Bay­reu­ther For­scher: Tro­pi­sche Natur­schutz­ge­bie­te sind beson­ders stark von künf­ti­gen Kli­ma­än­de­run­gen betroffen

Symbolbild Bildung

Die Natur­schutz­ge­bie­te der Erde sind das Rück­grat für die Bewah­rung glo­ba­ler Bio­di­ver­si­tät. Vom künf­ti­gen Kli­ma­wan­del sind sie in sehr unter­schied­li­cher Wei­se betrof­fen. Detail­lier­te Kennt­nis­se der Kli­ma­wan­del­fol­gen vor Ort kön­nen daher zum Manage­ment von Schutz­ge­bie­ten und zum Erhalt ihrer öko­lo­gi­schen Lei­stun­gen wesent­lich bei­tra­gen. Dar­auf macht eine bio­geo­gra­fi­sche Stu­die der Uni­ver­si­tät Bay­reuth in der Zeit­schrift „Diver­si­ty and Dis­tri­bu­ti­ons“ auf­merk­sam. Sie beruht auf Kli­ma­pro­gno­sen für mehr als 130.000 Natur­schutz­ge­bie­te weltweit.

Für ihre neue Stu­die haben Prof. Dr. Carl Bei­er­kuhn­lein und Dr. Samu­el Hoff­mann am Lehr­stuhl für Bio­geo­gra­fie ins­ge­samt 137.735 Natur­schutz­ge­bie­te in sechs Kon­ti­nen­ten unter­sucht. Im Mit­tel­punkt stand dabei die Fra­ge, wel­chen Abwei­chun­gen von den der­zei­ti­gen Kli­ma­be­din­gun­gen die­se Gebie­te in den kom­men­den fünf Jahr­zehn­ten aus­ge­setzt sind und wie dadurch Pflan­zen- und Tier­ar­ten vor Ort gefähr­det wer­den. „Pau­scha­le Pro­gno­sen zum Kli­ma­wan­del rei­chen nicht aus, um dem dro­hen­den wei­te­ren Ver­lust an Bio­di­ver­si­tät ent­ge­gen­zu­tre­ten. Dies kann nur gelin­gen, wenn wir mehr dar­über wis­sen, wel­che loka­len Kli­ma­än­de­run­gen – bei­spiels­wei­se in Natur­schutz­ge­bie­ten – durch glo­ba­le Ten­den­zen ver­ur­sacht wer­den. Wie unse­re Stu­die ein­drucks­voll belegt, kön­nen die­se loka­len Aus­wir­kun­gen schon in räum­lich benach­bar­ten Gegen­den sehr ver­schie­den aus­fal­len“, sagt Beierkuhnlein.

Beson­ders star­ke loka­le Kli­ma­än­de­run­gen sind bis 2070 vor allem in Schutz­ge­bie­ten tro­pi­scher Län­der zu erwar­ten. Die­se haben heu­te für den Erhalt welt­weit gefähr­de­ter Pflan­zen- und Tier­ar­ten eine gro­ße Bedeu­tung und ste­hen unter hohem Druck, weil sie von den Men­schen inten­siv genutzt wer­den. Eini­ge von ihnen lie­gen in Gebir­gen hoch über dem Mee­res­spie­gel. Hier wer­den die Tem­pe­ra­tu­ren infol­ge des Kli­ma­wan­dels vor­aus­sicht­lich spür­bar anstei­gen. Folg­lich wer­den eini­ge gefähr­de­te Arten wahr­schein­lich ver­su­chen, in höhe­re und des­halb küh­le­re Gebirgs­re­gio­nen aus­zu­wei­chen. Dort aber könn­te die Gefähr­dung ein­zel­ner Arten schnell anstei­gen, weil in der Höhe weni­ger Res­sour­cen ver­füg­bar sind. „Für wan­dern­de Arten könn­ten sich höhe­re Gebirgs­la­gen als Sack­gas­se erwei­sen“, erklärt Hoffmann.

Die neue Stu­die zeigt aber auch: Schutz­ge­bie­te, in denen künf­ti­ge Kli­ma­ver­hält­nis­se beson­ders stark von der Gegen­wart abwei­chen, haben eini­ge Eigen­schaf­ten, die sich vor­teil­haft auf den Erhalt von Arten aus­wir­ken kön­nen. Sie sind oft sehr groß, wei­sen sehr unter­schied­li­che Land­schafts­pro­fi­le auf und bie­ten daher viel­fäl­ti­ge Umwelt­be­din­gun­gen. Zudem sind sie durch direk­te mensch­li­che Ein­grif­fe wenig bela­stet und kaum durch Ver­kehrs­we­ge zer­schnit­ten. Die­se Umstän­de begün­sti­gen die Anpas­sungs­fä­hig­keit von Arten, bei­spiels­wei­se durch gene­ti­schen Aus­tausch und höhe­re Res­sour­cen­ver­füg­bar­keit. Zudem kön­nen man­che Arten, die auf­grund von Kli­ma­än­de­run­gen zum Ver­las­sen ihrer ange­stamm­ten Lebens­räu­me gezwun­gen sind, infol­ge der land­schaft­li­chen Viel­falt bereits in ihrer Nach­bar­schaft neue Habi­ta­te fin­den. Des­halb kann ein über loka­le Kli­ma­ver­än­de­run­gen gut infor­mier­tes Manage­ment dazu bei­tra­gen, Fol­gen des Kli­ma­wan­dels in Natur­schutz­ge­bie­ten abzumildern.

Pro­gno­sen des glo­ba­len Kli­ma­wan­dels sind immer mit Unsi­cher­hei­ten behaf­tet. Des­halb haben die Bay­reu­ther For­scher bei ihrer Unter­su­chung der Natur­schutz­ge­bie­te mit zehn ver­schie­de­nen glo­ba­len Model­len des Kli­ma­wan­dels gear­bei­tet. Zudem haben sie zwei deut­lich von­ein­an­der abwei­chen­de Sze­na­ri­en der glo­ba­len Treib­haus­gas-Emis­sio­nen in ihre Beur­tei­lun­gen ein­be­zo­gen. In jedem der unter­such­ten Natur­schutz­ge­bie­te wur­den klei­ne qua­dra­ti­sche Flä­chen mit einer Grö­ße von rund einem Qua­drat­ki­lo­me­ter unter­sucht. Cha­rak­te­ri­sti­sche Eigen­schaf­ten die­ser „Zel­len“ wur­den anschlie­ßend ins Ver­hält­nis zu pro­gno­sti­zier­ten kli­ma­ti­schen Ände­run­gen gesetzt, die auf glo­ba­ler Ebe­ne bis 2070 zu erwar­ten sind. Zu die­sen Eigen­schaf­ten zäh­len bei­spiels­wei­se die Höhe über dem Mee­res­spie­gel, das Land­schafts­pro­fil, Nie­der­schlä­ge und Tem­pe­ra­tu­ren, die dort leben­den Pflan­zen- und Tier­ar­ten sowie Ein­grif­fe sei­tens der Men­schen. Mit die­sen Unter­su­chun­gen ist es den Bay­reu­ther For­schern gelun­gen, loka­le Kli­ma­wan­del­ef­fek­te auf klein­stem Raum abzuschätzen.

For­schungs­för­de­rung:

Die Bay­reu­ther Stu­die wur­de aus dem EU-Pro­jekt ECO­PO­TEN­TI­AL geför­dert, dem bis­her größ­ten EU-Pro­jekt zu Ökosystemen.