GEW Bay­ern: „Offen­hal­ten von Kitas, Krip­pen, HPTs und Hor­ten ist verantwortungslos!“

Symbolbild Corona

Pres­se­mit­tei­lung der GEW:

„Offen hal­ten um jeden Preis, für die Wirtschaft!“

Wie auch bei den Schu­len, wird der über den Som­mer ent­wickel­te Drei-Stu­fen-Plan für Kitas, Krip­pen, HPTs und Hor­te aktu­ell außer Kraft gesetzt. Statt ein­ge­schränk­tem Betrieb oder Not­be­treu­ung wer­den Ein­rich­tun­gen mit nahe­zu unver­än­der­ten Kon­zep­ten wei­ter offen­ge­hal­ten. Das ist aus Sicht der Bil­dungs­ge­werk­schaft GEW verantwortungslos.

Statt Sicher­heit für die Kin­der, deren Ange­hö­ri­gen und den Beschäf­tig­ten, sol­len Kin­der mit Sym­pto­men wie Schnup­fen­na­sen oder leich­tem Husten trotz stän­dig höhe­rer Inzi­den­zen wei­ter die Bil­dungs­ein­rich­tun­gen unein­ge­schränkt besu­chen. Erst bei „redu­zier­tem All­ge­mein­zu­stand“ (Rah­men­hy­gie­ne­plan des Sozi­al­mi­ni­ste­ri­ums) dür­fen Kin­der bspw. die Kita nicht besu­chen, son­dern müs­sen 24 Stun­den sym­ptom­frei sein und ein nega­ti­ves Test­ergeb­nis oder ein ärzt­li­ches Attest vor­le­gen. Die Beschäf­tig­ten hin­ge­gen sol­len schon bei leich­ten Sym­pto­men zu Hau­se blei­ben und sich testen las­sen. Wel­ches Per­so­nal das Regel­an­ge­bot bei den zu erwar­ten­den stei­gen­den Aus­fäl­len dann lei­stet, wird nicht beant­wor­tet, aber um die Öff­nungs­zei­ten zu gewähr­lei­sten dür­fen die Kolleg*innen durch­aus grup­pen­über­grei­fend tätig werden.

„Dadurch wer­den Trä­ger, Eltern und Kolleg*innen allein gelas­sen, damit die Wirt­schaft läuft. Und das um jeden Preis, auch der Gesund­heit. Mehr und mehr Kolleg*innen der Risi­ko­grup­pen wer­den wie­der am Kind ein­ge­setzt. Von ange­pass­ten Gefähr­dungs­be­ur­tei­lun­gen ist aus den Betrie­ben wenig zu hören, obwohl dies vor­ge­schrie­ben ist. Das ist uner­hört! Das Aus­maß der psy­chi­schen Bela­stun­gen der Kolleg*innen in den Ein­rich­tun­gen nimmt nie dage­we­se­ne Aus­ma­ße an“, fasst Gerd Schnell­in­ger, Spre­cher der Lan­des­fach­grup­pe Sozi­al­päd­ago­gi­sche Beru­fe der GEW die neu­en Plä­ne zusammen.

Gabrie­le Albrecht-Thum, Gewerk­schafts­se­kre­tä­rin der GEW an ergänzt: „Laut einer aktu­el­len baye­ri­schen Stu­die waren im Früh­jahr und Som­mer sechs­mal mehr Kin­der Coro­na posi­tiv, ohne dass es je ent­deckt wur­de. Hin­zu kommt, dass 75% der Infek­tio­nen der­zeit unge­klär­ter Her­kunft sind und die Infek­tio­si­tät von jün­ge­ren Kin­dern ent­ge­gen aller Dar­stel­lun­gen von Politiker*innen nicht geklärt ist. Bis­lang sind uns nur weni­ge Fäl­le infi­zier­ter Kolleg*innen bekannt, das grund­sätz­li­che Pro­blem bleibt: wird eine Infek­ti­on über­haupt bemerkt, wenn Kin­der so oft sym­ptom­los sind? Zudem ist ein­fach wei­ter­hin unklar, wie das Infek­ti­ons­ge­sche­hen in den Ein­rich­tun­gen ver­läuft, die Coro­na-Kita-Stu­die spricht von stei­gen­den Qua­ran­tä­nen und Aus­brü­chen in Kitas, zum Glück auf nied­ri­gem Niveau. Vie­les spricht dafür, dass Kin­der bis ins Grund­schul­al­ter sel­te­ner infi­ziert wer­den. Aber anstecken kön­nen sie laut einer Stu­die in Indi­en, die über eine hal­be Mil­li­on Infek­tio­nen nach­ver­folgt hat, ganz her­vor­ra­gend. Die Stu­di­en­la­ge ist wei­ter­hin eben unklar und Vor­sicht wäre sehr ange­bracht. Auch wenn Kin­der ver­mut­lich kei­ne Trei­ber der Pan­de­mie sind, wer­den sie infi­ziert und stecken ande­re an.“

