Poli­tik­wis­sen­schaft­li­ches For­schungs­team der Uni­ver­si­tät Bam­berg hat Nut­zen und Trans­pa­renz infor­mel­ler Tref­fen untersucht

Symbolbild Bildung

Wie die EU effi­zi­en­te Ent­schei­dun­gen trifft – auch in der Pandemie

Poli­ti­ke­rin­nen und Poli­ti­ker der Euro­päi­schen Uni­on (EU) dis­ku­tie­ren poli­tisch auf­ge­la­de­ne The­men wie die Coro­na-Pan­de­mie lie­ber in infor­mel­len Tref­fen. Das ist ein zen­tra­les Ergeb­nis der poli­tik­wis­sen­schaft­li­chen Stu­die „Demo­kra­ti­sche Legi­ti­mi­tät in der EU: Die ‚Black­box‘ der infor­mel­len Tri­lo­ge“. Ein euro­päi­sches For­schungs­team hat sei­ne Ergeb­nis­se im Janu­ar 2021 im „Jour­nal of Euro­pean Public Poli­cy“ ver­öf­fent­licht, einem Fach­ma­ga­zin für euro­päi­sche Politik.

Ver­trau­li­che Gesprä­che für effi­zi­en­te­re Entscheidungen

„In der Covid-19-Pan­de­mie gab es vie­le soge­nann­te Tri­lo­ge: In infor­mel­len Gesprä­chen hat die EU etwa über einen Wie­der­auf­bau­fonds dis­ku­tiert, der stark geschä­dig­te Wirt­schafts­be­rei­che mit ins­ge­samt bis zu 500 Mil­li­ar­den Euro unter­stüt­zen soll“, nennt die Poli­tik­wis­sen­schaft­le­rin Prof. Dr. Ari­ad­na Ripoll Ser­vent von der Uni­ver­si­tät Bam­berg ein Bei­spiel. Sie hat das For­schungs­pro­jekt gemein­sam mit Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen aus den Nie­der­lan­den, Schott­land und Däne­mark durchgeführt.

Tri­lo­ge, also per­sön­li­che und ver­trau­li­che Ver­hand­lun­gen, fin­den in der EU häu­fig statt. Für gewöhn­lich neh­men etwa 50 bis 100 Per­so­nen an einem Gespräch teil. Es han­delt sich um ein Gespräch zwi­schen den drei gesetz­ge­ben­den Insti­tu­tio­nen der EU: dem Rat der Euro­päi­schen Uni­on, der Euro­päi­schen Kom­mis­si­on und dem Euro­päi­schen Par­la­ment. Bericht­erstat­te­rin­nen und ‑erstat­ter, soge­nann­te „shadow rap­por­teurs“, infor­mie­ren die nicht teil­neh­men­den Abge­ord­ne­ten in einer öffent­li­chen Sit­zung über die Ver­hand­lun­gen. Wozu die­nen Tri­lo­ge? „In der EU müs­sen sehr unter­schied­li­che – zum Teil auch euro­skep­ti­sche – Par­tei­en Kom­pro­mis­se fin­den“, sagt Ari­ad­na Ripoll Ser­vent. „Infor­mel­le Gesprä­che in einer ver­trau­ens­vol­len Atmo­sphä­re sind nütz­lich, um effi­zi­ent Ent­schei­dun­gen zu treffen.“

Das For­schungs­team zieht drei wesent­li­che Schluss­fol­ge­run­gen aus der Studie:

Die For­schen­den inter­pre­tie­ren Tri­lo­ge als „poli­ti­sier­te Diplo­ma­tie“. Der Rat der Euro­päi­schen Uni­on und das Euro­päi­sche Par­la­ment sehen infor­mel­le Tref­fen als not­wen­di­gen Denk­raum, um poli­tisch auf­ge­la­de­ne The­men zu bespre­chen – ohne Druck von außen.
Ins­be­son­de­re euro­skep­ti­sche und radi­ka­le Par­tei­en kri­ti­sie­ren, dass sie durch Tri­lo­ge von der Gesetz­ge­bung aus­ge­schlos­sen wer­den. Die Stu­die zeigt aber, dass es im Hin­ter­grund infor­mel­le Netz­wer­ke und Koope­ra­tio­nen zwi­schen Main­stream- und Nicht-Main­stream-Par­tei­en gibt, die Ver­hand­lun­gen beein­flus­sen können.

Die Pro­zes­se im Euro­päi­schen Par­la­ment und im Rat der Euro­päi­schen Uni­on sind laut der Stu­die für die Öffent­lich­keit kaum trans­pa­rent. Statt Trans­pa­renz ist Durch­läs­sig­keit zur Regel gewor­den: Zivil­ge­sell­schaft­li­che Orga­ni­sa­tio­nen betei­li­gen sich an den poli­ti­schen Ent­schei­dun­gen, indem sie sich Infor­ma­tio­nen über Tri­log-Ver­hand­lun­gen verschaffen.

Für die Stu­die führ­ten die Pro­jekt­be­tei­lig­ten rund 200 Inter­views mit Akteu­rin­nen und Akteu­ren aus den EU-Insti­tu­tio­nen sowie der Zivil­ge­sell­schaft und ana­ly­sier­ten 150 Online-Über­tra­gun­gen von Aus­schuss­be­spre­chun­gen des Euro­päi­schen Par­la­ments. Die wis­sen­schaft­li­che Mit­ar­bei­te­rin Lara Pan­ning von der Uni­ver­si­tät Bam­berg nahm als Beob­ach­te­rin an Tri­lo­gen teil. Außer­dem ana­ly­sier­te das Team Doku­men­te, unter ande­rem die Geset­zes­än­de­run­gen des Euro­päi­schen Par­la­ments. Das For­schungs­pro­jekt dau­er­te von 2016 bis 2020. Die Uni­ver­si­tät Bam­berg wur­de von der Deut­schen For­schungs­ge­mein­schaft (DFG) mit 235.390 Euro gefördert.

Wei­te­re Infor­ma­tio­nen unter: www​.uni​-bam​berg​.de/​p​o​l​e​u​/​f​o​r​s​c​h​u​n​g​/​i​n​f​o​r​m​e​l​l​e​-​t​r​i​l​oge

Publi­ka­ti­on:

Gijs Jan Brands­ma, Justin Green­wood, Ari­ad­na Ripoll Ser­vent, Chri­stil­la Roe­de­rer-Ryn­ning. 2021. Insi­de the black box of tri­lo­gues: intro­duc­tion to the spe­cial issue. Jour­nal of Euro­pean Public Poli­cy, Volu­me 28, Issue 1. https://​doi​.org/​1​0​.​1​0​8​0​/​1​3​5​0​1​7​6​3​.​2​0​2​0​.​1​8​5​9​600