„Flech­ten mit und fürs Herz!“ – die Ent­wick­lung inno­va­ti­ver Stents geht in die hei­ße Phase

Insti­tut für Mate­ri­al­wis­sen­schaf­ten der Hoch­schu­le Hof:  

Beispiel der am Institut für Materialwissenschaften der Hochschule Hof geflochtenen „Stents" / Foto: Fachhochschule Hof

Bei­spiel der am Insti­tut für Mate­ri­al­wis­sen­schaf­ten der Hoch­schu­le Hof gefloch­te­nen „Stents“ / Foto: Fach­hoch­schu­le Hof

Hof, 29.01.2021 – Seit meh­re­ren Jah­ren forscht das Insti­tut für Mate­ri­al­wis­sen­schaf­ten (ifm) der Hoch­schu­le Hof an der Ent­wick­lung bewe­gungs­fle­xi­bler Gefäß­pro­the­sen für die Medi­zin­tech­nik. Am Hoch­schul­cam­pus in Münch­berg wer­den die neu­ar­ti­gen Stents dabei erst­mals aus geeig­ne­ten Werk­stof­fen in ihrer Ein­satz­grö­ße gefloch­ten. Zwei im Rah­men des Wis­sens- und Tech­no­lo­gie­trans­fer-Pro­gramms (WIPA­NO) vom Bun­des­mi­ni­ste­ri­um für Wirt­schaft und Ener­gie geför­der­te Pro­jek­te gehen nun in die ent­schei­den­de Pha­se. Ziel der Unter­stüt­zung durch den Bund ist ins­be­son­de­re die Wei­ter­ent­wick­lung der Inno­va­tio­nen bis hin zum prak­ti­schen Ein­satz am Markt. 

„GeVeS – Gefloch­te­ne, ver­zweig­te Struk­tu­ren für den Ein­satz in Medi­zin­tech­nik und Rohr­sa­nie­rung“ sowie „KISS – Knos­pen­des Implan­tier­ver­fah­ren für Stent­struk­tu­ren“ – die Namen für die lau­fen­den Pro­jek­te klin­gen so kom­plex, wie das For­schungs­ge­biet nun ein­mal ist. Zwei­fel­los: Die Pro­dukt­ent­wick­lung für den medi­zi­ni­schen Ein­satz am Men­schen gehört auch in der Wis­sen­schaft zu den größ­ten Her­aus­for­de­run­gen, denen man sich stel­len kann. Genau dies ist in Münch­berg der Fall. Bei­de dort betrie­be­nen För­der­pro­jek­te knüp­fen an eine bemer­kens­wer­te Erfin­dung des Insti­tuts selbst an: Auf medi­zi­ni­sche Stents für ver­eng­te Gefä­ße, die aus gefloch­te­nen Struk­tu­ren bestehen, und ein ent­spre­chen­des Implan­ta­ti­ons­ver­fah­ren hat man dort zwei Schutz­rech­te. Nun folgt die Wei­ter­ent­wick­lung – bis hin zur Marktreife.

Patent­schutz auf gefloch­te­ne Stents 

Das Münch­ber­ger Patent beschreibt und schützt die Erfin­dung einer spe­zi­el­len gefloch­te­nen und ver­zweig­ten Struk­tur mit­samt einem auto­ma­ti­siert gefloch­te­nen Über­gangs­be­reich, der – als beson­de­res Kenn­zei­chen – völ­lig frei von Löchern ist. Die­ser loch­freie Zwickel wird durch zusätz­li­ches Kreu­zen und Ver­dre­hen von Fäden unter­ein­an­der erreicht und dadurch beson­ders halt­bar und robust – eine bemer­kens­wer­te und in der Ver­gan­gen­heit bereits Auf­se­hen erre­gen­de Inno­va­ti­on auf die­sem Gebiet. „Um die Struk­tur noch wei­ter zu ver­bes­sern, wird der­zeit der Ein­satz einer grö­ße­ren Anzahl an Faden­sy­ste­men im Über­gangs­be­reich der Ver­zwei­gung erforscht. Damit sol­len eine wei­te­re Erhö­hung der Dich­te sowie ein ver­bes­ser­ter Loch­schluss erreicht wer­den“, so Prof. Dr. Frank Ficker, Lei­ter des Insti­tuts für Materialwissenschaften.

