Baye­ri­sche Natur­schutz­ver­bän­de kri­ti­sie­ren gemein­sam Geset­ze zur För­de­rung von Kleinwasserkraftanlagen

„Bio­di­ver­si­tät unse­rer Gewäs­ser in höch­ster Gefahr!“

LBV (Lan­des­bund für Vogel­schutz), BN (BUND Natur­schutz in Bay­ern), Lan­des­fi­sche­rei­ver­band Bay­ern, WWF Deutsch­land und BKV (Baye­ri­scher Kanu-Ver­band) kri­ti­sie­ren gemein­sam auf das Schärf­ste die aktu­el­len Beschlüs­se des Deut­schen Bun­des­ta­ges zur För­de­rung der Ener­gie­ge­win­nung aus Was­ser­kraft. Statt einer wei­te­ren För­de­rung und Beschleu­ni­gung des Was­ser­kraft­aus­baus for­dern sie den Stopp des Neu­baus von Was­ser­kraft­an­la­gen, eine Rena­tu­rie­rungs-Offen­si­ve für Flüs­se und Auen und bes­se­re Vor­ga­ben für Ener­gie­ein­spa­rung und den umwelt­ver­träg­li­chen Aus­bau von Son­nen- und Windenergie.

Zwei Aspek­te sor­gen bei den baye­ri­schen Natur­schutz­ver­bän­den für beson­de­ren Ärger:

Erstens gilt für den Neu­bau oder die Moder­ni­sie­rung von Was­ser­kraft­an­la­gen in Zukunft ein beschleu­nig­tes Geneh­mi­gungs­ver­fah­ren. Zwei­tens ist geplant, die Ver­gü­tung nach dem Erneu­er­ba­ren-Ener­gien-Gesetz für Strom aus klei­nen, für den Kli­ma­schutz unbe­deu­ten­den Anla­gen mit einer Lei­stung von weni­ger als einem hal­ben Mega­watt um 3 Cent/​kWh zu erhöhen.

Die erste Neue­rung hat zur Fol­ge, dass Land­rats­äm­ter in Zukunft über Geneh­mi­gun­gen für Was­ser­kraft­wer­ke grund­sätz­lich inner­halb von einem Jahr ent­schei­den sol­len. „Das ist wenig Zeit für eine umfas­sen­de Prü­fung der viel­fäl­ti­gen öko­lo­gisch schäd­li­chen Aus­wir­kun­gen auf Flüs­se und Auen“, kom­men­tiert Richard Mer­gner, Lan­des­vor­sit­zen­der des BN (BUND Natur­schutz in Bay­ern). „Des­halb muss auch klar sein: Wenn nach einem Jahr die Zwei­fel an der Umwelt­ver­träg­lich­keit nicht ein­deu­tig aus­ge­räumt sind, muss der Antrag eben abge­lehnt wer­den. Statt eines ‚Geneh­mi­gungs­ver­fah­ren light‘ für die Was­ser­kraft müs­sen end­lich Restrik­tio­nen für den Aus­bau umwelt­ver­träg­li­cher Son­nen- und Wind­ener­gie abge­baut werden.“

„Die Bedeu­tung der Was­ser­kraft für die Ener­gie­wen­de ist mini­mal. Alle Exper­ten sind sich einig, dass es spe­zi­ell in Bay­ern kein bedeu­ten­des Aus­bau­po­ten­ti­al mehr gibt. Wir leh­nen daher den Neu­bau von Was­ser­kraft­an­la­gen ab“, betont Albert Gött­le, Prä­si­dent des Lan­des­fi­sche­rei­ver­bands Bay­ern. „Bestehen­de Was­ser­kraft­wer­ke geben oft weni­ger als die öko­lo­gisch not­wen­di­ge Min­dest­was­ser­men­ge ins Fluss­bett ab. Ein gro­ßes Pro­blem für Fische, Insek­ten und Muscheln. Einen wis­sen­schaft­lich begrün­de­ten Richt­li­ni­en­ent­wurf des Lan­des­amts für Umwelt, den soge­nann­ten Min­dest­was­ser­leit­fa­den, hält das Umwelt­mi­ni­ste­ri­um auf Drän­gen der Was­ser­kraft­lob­by seit über zwei Jah­ren unter Ver­schluss – ein Skan­dal in Anbe­tracht der öko­lo­gi­schen Bedeutung.“