„Seit Mona­ten arbei­ten die Kolleg*innen in den Ein­rich­tun­gen der frü­hen Bil­dung und der Behin­der­ten­hil­fe ohne Abstand und ohne Schutz. Nicht mal FFP2 Mas­ken sind dem Mini­ste­ri­um die Beschäf­tig­ten wert. Wir haben unzäh­li­ge Kolleg*innen, die ihre Mas­ken selbst beschaf­fen müs­sen, weil Arbeit­ge­ber sich wei­gern und kei­ne Inter­es­sens­ver­tre­tung wie Betriebs­rä­te besteht“, führt Gabrie­le Albrecht-Thum wei­ter aus.

„Betriebsärzt*innen wer­den von Arbeit­ge­bern bezahlt und das führt nach unse­rer Erfah­rung oft dazu, dass laue Emp­feh­lun­gen gege­ben wer­den. Ohne star­ken Betriebs­rat ste­hen die Kolleg*innen dann allei­ne da. Das Mini­ste­ri­um schiebt alles auf die Trä­ger und die loka­len Gesund­heits­äm­ter ab. Statt sei­ten­lan­gen Emp­feh­lun­gen zum Arbeits­schutz­recht sind vom Sozi­al- und Arbeits­mi­ni­ste­ri­um kla­re Stan­dards zu set­zen, die kon­se­quent kon­trol­liert und durch­ge­setzt wer­den. Vie­le unse­rer Mit­glie­der kün­di­gen der­zeit auf ärzt­li­chen Rat ihr Arbeits­ver­hält­nis und ver­las­sen den Beruf oft auf Dau­er. Die hohe psy­chi­sche Bela­stung führt zu Burn­out, wir haben wei­nen­de Kolleg*innen am Tele­fon, die eine ver­ständ­li­che Angst haben, als „Kano­nen­fut­ter her­hal­ten zu müs­sen, damit die Wirt­schaft wei­ter­läuft“, so die Wort­wahl von Kolleg*innen. Vie­le, die durch­aus zur Risi­ko­grup­pe zu zäh­len wären, arbei­ten nun auch wie­der am Kind, denn anders ist der ver­lang­te Regel­be­trieb nicht leist­bar. Ent­spre­chend hoch ist der sozia­le Druck auf die Kolleg*innen. Die nun wie­der beschwo­re­ne Betreu­ung in festen Grup­pen ist nur ein Wunsch­traum. Wer­den die Ergeb­nis­se der Coro­na-Kita-Stu­die betrach­tet, ist fest­zu­stel­len, dass sehr vie­le Ein­rich­tun­gen das igno­rie­ren, schon allei­ne, weil es per­so­nell gar nicht geht“, ver­deut­licht Mario Schwandt die Erfah­run­gen aus unzäh­li­gen Kon­tak­ten zu Mit­glie­dern der GEW. Er berät als Gewerk­schafts­se­kre­tär die Kolleg*innen.

