Bam­berg: „Pio­nier im Not­fall­fol­ge­dienst“ – Die­ter Brey­er küm­mert sich seit fast 50 Jah­ren ehren­amt­lich um Men­schen, die Hil­fe brauchen

Ein Leben für das Ehren­amt / Die­ter Brey­er – Foto: Johanniter

„Man inve­stiert viel, aber man bekommt auch viel zurück: unver­gess­li­che Erleb­nis­se, Freund­schaf­ten, beson­de­re Begeg­nun­gen und natür­lich berei­chern­de Erfah­run­gen“, für Die­ter Brey­er, der sich seit fast 50 Jah­ren frei­wil­lig enga­giert, ist sein Ehren­amt eine Herzensangelegenheit.

1973 begann der heu­te 77-Jäh­ri­ge bei den ober­frän­ki­schen Johan­ni­tern in Schlüs­sel­feld – neben sei­nem Haupt­be­ruf als Leh­rer – im Ret­tungs- und Sani­täts­dienst als ehren­amt­li­cher Hel­fer. „Es ist schön, hel­fen zu kön­nen“, erzählt Die­ter Brey­er, „doch ich fand es von Anfang an schwie­rig, dass wir bei man­chen Ret­tungs­ein­sät­zen die Leu­te in Aus­nah­me­si­tua­tio­nen wie­der allei­ne las­sen muss­ten, wenn unse­re Arbeit als Sani­tä­ter getan war.“ Schon damals küm­mer­te sich der Gei­sel­win­der immer mal wie­der auch nach dem Ende des Ret­tungs­ein­sat­zes noch um die Betrof­fe­nen. Einen Begriff gab es dafür in den 1970er- und 1980er-Jah­ren noch nicht. Das änder­te sich dann 15 Jah­re spä­ter, als es auch in Fran­ken die ersten Not­fall­seel­sor­ger gab, die sich um die seel­sor­ge­ri­sche Betreu­ung direkt am Ein­satz­ort kümmerten.

„1995 habe ich im Ret­tungs­dienst auf­ge­hört und mei­ne Ener­gie in den Auf­bau eines Not­fall­fol­ge­dien­stes gesteckt“, so Brey­er. „Die Ein­satz­kräf­te müs­sen sich um die Ver­letz­ten küm­mern, für Ange­hö­ri­ge oder Zeu­gen, die das Unglück mit­er­le­ben, bleibt ihnen meist kei­ne Zeit.“ Die­se Lücke soll­te der Not­fall­fol­ge­dienst schlie­ßen: „Am Anfang war ich ‚Allein­un­ter­hal­ter‘. Die Poli­zei, der Ret­tungs­dienst und die Feu­er­wehr hat­ten mei­ne Pri­vat­num­mer, auf der sie dann ein­fach ange­ru­fen haben, wenn ich gebraucht wur­de.“ Die Dienst­we­ge waren kurz damals, die Ein­sät­ze von Die­ter Brey­er viel­fäl­tig: „Zum Bei­spiel wur­den mal zwei Kin­der von ihren Eltern auf der Rast­stät­te Stei­ger­wald ver­ges­sen. Die Poli­zei hat mich infor­miert, und ich habe die Kin­der mit zu mei­ner Frau nach Hau­se genom­men, bis die Eltern gefun­den waren.“ Auch um die tie­ri­schen Bewoh­ner eines Hofes in der Nähe von Schlüs­sel­feld hat er sich damals geküm­mert: „Die Besit­ze­rin muss­te ins Kran­ken­haus. Ich habe dann die Ver­sor­gung von Pfer­den, einer Kat­ze und einem Papa­gei orga­ni­siert. Drei Hun­de haben wir damals selbst bei mir zu Hau­se betreut, bis die Besit­ze­rin wie­der fit war.“