Nor­bert Schäf­fer, Vor­sit­zen­der des LBV (Lan­des­bund für Vogel­schutz), hält den neu­en Geset­zen ent­ge­gen: „Die Fak­ten­la­ge wider­spricht den neu­en Beschlüs­sen ganz klar: Wis­sen­schaft­li­che Unter­su­chun­gen der TU Mün­chen vom Juni 2020 im Auf­trag des baye­ri­schen Umwelt­mi­ni­ste­ri­ums haben die Hoff­nung auf inno­va­ti­ve, fisch­freund­li­che Was­ser­kraft­an­la­gen weit­ge­hend zer­schla­gen. Dar­über hin­aus rät das Baye­ri­sche Lan­des­amt für Umwelt sogar ganz kon­kret vom Neu­bau von Was­ser­kraft­an­la­gen an frei flie­ßen­den Fluss­ab­schnit­ten ab und emp­fiehlt statt­des­sen, bestehen­de Quer­bau­wer­ke vor­zugs­wei­se rück­zu­bau­en, statt mit einer Was­ser­kraft­nut­zung nachzurüsten.“

Kli­ma­wan­del macht Was­ser­kraft unrentabel

Wie der gera­de ver­öf­fent­lich­te Nied­rig­was­ser­be­richt Bay­ern zeigt, sorgt der Kli­ma­wan­del immer öfter für Pha­sen mit sehr wenig Was­ser in den Flüs­sen, was den wirt­schaft­li­chen Betrieb bestehen­der wie neu­er Anla­gen zuneh­mend frag­lich erschei­nen lässt und auch die öko­lo­gi­schen Schä­den erhöht. Aus Sicht der Natur­schutz­ver­bän­de ist es des­halb besorg­nis­er­re­gend, dass der Bun­des­tag nun die EEG-Umla­ge für Strom aus Klein­was­ser­kraft­an­la­gen mit weni­ger als 500 Kilo­watt Lei­stung um 3 Cent pro Kilo­watt­stun­de erhöht.

Die gesetz­li­che Neu­re­ge­lung för­dert damit aus­ge­rech­net Klein­an­la­gen, wel­che in beson­de­rem Maße für die mas­si­ven Umwelt­schä­den der Was­ser­kraft­nut­zung ver­ant­wort­lich sind. Die Ver­bän­de befürch­ten, dass ein Neu­bau selbst an Stand­or­ten attrak­tiv wird, die bis­her auf­grund gerin­ger Ertrags­fä­hig­keit unin­ter­es­sant waren. Gleich­zei­tig tra­gen die­se Kleinst­an­la­gen nur einen Bruch­teil zur gesamt­deut­schen Was­ser­kraft-Strom­pro­duk­ti­on bei. Ins­ge­samt gibt es ca. 7.300 Was­ser­kraft­an­la­gen in Deutsch­land, 6.900 davon haben eine instal­lier­te Lei­stung von weni­ger als 1 Mega­watt und pro­du­zie­ren dabei gera­de mal sechs Pro­zent des deut­schen Was­ser­kraft­stroms. 5.300 der Anla­gen haben sogar nur eine Lei­stung von weni­ger als 100 Kilo­watt. Zum Ver­gleich: Zehn Ein­fa­mi­li­en­häu­ser mit Pho­to­vol­ta­ik­an­la­gen auf dem Dach pro­du­zie­ren etwa die­sel­be Strom­men­ge wie ein durch­schnitt­li­ches Kleinwasserkraftwerk.

