Bam­ber­ger LIf­Bi-Insti­tut: Wie Coro­na zu einer neu­en digi­ta­len Spal­tung in der Arbeits­welt beiträgt

Symbolbild Videokonferenz

Wer pro­fi­tiert vom Digitalisierungsschub?

Video­mee­tings, Team­ar­beits­platt­for­men und vir­tu­el­le Kon­fe­ren­zen sind spä­te­stens seit dem Früh­jahr 2020 aus dem pan­de­mi­schen Arbeits­le­ben nicht mehr weg­zu­den­ken. Die Nut­zung die­ser ver­netz­ten digi­ta­len Tech­no­lo­gien ist für vie­le Arbeit­neh­me­rin­nen und Arbeit­neh­mer inzwi­schen selbst­ver­ständ­li­cher Teil ihres Arbeits­all­tags. Aktu­el­le Aus­wer­tun­gen der Coro­na-Zusatz­be­fra­gung im Natio­na­len Bil­dungs­pa­nel (NEPS) geben nun Auf­schluss dar­über, wel­che Berufs- und Bil­dungs­grup­pen digi­ta­le Tech­no­lo­gien im ersten Lock­down häu­fi­ger als vor der Pan­de­mie genutzt haben. Die Daten zei­gen aber auch, dass der pan­de­mie­be­ding­te Digi­ta­li­sie­rungs­schub nicht alle Beschäf­tig­ten erreicht hat und sogar zu einer neu­en digi­ta­len Spal­tung der Erwerbs­be­völ­ke­rung bei­trägt, die lan­ge über die Pan­de­mie hin­aus Bestand haben könn­te. Hier gilt es, jetzt Steue­rungs­maß­nah­men zu ergrei­fen, for­dern die Autorin­nen und Autoren des Berichts.

Coro­na hat der Digi­ta­li­sie­rung in Deutsch­land einen Schub beschert. Die Hälf­te der fast 1.800 in der NEPS-Zusatz­er­he­bung befrag­ten Erwerbs­tä­ti­gen gab an, in den ersten zwei Mona­ten der Pan­de­mie ver­netz­te digi­ta­le Tech­no­lo­gien beruf­lich häu­fi­ger als zuvor genutzt zu haben. Wel­che Beschäf­tig­ten­grup­pen kon­kret einen Digi­ta­li­sie­rungs­schub erlebt haben und wel­che Rol­le das Bil­dungs­ni­veau und Tätig­keits­pro­fi­le dabei spie­len, wur­de mit den NEPS-Daten nun detail­liert untersucht.

Die Tätig­keit ist entscheidend

Mehr als die Hälf­te der Befrag­ten mit Hoch­schul­ab­schluss berich­te­te, dass sie digi­ta­le Tech­no­lo­gien mit Beginn der Pan­de­mie stär­ker genutzt hat. Wich­ti­ger als der for­ma­le Bil­dungs­grad sind jedoch die Tätig­kei­ten der Beschäf­tig­ten. Hier zeigt sich, dass die Sche­re wei­ter aus­ein­an­der­geht: Men­schen mit stark ana­ly­ti­schen Tätig­kei­ten im Job, für die Schrei­ben, Lesen, Rech­nen und IT-Kennt­nis­se hoch rele­vant sind, sowie Men­schen mit stark inter­ak­ti­ven Tätig­kei­ten im Job und hohem Kun­den­kon­takt erfuh­ren einen deut­li­chen Digi­ta­li­sie­rungs­schub am Arbeits­platz. Sie berich­te­ten zu 70 bzw. 63 Pro­zent, digi­ta­le Tech­no­lo­gien stär­ker als zuvor zu nut­zen. Wer hin­ge­gen vor allem manu­el­len Tätig­kei­ten nach­geht, erleb­te sel­te­ner eine Ver­stär­kung und manch­mal sogar einen Rück­gang der Technologienutzung.