Die­ter Brey­er erin­nert sich ganz bewusst vor allem an sol­che schö­nen Erleb­nis­se. Nicht nur bei denen spielt natür­lich auch sei­ne Frau Uta eine wich­ti­ge Rol­le: „Sie ist mei­ne erste Ansprech­part­ne­rin und hält mir immer den Rücken frei. Bei Ein­sät­zen in der Nacht rich­tet sie mei­nen Ein­satz­wa­gen her, damit ich Zeit habe, mich umzu­zie­hen und fer­tig zu machen. Und sie steht auf, wenn ich zurück­kom­me, so dass ich in die­sen Situa­tio­nen immer jeman­den zum Reden habe“, erzählt der 77-Jäh­ri­ge. Das ist ihm wich­tig: Auch die Part­ner nicht zu ver­ges­sen, ohne die ein ehren­amt­li­ches Enga­ge­ment in den mei­sten Fäl­len nicht mach­bar wäre.

Nach­dem sich in Die­ter Brey­ers Anfangs­jah­ren zeit­gleich die Not­fall­seel­sor­ge ent­wickelt hat, hat er sich dort „mit ein­ge­klinkt“ und dafür wei­ter­ge­bil­det. Heu­te ist die soge­nann­te Psy­cho­so­zia­le Not­fall­ver­sor­gung (PSNV), also die Betreu­ung von Men­schen, denen unmit­tel­bar zuvor etwas Schlim­mes pas­siert ist, vie­ler­orts fester Bestand­teil bei der Ver­sor­gung nach Not- und Unglücks­fäl­len. Und auch die Aus­bil­dung ist inzwi­schen pro­fes­sio­na­li­siert. Bevor die Kri­sen­in­ter­ven­ti­ons­hel­fer selbst Ver­ant­wor­tung über­neh­men kön­nen, ste­hen ins­ge­samt 87 theo­re­ti­sche Unter­richts­ein­hei­ten plus zehn Pflicht­ein­sät­ze gemein­sam mit erfah­re­nen Kol­le­gen auf dem Lehr­plan. Die Ein­sät­ze wer­den doku­men­tiert und in regel­mä­ßi­gen Super­vi­sio­nen besprochen.

Inzwi­schen ist die Zeit als „Allein­un­ter­hal­ter“ im Not­fall­fol­ge­dienst vor­bei: Seit der Grün­dung der Arbeits­ge­mein­schaft PSNV 2005 im unter­frän­ki­schen Kit­zin­gen, in dem sich ver­schie­de­ne Hilfs­or­ga­ni­sa­tio­nen zusam­men­ge­schlos­sen haben, gehört Die­ter Brey­er dort zur Stamm­mann­schaft. Auch nach all den Jah­ren ist er immer noch mit gan­zem Her­zen dabei: „Den von einem Schick­sals­schlag getrof­fe­nen Men­schen auch mein Mit­füh­len zu zei­gen, ist für mich sehr wich­tig und in mei­nem christ­li­chen Glau­ben ver­an­kert.“ Natür­lich kann er Eltern, die gera­de ein Kind ver­lo­ren haben, oder Men­schen, die einen schlim­men Unfall erlebt haben, die Trau­er und Not nicht neh­men, “aber ich bin für sie da und ver­su­che, ihnen etwas Halt und Wär­me zu geben. Ich höre zu, hal­te auch ein Schwei­gen aus, genau dann, wenn es wich­tig ist, in den ersten Stun­den nach so einem Erleb­nis.“ Ent­schei­dend ist es auch, ein sozia­les Netz­werk rund um die Betrof­fe­nen zu akti­vie­ren: Erst wenn das pas­siert ist und die Betrof­fe­nen wie­der etwas gefe­stigt sind, ist die Auf­ga­be der Kri­sen­in­ter­ven­ti­ons­hel­fer beendet.

Um den Nach­wuchs macht sich der alt­ge­dien­te Ehren­amt­ler kei­ne Sor­gen. Immer wie­der rücken enga­gier­te Men­schen aus dem Ret­tungs­dienst, aus der Kir­che oder von Hilfs­or­ga­ni­sa­tio­nen nach. Dass nun auch bei den ober­frän­ki­schen Johan­ni­tern ein eige­nes PSNV-Team auf­ge­baut wer­den soll, freut ihn aber besonders.