Offe­ner Brief: „Bam­bergs leben­di­ge Stadt­kul­tur erhal­ten – trotz Corona“

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„kon­takt – Das Kul­tur­pro­jekt“ schlägt Alarm – offe­ner Brief an den Ober­bür­ger­mei­ster und die Stadt­rä­tin­nen und Stadt­rä­te der Stadt Bamberg

Der aktu­el­le Emp­feh­lungs­vor­schlag der Käm­me­rei für den Bam­ber­ger Finanz­se­nat macht ange­sichts der Fol­gen der Coro­na Pan­de­mie Vor­schlä­ge für weit­rei­chen­de Kür­zun­gen zum Zweck der Haus­halts­kon­so­li­die­rung. Mit Schrecken muss­ten wir fest­stel­len, dass gemäß die­ses Vor­schlags die Ansät­ze für „Beein­fluss­ba­re Sach­kost en“ um 25% gekürzt und die soge­nann­ten frei­wil­li­gen Lei­stun­gen für Kul­tur, Sport und Sozia­les „kri­tisch geprüft“ wer­den sol­len. Dazu gehö­ren expli­zit Posten wie „Aus­ga­ben für Ver­an­stal­tun­gen“ oder „Außen­stel­len der Stadtbücherei“.

Nach einem Kom­mu­nal­wahl­kampf, bei dem die För­de­rung des kul­tu­rel­len Lebens in Bam­berg eine her­aus­ge­ho­be­ne Bedeu­tung über Par­tei­gren­zen hin­weg hat­te und nach außer­ge­wöhn­li­chem und bis dahin unge­kann­tem Enga­ge­ment der Kul­tur­ver­wal­tung ins­be­son­de­re bei der Akti­on „Nach­som­mer an der Erba Spit­ze“, unter­stützt von „Köp­fe für Kul­tur“, droht nun ange­sichts der Covid 19 Pan­de­mie also eine Rol­le Rück­wärts, bedingt durch klam­me Kassen.

Es ist unstrit­tig, dass das Jahr 2020 in finan­zi­el­ler und in jeder ande­ren Hin­sicht eine Aus­nah­me­si­tua­ti­on dar­stellt. Und eben genau dar­um, weil dies eine abseh­ba­re Kri­se ist, muss aus unse­rer Sicht bei der „kri­ti­schen Prü­fung“ ganz beson­ders berück­sich­tigt wer­den, ob durch die Kür­zun­gen Struk­tu­ren dau­er­haft zer­stört wer­den könn­ten, die für eine wach­sen­de, diver­ser wer­den­de und von kul­tu­rel­lem Mit­ein­an­der gepräg­te Stadt von unschätz­ba­rem Wert sind.

Eine Kür­zung der För­de­rung für sich bereits in pre­kä­ren Lagen befin­den­den Kul­tur­in­sti­tu­tio­nen bedeu­tet, dass nach dem Best Prac­ti­ce Bei­spiel „Köp­fe für Kul­tur“ nun Köp­fe der Kul­tur rol­len werden .

Ehren- wie Haupt­amt­li­che wer­den ihr Enga­ge­ment ein­stel­len müs­sen, weil ihnen die finan­zi­el­le Grund­la­ge ent­zo­gen wird. Die­ses Poten­zi­al ver­schwin­det und wird nicht ein­fach wie­der kommen.

Der Vor­schlag ver­kennt den Wert kul­tu­rel­ler Bil­dung, viel­leicht auch weil die kau­sa­len Zusam­men­hän­ge ihrer posi­ti­ven Aus­wir­kun­gen auf wirt­schaft­li­che Kenn­zah­len sehr indi­rekt und daher kaum nach­weis­bar sind. Es dürf­te aber auf der Hand lie­gen, dass eine Redu­zie­rung der Außen­stel­len der Stadt­bi­blio­thek den Zugang zu kul­tu­rel­ler Bil­dung erschwert und dass dies mit­tel und lang­fri­stig sozia­le Kosten nach sich zieht zumal in einer Stadt, die sozi­al­räum­lich stark auf ihr Zen­trum hin fixiert ist und über kei­nen star­ken öffent­li­chen Nah­ver­kehr verfügt.

Der Vor­schlag ver­kennt den außer­ge­wöhn­li­chen per­sön­li­chen Ein­sat­zes der Akteur*innen der frei­en Kul­tur­sze­ne, der häu­fig einen beson­ders star­ken Hebel für öffent­li­che Inve­sti­tio­nen dar­stellt. So erwuchs 2019 aus 15.000 € kom­mu­na­ler För­de­rung für „kon­takt das Kul­tur­fe­sti­val“ ein Gesamt­um­satz von 100.000 €, obwohl der Ein­tritt kosten­frei ist. Im Coro­na Jahr schwin­den die Rück­la­gen des Ver­eins rasant und wer­den exi­stenz­be­dro­hend. Des­sen unge­ach­tet haben die Akteur*innen in der Zeit der Kon­takt­be­schrän­kun­gen schnell und fle­xi­bel hygie­ne­kom­pa­ti­ble Ver­an­stal­tungs­for­ma­te ent­wickelt und durch­ge­führt (Kon­takt­hö­fe, Fensterbeats).