Wer zuhau­se arbei­tet und hoch­qua­li­fi­ziert ist, wird digitaler

Den gra­vie­rend­sten Unter­schied fan­den die Wis­sen­schaft­le­rin­nen und Wis­sen­schaft­ler im Zusam­men­hang mit der Ver­la­ge­rung des Arbeits­or­tes ins Home­of­fice. Wäh­rend 73 Pro­zent der im Home­of­fice Täti­gen von einer Zunah­me berich­te­ten, liegt der Anteil unter den­je­ni­gen, die ihren Arbeits­platz nicht in die eige­nen vier Wän­de ver­la­gern konn­ten, bei nur 38 Pro­zent. Aus einer frü­he­ren Aus­wer­tung (–> Trans­fer­be­richt 2) ist bekannt, dass es vor allem hoch­qua­li­fi­zier­te Arbeit­neh­men­de sind, die ins Home­of­fice wech­seln. Und die­se Grup­pe pro­fi­tiert vom pan­de­mi­schen Digi­ta­li­sie­rungs­schub auch am stärksten.

Digi­ta­li­sie­rungs­schub muss alle erreichen

„Die­se neue digi­ta­le Spal­tung der Erwerbs­be­völ­ke­rung dürf­te sich seit dem Früh­jahr 2020 noch wei­ter ver­schärft haben“, so Prof. Dr. Corin­na Klei­nert, eine der Autorin­nen des Berichts. Sie forscht am Leib­niz-Insti­tut für Bil­dungs­ver­läu­fe (LIf­Bi) und ist Pro­fes­so­rin für Sozio­lo­gie mit dem Schwer­punkt längs­schnitt­li­che Bil­dungs­for­schung an der Uni­ver­si­tät Bam­berg. „Ver­netz­te Tech­no­lo­gien wer­den zuneh­mend auch für die beruf­li­che Wei­ter­bil­dung genutzt. Wir gehen davon aus, dass der kom­pe­ten­te Umgang mit die­sen neu­en Arbeits­werk­zeu­gen künf­tig eine wach­sen­de Bedeu­tung hat und bestimm­te Beschäf­tig­ten­grup­pen ins Hin­ter­tref­fen gera­ten. Der durch die Coro­na-Kri­se aus­ge­lö­ste Digi­ta­li­sie­rungs­schub muss so gesteu­ert wer­den, dass mög­lichst vie­le Beschäf­tig­te davon pro­fi­tie­ren – eine grö­ße­re Aus­schöp­fung der Home­of­fice-Poten­tia­le könn­te zu einer Ver­rin­ge­rung der digi­ta­len Spal­tung bei­tra­gen“, so Klei­nert weiter.

Alle Ergeb­nis­se der Aus­wer­tung fin­den sich im voll­stän­di­gen Bericht „Für wen brach­te Coro­na einen Digi­ta­li­sie­rungs­schub?“, der auf www​.lif​bi​.de/​C​o​r​ona mit wei­te­ren Hin­ter­grund­in­for­ma­tio­nen zum Down­load bereit steht.

Über das NEPS dund die Zusatzbefragung

Das Natio­na­le Bil­dungs­pa­nel (NEPS), das am Leib­niz-Insti­tut für Bil­dungs­ver­läu­fe (LIf­Bi) in Bam­berg behei­ma­tet ist, besteht aus sechs gro­ßen Teil­stu­di­en, den soge­nann­ten Start­ko­hor­ten. Die­se umfas­sen ins­ge­samt mehr als 60.000 gete­ste­te und befrag­te Per­so­nen von der Geburt über Aus­bil­dungs- und Erwerbs­pha­se bis hin­ein in die Nach­er­werbs­pha­se sowie 40.000 zusätz­lich befrag­te Per­so­nen aus deren Umfeld, etwa Eltern und päd­ago­gi­sches Fach­per­so­nal. Die Stich­pro­ben der Start­ko­hor­ten wur­den reprä­sen­ta­tiv für ganz Deutsch­land gezo­gen. Die so erho­be­nen Daten wer­den anony­mi­siert und Bil­dungs­for­schen­den welt­weit zugäng­lich gemacht.

