Bam­ber­ger Infor­ma­ti­ker im Undercover-Einsatz

Symbolbild Bildung

Drei For­scher haben mehr als 200 Apps gete­stet: Geben die Anbie­ter per­sön­li­che Nut­zer­da­ten auf Anfra­ge heraus?

Auch in der Wis­sen­schaft gibt es ver­deck­te Ermitt­ler: Mit soge­nann­ter „Under­co­ver-Feld­for­schung“ haben drei Infor­ma­ti­ker der Uni­ver­si­tä­ten Bam­berg und Ham­burg sowie der TU Ber­lin die Anbie­ter von Apps auf die Pro­be gestellt. Sie woll­ten her­aus­fin­den, ob die­se wie vor­ge­schrie­ben die per­sön­li­chen Nut­zer­da­ten auf Anfra­ge her­aus­ge­ben. „Unse­re Stu­die zeigt, dass vie­le Anbie­ter ihrer gesetz­li­chen Aus­kunfts­pflicht nicht nach­kom­men“, sagt Prof. Dr. Domi­nik Herr­mann, Inha­ber des Lehr­stuhls für Pri­vat­sphä­re und Sicher­heit in Infor­ma­ti­ons­sy­ste­men an der Uni­ver­si­tät Bam­berg. „Ins­ge­samt haben wir 225 iOS- und Android-Apps unter­sucht. Bei den mei­sten Anbie­tern gab es etwas zu bean­stan­den.“ Die Stu­die wur­de im August auf der inter­na­tio­na­len IT-Sicher­heits-Kon­fe­renz „ARES 2020“ vor­ge­stellt und als beste Ein­rei­chung mit dem Best-Paper-Award ausgezeichnet.

Ein Fünf­tel der App-Anbie­ter ant­wor­te­te nicht

Domi­nik Herr­mann, Jens Lin­de­mann von der Uni­ver­si­tät Ham­burg und Jacob Leon Krö­ger von der TU Ber­lin haben die Ver­laufs­stu­die zwi­schen 2015 und 2019 durch­ge­führt. Der Titel lau­tet: „How do app ven­dors respond to sub­ject access requests? A lon­gi­tu­di­nal pri­va­cy stu­dy on iOS and Android Apps“. Für ihre Under­co­ver-Unter­su­chung leg­ten die Infor­ma­ti­ker fik­ti­ve Nut­zer­pro­fi­le an, sodass ins­ge­samt 225 App-Anbie­ter Zugang zu die­sen per­sön­li­chen Daten beka­men. Rund ein Drit­tel der Apps stamm­te aus Deutsch­land, die ande­ren aus Län­dern welt­weit. In den Jah­ren 2015, 2018 und 2019 baten die Wis­sen­schaft­ler die Anbie­ter dar­um, ihnen die per­sön­li­chen Daten zu nen­nen, die sie von ihnen gespei­chert hat­ten. „Vie­le Anbie­ter – im Schnitt 20 Pro­zent – ant­wor­te­ten gar nicht, man­che waren nicht ein­mal erreich­bar“, erläu­tert Domi­nik Herr­mann. Häu­fig sei­en die Ant­wor­ten unge­nü­gend gewe­sen, etwa weil sie unver­ständ­lich struk­tu­riert waren oder die Links zu den ange­for­der­ten Daten nicht funk­tio­nier­ten. „Ein Anbie­ter hat uns ver­se­hent­lich sogar die sen­si­blen Daten einer ande­ren Per­son geschickt.“