Erwei­te­rung von Einsatzfeldern

Gene­rell möch­ten die For­sche­rin­nen und For­scher am Insti­tut durch kon­ti­nu­ier­li­che Wei­ter­ent­wick­lung die Eigen­schaf­ten von gefloch­te­nen Stent­sy­ste­men in der Medi­zin­tech­nik deut­lich opti­mie­ren und so in der Kon­se­quenz auch Ein­satz­fel­der aus­bau­en und Markt­po­ten­tia­le erwei­tern. Um dies zu errei­chen ist es zum Bei­spiel Teil der aktu­el­len Pro­jekt­ar­beit, geschlos­se­ne Zwickel mit mehr als einer Ver­zwei­gung zu pro­du­zie­ren. Mehr­fach ver­zweig­te Stents wer­den bis­her – nach gän­gi­gem Stand der Tech­nik – in auf­wän­di­gen Pro­zes­sen aus meh­re­ren ein­zel­nen Stents zusam­men­ge­setzt. Mit der Ent­wick­lung des ifm wird nun aber der direk­te Ein­satz in ver­zweig­ten Ader­sy­ste­men mög­lich, da durch den ver­bes­ser­ten Loch­schluss das Ein­wach­sen von Gewe­be deut­lich ver­rin­gert wer­den kann. „Außer­dem sichert die­se Struk­tur eine gleich­mä­ßi­ge Medi­ka­ti­on für alle betrof­fe­nen Kör­per­be­rei­che und das hat posi­ti­ve Fol­gen für Gewe­be­wachs­tum und Hei­lung“, so Prof. Dr. Frank Ficker.

Stent öff­net sich wie Blüte

Für die Implan­ta­ti­on eines so ver­zweig­ten Stents konn­te mit dem Pro­jekt „KISS“ nun auch ein inno­va­ti­ves Ver­fah­ren zur Anwen­dung ent­wickelt und ver­tieft wer­den. Dabei wird der ver­zweig­te Stent aus NiTiN­OL (also einer Nickel-Titan-Form-Gedächt­nis-Legie­rung), die für den Ein­satz im Kör­per­in­ne­ren zuge­las­sen ist, so in den Kör­per ein­ge­bracht, dass er sich erst an sei­nem Bestim­mungs­ort wie eine Blu­men­knos­pe ent­fal­tet. Auf die­se Wei­se kann eine siche­re Trans­plan­ta­ti­on gewähr­lei­stet wer­den. Die Vor­tei­le lie­gen auf der Hand: „Gegen­über Koro­nar-Stents, die laut Stand der Tech­nik mit­tels Prä­zi­si­ons­la­ser­tech­nik her­ge­stellt wer­den, zeich­nen sich die gefloch­te­nen Struk­tu­ren durch eine hohe Fle­xi­bi­li­tät im Ein­satz aus“, so Prof. Dr. Frank Ficker.

Grö­ße­re Fle­xi­bi­li­tät und Beweglichkeit

Aktu­ell wer­den bei Ope­ra­tio­nen häu­fig noch Gefäß­pro­the­sen mit einer Röh­ren­geo­me­trie mit gera­dem Abschluss ver­wen­det, die bei Ver­zwei­gun­gen wie beschrie­ben zusam­men­ge­setzt wer­den müs­sen. Die­se sind nach Ansicht von Ope­ra­teu­ren aber beson­ders bei klei­nen Gefä­ßen und engen Radi­en und auf­grund der ein­ge­schränk­ten Beweg­lich­keit schwie­rig zu posi­tio­nie­ren. Die­se Pro­ble­ma­tik soll durch die Ent­wick­lung ver­zweig­ter, gefloch­te­ner Stents mit ein­zieh­ba­rem Sei­ten­arm gelöst werden.

Im Rah­men der For­schungs­ar­bei­ten zur Anmel­dung des Schutz­rechts wur­de das Ver­fah­ren ledig­lich in sehr gro­ßem Maß­stab in sei­ner Theo­rie bestä­tigt. Im Pro­jekt konn­ten nun aber maß­stabs­ge­rech­te Stents für koro­na­re Gefä­ß­ga­be­lun­gen ent­wickelt wer­den. Die­se ermög­li­chen For­schern wie Ärz­ten nun bereits detail­lier­te Rück­schlüs­se auf das spä­te­re Implan­tier­ver­hal­ten. Die Stents aus Münch­berg zei­gen dabei eine hohe Fle­xi­bi­li­tät und super­ela­sti­sche Eigen­schaf­ten. „Das Mate­ri­al springt nach einer Ver­for­mung von bis zu 50 % des Bela­stungs­ni­veaus in die gewünsch­te Form zurück und lie­fert so die not­wen­di­gen Vor­aus­set­zun­gen für eine erfolg­rei­che Trans­plan­ta­ti­on“, freu­en sich Prof. Dr. Ficker und sei­ne Mit­ar­bei­ter. 