Das NEPS wird getra­gen von einem inter­dis­zi­pli­när zusam­men­ge­setz­ten, deutsch­land­wei­ten Exzel­lenz­netz­werk, in dem zwölf renom­mier­te For­schungs­in­sti­tu­te zusam­men­ar­bei­ten. Gelei­tet wird das NEPS von Prof. Dr. Cor­du­la Artelt vom Leib­niz-Insti­tut für Bil­dungs­ver­läu­fe in Bamberg.

Durch die Zusatz­be­fra­gung im Mai und Juni 2020 wur­den die aktu­el­len Erleb­nis­se und Ein­drücke der NEPS-Teil­neh­men­den in der Zeit zwi­schen dem Beginn der Beschrän­kun­gen und den ersten Locke­run­gen wäh­rend der Coro­na-Kri­se ermit­telt und so gemein­sam mit den ande­ren Längs­schnitts­da­ten des NEPS für die Bil­dungs­for­schung nutz­bar gemacht. Die Daten wur­den gewich­tet und post­stra­ti­fi­ziert, um Ver­zer­run­gen in der Stich­pro­be auszugleichen.

In den Zusatz­er­he­bun­gen wur­den vier gro­ße The­men­be­rei­che des Lebens­all­tags abge­fragt: aktu­el­le Erwerbs­si­tua­ti­on, All­tag und Ler­nen, Ver­trau­en in Poli­tik und Gesell­schaft sowie Gesund­heit und Wohl­be­fin­den. Die so erho­be­nen Daten las­sen sich her­an­zie­hen, um ein dif­fe­ren­zier­tes Bild der Coro­na-Aus­wir­kun­gen auf die Bil­dungs­bio­gra­fien der Befrag­ten zu erhalten.


Über das Leib­niz-Insti­tut für Bil­dungs­ver­läu­fe (LIf­Bi)

Das Leib­niz-Insti­tut für Bil­dungs­ver­läu­fe (LIf­Bi) an der Otto-Fried­rich-Uni­ver­si­tät Bam­berg unter­sucht Bil­dungs­pro­zes­se von der Geburt bis ins hohe Erwach­se­nen­al­ter. Um die bil­dungs­wis­sen­schaft­li­che Längs­schnitt­for­schung in Deutsch­land zu för­dern, stellt das LIf­Bi grund­le­gen­de, über­re­gio­nal und inter­na­tio­nal bedeut­sa­me, for­schungs­ba­sier­te Infra­struk­tu­ren für die empi­ri­sche Bil­dungs­for­schung zur Verfügung.

Kern des Insti­tuts ist das Natio­na­le Bil­dungs­pa­nel (NEPS), das am LIf­Bi behei­ma­tet ist und die Exper­ti­se eines deutsch­land­wei­ten, inter­dis­zi­pli­nä­ren Exzel­lenz­netz­werks ver­eint. Wei­te­re Groß­pro­jek­te, an denen das LIf­Bi betei­ligt oder füh­rend ist, sind die Geflüch­te­ten­stu­die ReGES, das schul­be­zo­ge­ne Inklu­si­ons­pro­jekt INSI­DE, die För­der­stu­die für benach­tei­lig­te Kin­der und Fami­li­en BRI­SE oder die regio­na­le Stu­die zu Bil­dung in Ober­fran­ken BiLO.

Grund­la­ge dafür sind die eige­nen For­schungs- und Ent­wick­lungs­ar­bei­ten, ins­be­son­de­re die fun­dier­te Instru­men­ten- und Metho­den­ent­wick­lung für längs­schnitt­li­che Bil­dungs­stu­di­en, von der auch ande­re Infra­struk­tur­ein­rich­tun­gen und ‑pro­jek­te profitieren.