DSGVO führ­te nicht zu einer Verbesserung

Beson­de­res Augen­merk leg­ten die Wis­sen­schaft­ler auf die Unter­schie­de zwi­schen 2018 und 2019. Im Mai 2018 wur­de die Daten­schutz-Grund­ver­ord­nung (DSGVO) ein­ge­führt, die unter ande­rem das Recht auf Aus­kunft über per­so­nen­be­zo­ge­ne Daten kon­kre­ti­siert. „Nach der Ein­füh­rung erwar­te­ten wir einen posi­ti­ven Trend“, so Domi­nik Herr­mann. „Statt­des­sen ging die Zahl der akzep­ta­blen Ant­wor­ten ten­den­zi­ell eher noch zurück: von 53 Pro­zent im Jahr 2018 auf 41 Pro­zent im Jahr 2019.“ Eine Ant­wort war für die Wis­sen­schaft­ler akzep­ta­bel, wenn der Anbie­ter ent­we­der die ange­for­der­ten Nut­zer­da­ten schick­te oder wenn er glaub­wür­dig begrün­den konn­te, dass die Daten nicht mehr gespei­chert waren. Bedenk­lich fin­det das For­scher­team, dass rund drei Vier­tel der Anbie­ter nicht die Iden­ti­tät der antrag­stel­len­den Per­son über­prüf­ten. Posi­ti­ve Ent­wick­lun­gen stell­ten die For­scher inner­halb der vier Jah­re nur in ein­zel­nen Berei­chen fest, bei­spiels­wei­se wur­den den Anfra­gen­den häu­fi­ger ver­ständ­li­che Daten zur Ver­fü­gung gestellt.

Ver­bes­se­rung durch mehr Res­sour­cen und Stichproben

Was kön­nen Nut­ze­rin­nen und Nut­zer tun, die nicht die gewünsch­te Aus­kunft erhal­ten? „Betrof­fe­ne soll­ten sich an Daten­schutz­be­hör­den wen­den, die der­ar­ti­ge Ver­stö­ße ver­fol­gen“, erklärt Domi­nik Herr­mann. Er emp­fiehlt außer­dem, Apps grund­sätz­lich mit Bedacht aus­zu­wäh­len und mög­lichst wenig Per­sön­li­ches preis­zu­ge­ben – oder gar fal­sche Anga­ben zu machen, sofern mög­lich. Um die Vor­schrif­ten der DSGVO bes­ser durch­zu­set­zen, sieht das For­scher­team vor allem den Staat in der Pflicht: „Die zustän­di­gen Auf­sichts­be­hör­den benö­ti­gen mehr Bud­get und Per­so­nal, um ihre gesetz­lich vor­ge­se­he­ne Auf­ga­be zu erfül­len. Sie könn­ten dann umfas­sen­de Stich­pro­ben­kon­trol­len durch­füh­ren oder bran­chen­spe­zi­fi­sche Richt­li­ni­en für Unter­neh­men erlas­sen. Idea­ler­wei­se stel­len uns App-Anbie­ter in Zukunft ein­heit­li­che und auto­ma­ti­sier­te Schnitt­stel­len für sol­che Aus­kunfts­an­fra­gen zur Ver­fü­gung. Dadurch könn­ten sie auf die feh­ler­an­fäl­li­ge manu­el­le Bear­bei­tung verzichten.“

Publi­ka­ti­on (Open Access):

Jacob Leon Krö­ger, Jens Lin­de­mann, Domi­nik Herr­mann. 2020. How do app ven­dors respond to sub­ject access requests? A lon­gi­tu­di­nal pri­va­cy stu­dy on iOS and Android Apps. ARES ’20: Pro­ce­e­dings of the 15th Inter­na­tio­nal Con­fe­rence on Avai­la­bi­li­ty, Relia­bi­li­ty and Security.
https://​dl​.acm​.org/​d​o​i​/​1​0​.​1​1​4​5​/​3​4​0​7​0​2​3​.​3​4​0​7​057

Eng­li­sche Video-Prä­sen­ta­ti­on der wich­tig­sten Ergeb­nis­se (15 Minu­ten): https://​vimeo​.com/​4​4​4​1​5​8​701

Das Pro­jekt stammt aus dem For­schungs­schwer­punkt „Digi­ta­le Geistes‑, Sozi­al- und Human­wis­sen­schaf­ten“ der Uni­ver­si­tät Bam­berg. Wei­te­re Infor­ma­tio­nen und aktu­el­le Mel­dun­gen zum Schwer­punkt fin­den Sie unter www​.uni​-bam​berg​.de/​f​o​r​s​c​h​u​n​g​/​p​r​o​f​i​l​/​d​i​g​i​t​a​l​e​-​g​e​i​s​t​e​s​-​s​o​z​i​a​l​-​h​u​m​a​n​w​i​s​s​e​n​s​c​h​a​f​ten. ­­