For­schung an der Hoch­schu­le Hof: Mit Fische­rei­ab­fäl­len gegen Bak­te­ri­en und Viren

Symbolbild Bildung

Ein span­nen­des For­schungs­pro­jekt mit aktu­el­lem Bezug und viel­fäl­ti­gen Ein­satz­mög­lich­kei­ten läuft der­zeit an der Hoch­schu­le Hof: Am Insti­tut für Mate­ri­al­wis­sen­schaf­ten (ifm) beschäf­tigt man sich mit der Erfor­schung anti­bak­te­ri­el­ler Ober­flä­chen­be­schich­tun­gen. Die­se Lack­ver­bin­dun­gen sol­len in der Zukunft ins­be­son­de­re in Kran­ken­häu­sern, Arzt­pra­xen oder auch in öffent­li­chen Ver­kehrs­mit­teln ein­ge­setzt wer­den und die Ver­brei­tung von Bak­te­ri­en und Viren hem­men. Hel­fen soll dabei erst­mals ein natur­na­her Stoff, der aus bis­lang wenig genutz­ten Fische­rei­ab­fäl­len gewon­nen wer­den kann.

Forscherin Jessica Wittmann am Mikroskop. Foto: Hochschule Hof

For­sche­rin Jes­si­ca Witt­mann am Mikro­skop. Foto: Hoch­schu­le Hof

Jes­si­ca Witt­mann (31) ist wis­sen­schaft­li­che Mit­ar­bei­te­rin im For­schungs­pro­jekt „Kran­ken­haus­bett“ an der Hoch­schu­le Hof. Zusam­men mit zwei Kol­le­gIn­nen hat es sich die stu­dier­te Indu­strie­me­cha­ni­ke­rin mit Schwer­punkt Werk­stoff­tech­nik, die auch einen Master­ab­schluss in ange­wand­ten Ober­flä­chen- und Mate­ri­al­wis­sen­schaf­ten besitzt, zur Auf­ga­be gemacht, aktiv gegen ein Pro­blem anzu­for­schen, das der­zeit welt­weit in aller Mun­de ist: Mit Hil­fe neu­ar­ti­ger Lack­be­schich­tun­gen möch­ten die Hofer For­sche­rIn­nen die Aus­brei­tung von Bak­te­ri­en und Viren auf Ober­flä­chen hem­men – und dies ins­be­son­de­re an hoch­fre­quen­tier­ten und des­halb hygie­nisch beson­ders kri­ti­schen Orten. Kran­ken­haus­bet­ten die­nen trotz des Pro­jekt­na­mens dabei frei­lich nur als ein mög­li­ches Anwen­dungs­bei­spiel von vielen.

„Zwar gibt es bereits Lacke, die anti­bak­te­ri­ell wir­ken. Die­se ent­hal­ten aber Stof­fe, die hin­sicht­lich ihrer Wir­kung auf den Men­schen stark in der Kri­tik ste­hen – man den­ke zum Bei­spiel Lacke mit Nano-Sil­ber. Wir wol­len die­se Stof­fe durch haut­freund­li­che Natur­roh­stof­fe erset­zen. Und das im Ide­al­fall mit glei­cher oder sogar bes­se­rer Wir­kung“, erklärt Jes­si­ca Witt­mann ihren Forschungsansatz.

Beispiele für die Einbindung von Chitosan in Oberflächen. Foto: Hochschule Hof

Bei­spie­le für die Ein­bin­dung von Chi­to­san in Ober­flä­chen. Foto: Hoch­schu­le Hof

Hel­fen soll dabei ein ganz beson­de­rer Stoff, der sich bis­lang in eini­gen Zahn­rei­ni­gungs­pro­duk­ten, in Pflan­zen­schutz­mit­teln oder Medi­zin­pro­duk­ten fin­det: Chi­to­san. Das natür­li­che Bio­po­ly­mer kommt in den Scha­len von Kru­sten­tie­ren vor und es kann anti­mi­kro­biell, anti­bak­te­ri­ell und anti­vi­ral wir­ken. In einem mehr­stu­fi­gen Pro­zess aus Fische­rei­ab­fäl­len gewon­nen, erreicht es das Hofer Labor in Form eines wei­ßen Pul­vers. Die rich­ti­gen Pro­zes­se zur Wei­ter­ver­ar­bei­tung, die rich­ti­ge Dosie­rung und nicht zuletzt auch die best­mög­li­che Ein­brin­gung in den Ober­flä­chen­lack sind es dann, wel­che Jes­si­ca Witt­mann und ihre Kol­le­gen im Rah­men vie­ler Test­rei­hen beschäf­ti­gen. Dabei haben es die For­sche­rIn­nen noch mit einer gan­zen Rei­he an Unbe­kann­ten zu tun:

„Wir wis­sen bis­lang noch nicht: Wirkt Chi­to­san am besten als Pul­ver, in Par­ti­kel­form oder ander­wei­tig gelöst? Unklar ist auch, wel­che Dosie­rung aus­rei­chen wird, um letzt­lich die best­mög­li­che anti­bak­te­ri­el­le Wir­kung zu errei­chen“, so Witt­mann, die vor Ihrer Tätig­keit an der Hoch­schu­le Hof vier Jah­re in der Ent­wick­lungs­ab­tei­lung eines bekann­ten Poly­mer-Spe­zia­li­sten aus Ober­fran­ken arbeitete.

Die Fra­ge der Dosie­rung, also wie­viel Chi­to­san pro Qua­drat­me­ter Ober­flä­che benö­tigt wird, kann letzt­lich auch dar­über ent­schei­den, ob das fer­ti­ge Pro­dukt tat­säch­lich sei­nen Weg in den All­tag in Kran­ken­häu­ser, Arzt­pra­xen oder Bus­sen fin­det – immer­hin ist der Pro­zess der Gewin­nung des Stof­fes recht auf­wen­dig und daher teu­er. Erfah­rungs­wer­te gibt es hier­bei bis­lang kei­ne, denn die Ein­brin­gung von Chi­to­san in Beschich­tungs­stof­fe steht bis­lang ganz am Anfang. „Wir haben aber die Hoff­nung, dass es sei­ne bekann­te Wir­kung auch in rela­tiv klei­ner Kon­zen­tra­ti­on ent­fal­ten kann, so dass ein indu­stri­el­ler Ein­satz spä­ter mög­lich ist“, gibt sich Jes­si­ca Witt­mann optimistisch.

Bis Mit­te 2022 soll das For­schungs­pro­jekt abge­schlos­sen sein. Es steht unter der fach­li­chen Lei­tung von Prof. Dr. Jörg Krum­eich, der ver­ant­wort­lich ist für den Bereich Werk­stoff- und Ober­flä­chen­tech­nik in der Fakul­tät Inge­nieurs­wis­sen­schaf­ten der Hoch­schu­le Hof. Es wird aus Mit­teln des Zen­tra­len Inno­va­ti­ons­pro­gram­mes Mit­tel­stand (ZIM) geför­dert. Als Indu­strie­part­ner steht mit laco­lor Lack­fa­bri­ka­ti­on GmbH ein in der Bran­che erfah­re­nes Unter­neh­men an der Sei­te der Hofer ForscherInnen.