Der Vor­schlag ver­kennt auch die wirt­schaft­li­che Rele­vanz, die sich aus der engen per­so­nel­len Ver­knüp­fung ehren­amt­li­cher und semi­pro­fes­sio­nel­ler Struk­tu­ren mit Unter­neh­men der Kul­tur- und und Krea­tiv­wirt­schaft erge­ben. In der euro­päi­schen Metro­pol­re­gi­on Nürn­berg, wel­cher Ober­bür­ger­mei­ster Star­ke vor­sitzt, erwirt­schaf­te­te die­se wach­sen­de Bran­che 4,2 MRD €. Für Bam­berg ist die Bedeu­tung die­ses Wirt­schafts­sek­tors beson­ders groß und auch im Bun­des­ver­gleich über­durch­schnitt­lich. Wenn die Stadt die ehren­amt­li­che und semi­pro­fes­sio­nel­le Arbeit in die­sem Bereich sich selbst über­lässt, droht der per­so­nel­le Nähr­bo­den für die­ses Seg­ment zu ver­trock­nen, was auch aus haus­hal­te­ri­scher Sicht in lang­fri­sti­ger Per­spek­ti­ve nie­mand wol­len kann.

Eine Austeri­täts­po­li­tik auf Kosten der sozia­len und kul­tu­rel­len Res­sour­cen einer Stadt­ge­sell­schaft kon­ter­ka­riert aufs Schärf­ste die Poli­tik von Bund und Frei­staat, die Zivil­ge­sell­schaft und Kul­tur (z.B. durch das Pro­gramm Neu­start Kul­tur) dabei unter­stüt­zen, eine sin­gu­lä­re und in ihrer Dau­er abseh­ba­re Kri­se, in wel­che die Betrof­fe­nen völ­lig unver­schul­det gerutscht sind, zu über­brücken. Dafür wird ganz bewusst Neu­ver­schul­dung in Kauf genom­men. Die­se Bemü­hun­gen wer­den in Bam­berg durch einen strik­ten Spar­kurs ad absur­dum geführt. Die sozia­len und kul­tu­rel­len Spät­fol­gen, die dar­aus zu ent­ste­hen dro­hen, wer­den uns in Bam­berg noch lan­ge beschäf­ti­gen, umso mehr in einer Zeit, in der das sozia­le und kul­tu­rel­le Mit­ein­an­der zuneh­mend unter Druck steht.

Ein leben­di­ges, krea­ti­ves und soli­da­ri­sches Gemein­we­sen gibt es nicht umsonst. Die sozia­len und kul­tu­rel­len Leistungsträger*innen tun was sie tun nicht in erster Linie des Gel­des wegen. Aber sie sind dafür auf gewis­se finan­zi­el­le Unter­stüt­zung ange­wie­sen. Ein­spa­run­gen von 25 % bedeu­ten zwangs­läu­fig Selbst­aus­beu­tung, Depro­fes­sio­na­li­sie­rung und das unwi­der­ruf­li­che Weg­bre­chen sozia­ler und kul­tu­rel­ler Infra­struk­tu­ren und Akteur*innen, ohne die das Zusam­men­le­ben in Bam­berg dau­er­haft ärmer sein wird.

Wir for­dern daher:

  • Sicher­stel­lung des Über­le­bens der Insti­tu­tio­nen der frei­en Kul­tur- und Bil­dungs­ar­beit. Kei­ne Kür­zung ent­spre­chen­der städ­ti­scher Fördermittel.
  • Ver­zicht auf die Redu­zie­rung der Stadtteilbibliotheken
  • Soweit für die­se Zwecke erfor­der­lich die Auf­nah­me von Neu­ver­schul­dung und der Rück­griff auf Rücklagen
  • Erar­bei­tung eines Master­plans, wie nach der Pan­de­mie für den Rest der Legis­la­tur­pe­ri­ode sicher­ge­stellt wer­den kann, dass die För­de­rung der frei­en Kul­tur­sze­ne nach­hal­tig ver­bes­sert ver­bes­sert wird.

Unter­zeich­ne­rin­nen und Unterzeichner:

„kon­takt – Das Kul­tur­pro­jekt“ und vie­le, vie­le Ver­ei­ne, Akteu­re und Kulturschaffende

P.S.: Falls Sie den Brief, der auf­grund des hohen Mit­un­ter­zeich­nungs­an­ge­bo­tes zur Peti­ti­on umge­wan­delt wur­de, eben­falls unter­schrei­ben wol­len und damit ihre Stadtratskolleg:innen wei­ter über­zeu­gen wol­len, fol­gen Sie die­sem Link: https://​www​.open​pe​ti​ti​on​.de/​p​e​t​i​t​i​o​n​/​o​n​l​i​n​e​/​b​a​m​b​e​r​g​s​-​l​e​b​e​n​d​i​g​e​-​s​t​a​d​t​k​u​l​t​u​r​-​e​r​h​a​l​t​e​n​-​t​r​o​t​z​-​c​o​r​ona