„Die GEW Bay­ern hat größ­tes Ver­ständ­nis für die Nöte der Eltern und der Kin­der. Alle Kolleg*innen, sind bereit ihren Bei­trag wäh­rend die­ser Natur­ka­ta­stro­phe zu lei­sten. Aber von einem Offen­hal­ten zu reden ist rei­ne Augen­wi­sche­rei. Schon vor der Pan­de­mie war der Fach­kräf­te­man­gel enorm und ein geord­ne­ter Bil­dungs­be­trieb nur Wunsch­traum in vie­len Ein­rich­tun­gen. Nun wird der Man­gel noch grö­ßer, weil Kolleg*innen der Risi­ko­grup­pen ihre Beru­fe ver­las­sen oder sich mit Arbeits­lo­sig­keit in die Ren­te ret­ten. Statt guter Kon­zep­te, Luft­fil­ter­an­la­gen, kla­ren Stan­dards, deut­li­chen Regeln für die Trä­ger und Vor­rang der Ange­bo­te an die Kin­der, die sie drin­gen­der benö­ti­gen und vor allem ein kom­pro­miss­lo­ser Schutz der Risi­ko­grup­pen ist das nur ein Augen und zu und wei­ter so“, spitzt Anton Salz­brunn, GEW-Lan­des­vor­sit­zen­der die Per­spek­ti­ve auf das Gesche­hen zu.

Die GEW for­dert daher:

  • Dafür sor­gen, dass Test­ergeb­nis­se der Beschäf­tig­ten der Ein­rich­tun­gen vor­ran­gig bear­bei­tet wer­den, damit nicht so lan­ge War­te­zei­ten entstehen.
  • Ver­pflich­tung der Trä­ger zur Umset­zung fester Grup­pen, ver­bun­den mit finanz­wirk­sa­men Kon­se­quen­zen bei Nicht­ein­hal­tung und regel­mä­ßi­ger Über­prü­fung durch die Jugend­äm­ter vor Ort
  • Mehr als die bis­her gewähr­ten Mit­tel für Luft­rei­ni­gungs­an­la­gen, die blo­ße Sym­bol­po­li­tik sind
  • Deut­li­che Bot­schaft an die Eltern: das Ange­bot kann je nach Infek­ti­ons­ge­sche­hen nicht mehr voll­um­fäng­lich gelei­stet werden.
  • Ent­schä­di­gung für die Eltern bei Ver­dienst­aus­fall nach dem Infek­ti­ons­schutz­ge­setz wegen Qua­ran­tä­ne ihrer Kin­der, damit der Druck auf die Eltern und vor allem die Allein­er­zie­hen­den genom­men wird. Ähn­lich zu ver­fah­ren wäre, wenn die Ein­rich­tun­gen immer wie­der ihre Ange­bo­te redu­zie­ren müs­sen, weil gar nicht mehr genü­gend Per­so­nal da ist.
  • FFP2 Mas­ken für alle Beschäf­tig­ten vom Staat, dies kann anschei­nend nicht der Für­sor­ge­pflicht der Trä­ger über­las­sen wer­den, was im Übri­gen auch mit einem seit lan­gem in den mei­sten Berei­chen kaputt­ge­spar­ten System zu tun haben könnte.
  • Mehr För­de­rung von Eltern­grup­pen, die ihre Kin­der selbst betreu­en durch Über­nah­me von Ver­dienst­aus­fäl­len, Son­der­kün­di­gungs­schutz für die­se Eltern, kla­re Bot­schaf­ten an die „Wirt­schaft“, dass das Per­so­nal nicht wie immer ein­setz­bar ist und Rück­sicht genom­men wer­den muss.
  • Umset­zung der RKI Emp­feh­lun­gen: Reduk­ti­on der Grup­pen­grö­ßen und feste Grup­pen statt Regelbetrieb
  • Unmiss­ver­ständ­li­che Wei­sun­gen an die Trä­ger, die Kolleg*innen der Risi­ko­grup­pen nicht am Kind ein­zu­set­zen, Kon­trol­len und Weg­fall der Refi­nan­zie­rung bei Ver­stö­ßen. Son­der­kün­di­gungs­schutz für die­se Gruppe
  • Falls in Schu­len die Feri­en frü­her begin­nen sol­len, ist das auch auf die Ein­rich­tun­gen der Jugend­hil­fe auszuweiten.