Aus der Forch­hei­mer Leser­post: „Der unsicht­ba­re Skandal“

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Klaus Holet­schek kün­dig­te am 9.3.21 für Ende des Monats „viel­leicht“ Locke­run­gen in Alten­hei­men an: Mehr Besuch und Grup­pen­an­ge­bo­te, damit Pfle­ge­be­dürf­ti­ge „nicht mehr iso­liert in ihren Zim­mern sit­zen müs­sen“. Ich fra­ge mich ernst­haft, ob es tat­säch­lich Pfle­ge­heim­be­woh­ner gibt, die über län­ge­re Zeit iso­liert in ihren Zim­mern sit­zen! Dann wäre das staat­lich ver­ant­wor­te­te Unmensch­lich­keit und Ver­ant­wor­tungs­lo­sig­keit!. Die mei­sten von ihnen sind inzwi­schen durch­ge­impft, in ein­zel­nen Pfle­ge­hei­men sogar schon seit Ende Janu­ar! Wor­auf war­ten wir eigent­lich noch??? Laut baye­ri­schem Gesund­heits­mi­ni­ste­ri­um vom 25.2.21 solan­ge, bis wir wis­sen, wie lan­ge die Imp­fung Immu­ni­tät garan­tiert (wird natur­ge­mäß noch sehr lan­ge dau­ern, zum jet­zi­gen Zeit­punkt aber wirkt der Impf­schutz ja auf jeden Fall), bis alle Bewoh­ner aus­nahms­los geimpft sind (wird ver­mut­lich nie der Fall sein) und bis man sicher weiß, ob Geimpf­te noch ansteckend sein kön­nen (wen, bit­te, sol­len sie denn anstecken, der die­ses Risi­ko nicht ohne­hin hät­te?). Des Wei­te­ren wird das das Risi­ko durch die Mutan­ten ange­führt, das es ver­mut­lich in Zukunft immer geben wird.Müssen Pfle­ge­be­dürf­ti­ge wirk­lich auf all das war­ten, um einen hun­dert­pro­zen­ti­gen Schutz zu haben? Hat­ten sie das denn jemals vor­her bei ande­ren Infektionskrankheiten?

Die über­aus deut­li­chen Wor­te des Ethik­rats vom 4.2.21 und die wie­der­keh­ren­den Auf­for­de­run­gen der Inter­es­sen­ver­tre­tun­gen von Pfle­ge­be­dürf­ti­gen, die Rech­te der Pfle­ge­be­dürf­ti­gen wenig­stens wie­der denen der rest­li­chen Bevöl­ke­rung anzu­glei­chen und wie­der ein men­schen­wür­di­ges Leben zu ermög­li­chen, wer­den schlicht­weg ignoriert.

Unse­re Pfle­ge­be­dürf­ti­gen wer­den regel­recht zu Tode beschützt. Heim­lei­tun­gen und Pfle­ge­kräf­te füh­len sich über­for­dert, allein­ge­las­sen und stark ver­un­si­chert, die Fol­gen auf allen Sei­ten sind deut­lich wahr­zu­neh­men. Die Agen­da scheint zu lau­ten: „Haupt­sa­che, es stirbt kei­ner an Coro­na!“ Zugun­sten des „Gesund­heits­schut­zes“ in Kauf zu neh­men, dass Men­schen durch haft­ähn­li­che Iso­la­ti­on und von ihren Ange­hö­ri­gen zwangs­ver­nach­läs­sigt ster­ben, ist an Zynis­mus kaum zu überbieten.

Ich schä­me mich wirk­lich für die­ses Ver­hal­ten unse­res Rechts­staats, der u.a.das Lei­den der­je­ni­ger, die uns allen ins Leben gehol­fen haben, so gna­den­los aus­sitzt und die Rück­ga­be der recht­lich ver­an­ker­ten Grund­rech­te und somit der Lebens­qua­li­tät ver­wei­gert. Die heim­li­che Behör­den­ma­xi­me „Wer nichts macht, macht auch nichts falsch!“ stiehlt den Betrof­fe­nen und ihren Ange­hö­ri­gen die kost­ba­re letz­te, begrenz­te Lebens­zeit. Die recht­li­che Ein­ord­nung, die viel­leicht irgend­wann nach Coro­na ein­mal statt­fin­den wird, nützt den mei­sten von ihnen nichts mehr.

Was viel­leicht oft ver­ges­sen wird: Unse­re Kin­der schau­en sich sehr genau an, wie wir mit die­sen Men­schen umge­hen. Sie sehen auch die schick­sal­haf­te Erge­ben­heit, mit der Ange­hö­ri­ge sich in die Situa­ti­on fügen. Sie ler­nen, dass Angst vor Schuld­zu­wei­sun­gen, Macht- und Kon­troll­ver­lust Wer­te wie Lie­be, Für­sor­ge und Wür­de außer Kraft set­zen. Wie möch­ten wir denn, dass man mit uns umgeht, wenn wir pfle­ge­be­dürf­tig wer­den? Des­halb bit­te ich alle Ange­hö­ri­gen und Ver­ant­wor­tungs­trä­ger: Schaut hin! Mit­ten unter uns geschieht haar­sträu­ben­des Unrecht! Steht auf und helft den Schwäch­sten in unse­rer Gesell­schaft! Ver­netzt euch! Macht Druck auf poli­ti­sche Ver­ant­wor­tungs­trä­ger auf allen Ebe­nen, denn genau das schützt und stärkt unse­re Demo­kra­tie und das Kli­ma in unse­rer Gesellschaft!

Ker­stin Hüm­mer, Forchheim