Über die Hoch­schu­le Hof:

Pra­xis­ori­en­tie­rung, Inter­na­tio­na­li­sie­rung und intel­li­gen­te Res­sour­cen­nut­zung ste­hen im Fokus von Leh­re und For­schung an der Hoch­schu­le Hof. Im Bereich Inter­na­tio­na­li­sie­rung legt die Hoch­schu­le einen wei­te­ren Schwer­punkt auf Indi­en, im Hin­blick auf das The­ma intel­li­gen­te Res­sour­cen­nut­zung ste­hen Was­ser- und Ener­gie­ef­fi­zi­enz im Vor­der­grund. Das breit­ge­fä­cher­te und inter­dis­zi­pli­nä­re Stu­di­en­an­ge­bot reicht von Wirt­schaft bis hin zu Infor­ma­tik und Inge­nieurs­wis­sen­schaf­ten. Der Cam­pus Münch­berg bie­tet durch eng mit der Wirt­schaft ver­zahn­te Tex­til- und Design­stu­di­en­gän­ge eine in Deutsch­land ein­ma­li­ge Ausbildung.
Stu­die­ren­de mit Berufs­er­fah­rung fin­den eben­so den pas­sen­den Stu­di­en­gang an der Hoch­schu­le Hof. So bie­tet die Hof Uni­ver­si­ty Gra­dua­te School Stu­die­ren­den mit min­de­stens ein­jäh­ri­ger Berufs­er­fah­rung viel­fäl­ti­ge pra­xis­ori­en­tier­te deutsch- und eng­lisch­spra­chi­ge Master­stu­di­en­gän­ge, die in Voll- und Teil­zeit mög­lich sind. Seit 2019 wird zudem unter „Beruf-plus-Stu­di­um“ ein durch­gän­gi­ges Wei­ter­bil­dungs­kon­zept ange­bo­ten, das den aktu­el­len Anfor­de­run­gen im Digi­ta­len Wan­del gerecht wird. Die berufs­be­glei­ten­den Ange­bo­te, die groß­teils in Blen­ded Lear­ning Ein­hei­ten statt­fin­den, rei­chen vom Ein­zel­mo­dul über Zer­ti­fi­kats­lehr­gän­ge bis zum Bache­lor- und Master­stu­di­en­gang. Stu­die­ren­de mit Start­Up- oder Grün­dungs­in­ter­es­se wer­den durch das Digi­ta­le Grün­der­zen­trum Einstein1 am Cam­pus der Hoch­schu­le bera­ten und gefördert.
Die ange­wand­te For­schung an der Hoch­schu­le Hof sichert die Aktua­li­tät des Wis­sens für die Leh­re und ent­wickelt nütz­li­che Lösun­gen, die in der Wirt­schaft zum Ein­satz kom­men. Durch die Ein­rich­tung von Kom­pe­tenz­zen­tren und Insti­tu­ten an der Hoch­schu­le pro­fi­tie­ren auch die hoch­frän­ki­schen Unter­neh­men. Die Schwer­punk­te der vier For­schungs­in­sti­tu­te lie­gen auf den Berei­chen Infor­ma­ti­ons­sy­ste­me, Mate­ri­al­wis­sen­schaf­ten, Was­ser- und Ener­gie­ma­nage­ment sowie Bio­po­ly­me­re. Zudem ist das Fraun­ho­fer-Anwen­dungs­zen­trum Tex­ti­le Faser­ke­ra­mi­ken TFK am Cam­pus Münch­berg ange­sie­delt und ent­wickelt u.a. neue Anwen­dun­gen für die Luft- und Raum­fahrt sowie für die Auto­mo­bil­in­du­strie. Das an die Hoch­schu­le Hof ange­glie­der­te Baye­risch-Indi­sche Zen­trum für Wirt­schaft und Hoch­schu­len BayIND koor­di­niert und för­dert dar­über hin­aus die Zusam­men­ar­beit zwi­schen Bay­ern und Indien.