Vor­trag in Thur­n­au: „Die Geschich­te des Deka­nats Thurnau“

Der Vortrag war gut besucht / Foto: Tim Herzog

Kirch­li­che Struk­tu­ren unter­lie­gen Ver­än­de­run­gen. Vor dem Hin­ter­grund der aktu­el­len Debat­te „Pro­fil und Ver­än­de­rung“ zur Zukunft der evang.-luth. Kir­che in Bay­ern zeig­te der Histo­ri­ker Dr. Mar­cus Mühlnik­el vom Insti­tut für Frän­ki­sche Lan­des­ge­schich­te in Thur­n­au die histo­ri­sche Ent­wick­lung des Deka­nats­be­zir­kes Thur­n­au seit den Zei­ten der Refor­ma­ti­on auf. Die mehr als 40 Besucher/​innen kamen auf Ein­la­dung des Deka­nats Thur­n­au und des Evan­ge­li­schen Bil­dungs­wer­kes Ober­fran­ken-Mit­te in den Thur­nau­er Licht­blick und erleb­ten einen span­nen­den Über­blick über eine wech­sel­vol­le Geschich­te ihres Dekanatsbezirks.

Die Kir­chen­ge­bäu­de im Deka­nats­be­zirk erzäh­len mit ihren jewei­li­gen Wap­pen von den unter­schied­li­chen Herr­schafts­ver­hält­nis­sen im Wan­del der Zeit. Prä­gend waren Adels­fa­mi­li­en Förtsch, Giech und Küns­berg. Nach der Refor­ma­ti­on ent­wickel­te sich das lan­des­herr­li­che Kir­chen­re­gi­ment, nach dem die jewei­li­gen Lan­des­herrn – mit dem Augs­bur­ger Reli­gi­ons­frie­de – 1555 das Recht hat­ten, die Kon­fes­si­on in ihrem jewei­li­gen Ter­ri­to­ri­um fest­zu­le­gen. Der heu­ti­ge Deka­nats­be­zirk wur­de luthe­risch. Bedeut­sam für die Aus­übung der Kir­chen­ge­walt war das Patro­nats­recht mit allen Rech­ten und Pflichten.

Im Jahr 1678 errich­te­te die Adels­fa­mi­lie Giech ein eige­nes Kon­si­sto­ri­um für ihre Pfar­rei­en – und bil­de­te damit eine eige­ne klei­ne Lan­des­kir­che mit eige­ner Kir­chen- und Got­tes­dienst­ord­nung und eige­nem Gesang­buch. Die Umwäl­zun­gen in Euro­pa im Zuge der Fran­zö­si­schen Revo­lu­ti­on und den fol­gen­den Koali­ti­ons­krie­gen führ­ten auch zu Ver­än­de­run­gen der kirch­li­chen Situa­ti­on. Thur­n­au wur­de 1796 preu­ßisch, das Giech´sche Kon­si­sto­ri­um blieb erhal­ten. Nach der Nie­der­la­gen Preu­ßens im 4. Koali­ti­ons­krieg gegen Frank­reich wur­de Thurau mit dem Frie­den von Til­sit 1807 fran­zö­sisch. 1810 wur­den die unter fran­zö­si­scher Ver­wal­tung ste­hen­den frän­ki­schen Gebie­te vom König­reich Bay­ern gekauft. Thur­n­au gehört seit­her zu Bayern.

Das König­reich Bay­ern streb­te eine mit den Lan­des­gren­zen über­ein­stim­men­de Orga­ni­sa­ti­ons­form an. Für die mitt­le­re Ver­wal­tungs­ebe­ne ent­stan­den Deka­na­te, so auch in Thur­n­au. Doch schon 1819/1820 ver­lie­ßen Kasen­dorf, Trums­dorf und Won­sees den Deka­nats­be­zirk und bil­de­ten für weni­ge Jah­re (bis 1826) ein eige­nes Deka­nat Kasen­dorf. Doch das Deka­nat Thur­n­au wies eine wei­te­re Beson­der­heit auf: den Gra­fen von Giech wur­de per Edikt ein Son­der­sta­tus als „stan­des­herr­li­ches Haus“ zuer­kannt. Kirch­lich bedeu­te­te dies, dass die Fami­lie Giech ein eige­nes Kon­si­sto­ri­um unter­hielt, das unmit­tel­bar dem Ober­kon­si­sto­ri­um und nicht dem Kon­si­sto­ri­um in Bay­reuth unter­stellt war. Erst 1847 erfolg­te der Über­gang an das Kon­si­sto­ri­um in Bayreuth.

Im Zuge der Revo­lu­ti­on von 1848 leg­te Graf von Giech sein Patro­nat über die Pfar­rei­en des Deka­nats schwe­ren Her­zens nie­der. Das Deka­nat wur­de 1850 offi­zi­ell vom baye­ri­schen Staat über­nom­men. Die näch­sten Ver­än­de­run­gen kamen schon 1853: Kasen­dorf, Won­sees, Trums­dorf, Hut­sch­dorf, Neu­städt­lein am Forst und Lan­gen­stadt kamen zum Deka­nats­be­zirk Thur­n­au, nach­dem ein baye­ri­sches Land­ge­richt Thur­n­au errich­tet wor­den war. Denn der Staat woll­te kirch­li­che und staat­li­che Struk­tu­ren in Ein­klang bringen.

Mit dem Ende der Mon­ar­chie 1918 wur­den die staat­li­chen Kon­si­sto­ri­en auf­ge­löst und die Kir­che in die Eigen­stän­dig­keit ent­las­sen. 1921 wur­de der Kir­chen­kreis Bay­reuth gegrün­det, dem auch das Deka­nat Thur­n­au ange­hört. Doch auch in den seit­her ver­gan­ge­nen 99 Jah­ren gab es man­nig­fal­ti­ge Her­aus­for­de­run­gen, die von den Gemein­den zu bewäl­ti­gen waren bis in unse­re Zeit.

Autor: Dr. Jür­gen Wolff