocken gera­ten darf. Wir haben am Kar­frei­tag Imp­fun­gen dis­po­niert. Am Sams­tag wird es einen Groß­ein­satz geben. Mehr als 600 Imp­fun­gen wer­den wir an die­sem Tag ver­ab­rei­chen. Damit wären unse­re vor­han­de­nen Impf­stoff­ka­pa­zi­tä­ten erschöpft gewe­sen. Wir woll­ten unser Impf­zen­trum aber nicht zwei Tage schlie­ßen. Durch inten­si­ve Bemü­hun­gen ist es uns gelun­gen, kurz­fri­stig wei­te­re Impf­do­sen für einen außer­plan­mä­ßi­gen Impf­slot am Oster­mon­tag zu bekom­men. Wir sind vom Frei­staat Bay­ern in den ver­gan­ge­nen Wochen schon immer wie­der mit Son­der­ra­tio­nen belie­fert wor­den. Jetzt haben wir für den Sams­tag so viel Impf­stoff erhal­ten, dass wir am Mon­tag noch­mal auf­ma­chen kön­nen. Hier­für sind wir sehr dank­bar, wenn­gleich das natür­lich für mei­ne Mit­ar­bei­ter mit unse­rer Dr. Fied­ler an der Spit­ze, eine Son­der­schicht am Oster­fei­er­tag bedeutet.

Wie ist die Lage am Kulm­ba­cher Klinikum?

Ganz ehr­lich: Da hat­ten wir schon ein­fa­che­re Situa­tio­nen. Über vie­le Wochen haben wir ande­ren Regio­nen gehol­fen und von dort Coro­na-Pati­en­ten auf­ge­nom­men. Wir hat­ten schon Situa­tio­nen, wo mehr als die Hälf­te der in Kulm­bach behan­del­ten Coro­na-Pati­en­ten von außer­halb unse­res Land­krei­ses kamen. Jetzt, in einer Zeit mit einer hohen Bela­stung, sehen wir, dass ande­re uns hel­fen. Zwölf Pati­en­ten aus unse­rem Land­kreis lie­gen der­zeit wegen einer Covid-Erkran­kung in benach­bar­ten Kli­ni­ken. Die Soli­da­ri­tät unter den Kli­ni­ken funk­tio­niert sehr gut.

Trau­en Sie sich eine Pro­gno­se zu? Wie wird sich das Infek­ti­ons­ge­sche­hen im Land­kreis Kulm­bach weiterentwickeln?

Ich erwar­te, dass wir bis zum Ende der Oster­fe­ri­en wie­der deut­lich unter 300 sind. Das geht aber nur mit Hil­fe der Bevöl­ke­rung. Lei­der gehen die Zah­len ins­ge­samt in ganz Bay­ern und Deutsch­land gra­vie­rend in die Höhe. Das wird eine schwie­ri­ge Zeit. Nicht nur für uns. Ich schaue mal nach Frank­reich. Dort wur­de gera­de wie­der ein tota­ler Lock­down ver­hängt. Dort, wo die Mutan­te ein­schlägt, wer­den wir explo­si­ons­ar­ti­ge Zah­len erle­ben. Wir in Kulm­bach waren lei­der einer der ersten Land­krei­se, in den die Mutan­te auf­grund der Nähe zur Gren­ze ein­ge­schleppt wor­den ist. Die­sem Schick­sal müs­sen wir uns aber nicht kampf­los erge­ben. Mit viel Dis­zi­plin und Acht­sam­keit kön­nen wir uns gemein­sam dage­gen­stem­men. Dann kom­men auch wie­der bes­se­re Zeiten.

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