Lich­ten­berg gedenkt des 86. Todes­tags des Gei­gen­vir­tuo­sen Hen­ri Marteau

Die Künst­ler­vil­la als Erbe des berühm­ten Geigers

Henri Marteau 1910

Por­trait Hen­ri Mar­teau: E. Bie­ber, Berlin

Der Ort Lich­ten­berg im Land­kreis Hof beher­bergt eine in Euro­pa ein­ma­li­ge Ein­rich­tung: In der ein­sti­gen Vil­la des Gei­gen­vir­tuo­sen Hen­ri Mar­teau (1874–1934) betreibt der Bezirk Ober­fran­ken seit fast 40 Jah­ren eine Inter­na­tio­na­le Musik­be­geg­nungs­stät­te. In der Künst­ler­vil­la ver­voll­komm­nen jun­ge Musi­ker aus aller Welt ihr Spiel unter Anlei­tung renom­mier­ter Dozen­ten. Die Abschluss­kon­zer­te der Mei­ster­kur­se in Haus Mar­teau fol­gen einer Tra­di­ti­on des ein­sti­gen Haus­herrn, des­sen Todes­tag sich in die­sen Tagen jährt (4. Okto­ber 1934).

Bezirks­tags­prä­si­dent Hen­ry Schramm schätzt die hoch­ran­gi­ge Kul­tur­ein­rich­tung, die der Bezirk in allei­ni­ger Trä­ger­schaft unter­hält: „Ich bin sehr froh, dass der Bezirk Ober­fran­ken 1980 das Haus des gro­ßen Vio­li­ni­sten Hen­ri Mar­teau gekauft hat. Wie zu des­sen Leb­zei­ten erklingt in der Künst­ler­vil­la das gan­ze Jahr über Welt­klas­se-Musik und ermög­licht wun­der­ba­re Kul­tur­er­leb­nis­se in der Regi­on. Hen­ri Mar­te­aus Grab­stät­te liegt im weit­läu­fi­gen Park des Hau­ses, das mit sei­nem groß­bür­ger­li­chen Flair eine ein­zig­ar­ti­ge Atmo­sphä­re besitzt.“

Das außer­ge­wöhn­li­che Talent des Vio­li­ni­sten war schon früh erkenn­bar. Als Zehn­jäh­ri­ger debü­tier­te der gebür­ti­ge Fran­zo­se mit deut­scher Mut­ter in sei­ner Hei­mat­stadt Reims vor 2.000 Zuhö­rern; 1887 gelang ihm der künst­le­ri­sche Durch­bruch bei einem Kon­zert der Gesell­schaft der Musik­freun­de in Wien. Die stei­le Kar­rie­re führ­te den Gei­gen­vir­tuo­sen nach Genf, wo er mit nur 26 Jah­ren Pro­fes­sor am Con­ser­va­toire de Musi­que wur­de. Ins­ge­samt sind mehr als 3.000 Auf­trit­te des erfolg­rei­chen Musi­kers in ganz Euro­pa, dem Nahen Osten und Nord­ame­ri­ka belegt. Höhe­punkt sei­ner Lauf­bahn war die Beru­fung zum Vio­lin­pro­fes­sor an der Hoch­schu­le für Musik in Ber­lin 1908.

Eingangshalle Haus Marteau: Bezirk Oberfranken

Ein­gangs­hal­le Haus Mar­teau: Bezirk Oberfranken

Drei Jah­re spä­ter kam Mar­teau auf Ein­la­dung sei­nes Freun­des Georg Hütt­ner nach Lich­ten­berg. Der damals welt­be­rühm­te Gei­ger war begei­stert von der herr­li­chen Mit­tel­ge­birgs­land­schaft und schuf sich am Orts­rand an der Loben­stei­ner Stra­ße in den Jah­ren 1912/13 einen Som­mer­sitz. Wie erfolg­reich der Künst­ler damals war, rech­net Mar­teau-Bio­graph Gün­ther Weiß vor: Mar­teau konn­te die Bau­ko­sten sei­ner Vil­la in Höhe von 30.000 Mark aus Gagen von nur ein­ein­halb Jah­ren bestrei­ten, belegt er in sei­nem Werk „Der gro­ße Gei­ger Hen­ri Marteau“.

Doch die Fol­gen des 1. Welt­kriegs führ­ten zum dra­ma­ti­schen Ein­bruch von Mar­te­aus glanz­vol­ler Kar­rie­re. Als Deutsch­fran­zo­se und fran­zö­si­scher Reser­ve­of­fi­zier war er in Deutsch­land natio­na­li­sti­schen Anfein­dun­gen aus­ge­setzt und stand unter Ver­dacht, ein fran­zö­si­scher Spi­on zu sein. In Frank­reich wie­der­um galt er als Deutscher.
Mar­teau wur­de im Sep­tem­ber 1914 ver­haf­tet, obwohl er sich wie­der­holt zur deut­schen Kul­tur bekannt hat­te. „Eine mona­te­lan­ge Odys­see durch preu­ßi­sche Gefäng­nis­se und Lager begann, an der Musik­hoch­schu­le in Ber­lin wur­de das Ende sei­ner Lehr­tä­tig­keit besie­gelt. Zwei Jah­re lang wur­de Mar­teau wie­der­holt inter­niert, kehr­te zwar nach Lich­ten­berg zurück, stand aber fort­an unter Haus­ar­rest und muss­te sich täg­lich im Lich­ten­ber­ger Rat­haus mel­den“, erin­nert der Ver­wal­tungs­lei­ter von Haus Mar­teau, Dr. Ulrich Wirz an die Kriegszeit.
Die Lich­ten­ber­ger Vil­la wur­de nach dem Ende des Krie­ges zum Haupt­wohn­sitz für den Gei­gen­künst­ler und sei­ne Fami­lie. Der Vio­lin­vir­tuo­se hat­te Pro­fes­su­ren in Prag, Leip­zig und Dres­den inne, die aller­dings den Ver­lust sei­ner Posi­ti­on an der Musik­hoch­schu­le Ber­lin nicht annä­hernd aus­glei­chen konnten.
Bis zu sei­nem Tod im Jahr 1934 unter­rich­te­te er in der Künst­ler­vil­la Schü­ler aus aller Welt und begrün­de­te die Tra­di­ti­on der Abschluss­kon­zer­te, die bis heu­te als Dan­ke­schön für die Gast­freund­schaft der Lich­ten­ber­ger Bür­ger fort­ge­führt wird.

Hen­ri Mar­teau ver­starb am Mor­gen des 4. Okto­bers 1934 im Alter von 60 Jah­ren nach kur­zer, schwe­rer Krank­heit und wur­de unter gro­ßer Anteil­nah­me der inter­na­tio­na­len Musik­welt im Park sei­ner Vil­la bei­gesetzt. Kon­do­lenz­schrei­ben aus aller Welt erreich­ten die Hin­ter­blie­be­nen, dar­un­ter Tele­gram­me des vor­ma­li­gen Kai­sers Wil­helm II., König Gustavs von Schwe­den, König Boris‘ von Bul­ga­ri­en und des berühm­ten Diri­gen­ten Hans Knap­perts­busch. Rund­funk­sen­der ehr­ten den Ver­stor­be­nen mit Gedenk­stun­den und sen­de­ten Auf­füh­run­gen sei­ner Werke.

Sei­ne Wit­we Blan­che bewohn­te die Vil­la bis zu ihrem Tod 1977. Der Bezirk Ober­fran­ken erwarb die statt­li­che Vil­la samt Inte­ri­eur drei Jah­re spä­ter und mach­te sie zu einer Inter­na­tio­na­len Musik­be­geg­nungs­stät­te mit rund 40 Mei­ster­kur­sen im Jahr.
www​.haus​-mar​teau​.de