Dabei müss­te nach Ansicht des WWF eher in den Rück­bau der oft bau­fäl­li­gen und obso­le­ten Weh­re an alten Was­ser­kraft­an­la­gen inve­stiert wer­den, als deren Fort­be­stand zu sichern. „Der Rück­bau von Weh­ren stellt die effek­tiv­ste Maß­nah­me dar, um durch­gän­gi­ge Flüs­se zu schaf­fen und das Leben zurück zu brin­gen“, so Ste­phan Zir­pel, Fach­be­reichs­lei­ter Natur­schutz Deutsch­land des WWF. „Wenn wir jetzt statt­des­sen mit Steu­er­gel­dern die Klein­was­ser­kraft sub­ven­tio­nie­ren, zemen­tie­ren wir die Zer­stücke­lung der Gewäs­ser über Jahr­zehn­te hinweg.“

Mehr Geld für mehr Umweltzerstörung?

„Mit einer Anhe­bung der För­de­rung wer­den aus­ge­rech­net inef­fi­zi­en­te Klein­an­la­gen unter­stützt“, erläu­tert Oli­ver Bun­gers, Prä­si­dent des Baye­ri­schen Kanu-Ver­bands. „Die­se tra­gen so gut wie nichts zur rege­ne­ra­ti­ven Ener­gie­er­zeu­gung und damit dem Kli­ma­schutz bei, ver­ur­sa­chen aber maxi­ma­le Schä­den durch Zer­stö­rung von natür­li­chen Lebens- und Erho­lungs­räu­men sowie der Arten­viel­falt. Die Kosten dafür tra­gen schluss­end­lich die Umwelt sowie alle Bür­ger – in Form höhe­rer Strom­prei­se und dem Ver­lust an Lebensqualität.“

Die Ver­bän­de ver­fü­gen über ent­spre­chen­de Hin­wei­se, dass der Frei­staat Bay­ern die Ent­schei­dung des Bun­des­tags maß­geb­lich beein­flusst hat. Die baye­ri­sche Staats­re­gie­rung han­delt damit ent­ge­gen der Maß­ga­ben der EU-Was­ser­rah­men­richt­li­nie, des NATU­RA-2000-Schutz­ge­biets­netz­werks, der Baye­ri­schen Bio­di­ver­si­täts­stra­te­gie und ent­ge­gen des von ihr 2019 ange­nom­me­nen Volks­be­geh­rens Arten­viel­falt. Die Natur­schutz­ver­bän­de sind sich einig: Hier wird wei­ter auf Kosten unse­rer Flüs­se Wirt­schafts­po­li­tik für Par­ti­ku­lar­in­ter­es­sen betrieben.

Gemein­sa­me For­de­run­gen der fünf Natur­schutz­ver­bän­de für die Was­ser­kraft Bayern:

  • Kein Neu­bau von Wasserkraftanlagen
  • Bestehen­de Was­ser­kraft­an­la­gen natur­ver­träg­lich umgestalten
  • Rück­bau ins­be­son­de­re von Klein­was­ser­kraft­an­la­gen fördern
  • Min­dest­was­ser­leit­fa­den an die Zie­le der Was­ser­rah­men­richt­li­nie anpassen
  • Rena­tu­rie­rungs-Offen­si­ve star­ten: Künst­li­che Bar­rie­ren in den Flüs­sen ent­fer­nen und freie Fließ­strecken schaffen

Wei­te­re Infor­ma­tio­nen fin­den Sie im gemein­sa­men, aktu­el­len Posi­ti­ons­pa­pier von WWF Deutsch­land, BKV (Baye­ri­scher Kanu-Ver­band), BN (BUND Natur­schutz in Bay­ern), LBV (Lan­des­bund für Vogel­schutz) und Lan­des­fi­sche­rei­ver­band Bayern: