Nano­kri­stal­le las­sen Vul­ka­ne explo­die­ren: Bay­reu­ther Geo­for­scher ent­deckt Ursa­chen plötz­li­cher Eruptionen

Symbolbild Bildung

Dr. Dani­lo Di Geno­va berei­tet am BGI ein Expe­ri­ment mit basal­ti­schem Mag­ma unter hohen Drücken und hohen Tem­pe­ra­tu­ren vor. Foto: Chri­sti­an Wißler.

Win­zi­ge Kri­stal­le, zehn­tau­send Mal dün­ner als ein mensch­li­ches Haar, kön­nen explo­si­ons­ar­ti­ge Vul­kan­aus­brü­che ver­ur­sa­chen. Die­sen über­ra­schen­den Zusam­men­hang hat jetzt ein deutsch-bri­ti­sches For­schungs­team unter der Lei­tung von Dr. Dani­lo Di Geno­va vom Baye­ri­schen Geo­in­sti­tut (BGI) der Uni­ver­si­tät Bay­reuth ent­deckt. Die Kri­stal­le erhö­hen die Zäh­flüs­sig­keit des unter­ir­di­schen Mag­mas. Infol­ge­des­sen kommt es zu einem Stau auf­stei­gen­der Gase. Der kon­ti­nu­ier­lich stei­gen­de Druck ent­lädt sich schließ­lich in mas­si­ven Erup­tio­nen. In der Zeit­schrift „Sci­ence Advan­ces“ stel­len die Wis­sen­schaft­ler die Ergeb­nis­se ihrer nano­geo­wis­sen­schaft­li­chen For­schung vor.

„Für die Geo­for­schung war es immer ein Rät­sel, was den plötz­li­chen und gewalt­sa­men Aus­bruch schein­bar fried­li­cher Vul­ka­ne ver­an­lasst. Mit nano­geo­wis­sen­schaft­li­chen For­schungs­ar­bei­ten sind wir jetzt einer Erklä­rung auf die Spur gekom­men. Sehr klei­ne Kri­stall­körn­chen mit hohen Antei­len von Eisen, Sili­zi­um und Alu­mi­ni­um ste­hen am Anfang einer Ver­ket­tung von Ursa­chen und Wir­kun­gen, die für die Bevöl­ke­rung im Umkreis eines Vul­kans mit einer Kata­stro­phe enden kann. Der bis­her stärk­ste Vul­kan­aus­bruch in der Mensch­heits­ge­schich­te war 1815 der Aus­bruch des Mount Tam­bo­ra in Indo­ne­si­en“, sagt Dr. Dani­lo Di Geno­va. Bei der jetzt ver­öf­fent­lich­ten Stu­die hat er mit Wis­sen­schaft­lern an der Uni­ver­si­ty of Bri­stol, der TU Claus­thal und zwei euro­päi­schen Syn­chro­tron­an­la­gen eng zusammengearbeitet.

Wegen ihres Durch­mes­sers von weni­gen Nano­me­tern wer­den die Kri­stal­le auch als Nano­li­the bezeich­net. Mit spek­tro­sko­pi­schen und elek­tro­nen­mi­kro­sko­pi­schen Ver­fah­ren haben die For­scher Spu­ren die­ser für das Auge unsicht­ba­ren Teil­chen in der Asche aus­ge­bro­che­ner Vul­ka­ne nach­ge­wie­sen. Auf­grund von Unter­su­chun­gen in Labo­ren des BGI konn­ten sie die­se Kri­stal­le beschrei­ben und schließ­lich zei­gen, wie die­se Kri­stal­le die Eigen­schaf­ten von vul­ka­ni­schem Mag­ma beein­flus­sen. Die Unter­su­chun­gen kon­zen­trier­ten sich auf Mag­ma, das einen gerin­gen Anteil von Sili­zi­um­oxid besitzt und nach einem Vul­kan­aus­bruch an der Erd­ober­flä­che zu Basalt erkal­tet. Sili­zi­um­ar­mes Mag­ma ist für sei­ne gerin­ge Vis­ko­si­tät bekannt: Es bil­det eine dünn­flüs­si­ge Lava, die schnell und leicht dahin­strömt. Anders ver­hält es sich jedoch, wenn eine grö­ße­re Anzahl von Nano­li­then dar­in ent­hal­ten ist. Dadurch wird das Mag­ma zäh­flüs­sig – und weit weni­ger durch­läs­sig für Gase, die aus dem Erd­in­ne­ren auf­stei­gen. Statt kon­ti­nu­ier­lich aus dem Vul­kan­ke­gel zu ent­wei­chen, blei­ben die Gase in den Tie­fen des Vul­kans im hei­ßen Mag­ma stecken. Infol­ge­des­sen gerät das Mag­ma immer stär­ker unter Druck, bis es schließ­lich explo­si­ons­ar­tig aus dem Vul­kan her­aus­ge­schleu­dert wird.

„Stän­di­ge leich­te Rauch­fah­nen über einem Vul­kan­ke­gel müs­sen nicht unbe­dingt als Anzei­chen eines bevor­ste­hen­den gefähr­li­chen Aus­bruchs gedeu­tet wer­den. Umge­kehrt aber kann die Inak­ti­vi­tät schein­bar fried­li­cher Vul­ka­ne trü­gen. Bei­spiels­wei­se las­sen Gesteins­ana­ly­sen, schrift­li­che Quel­len und archäo­lo­gi­sche Fun­de dar­auf schlie­ßen, dass die Men­schen in der Umge­bung des Vesuv im Jahr 79 v. Chr. von einem äußerst hef­ti­gen Aus­bruch des Vul­kans über­rascht wur­den. Zahl­rei­che Todes­op­fer und schwe­re Gebäu­de­schä­den waren die Fol­ge“, sagt Di Geno­va. In sei­nen wei­te­ren For­schungs­ar­bei­ten will der Bay­reu­ther Wis­sen­schaft­ler die geo­che­mi­schen Pro­zes­se, die uner­war­tet zu der­art hef­ti­gen Aus­brü­chen füh­ren, mit Hil­fe von Tech­ni­ken der Hoch­druck-For­schung und mit Com­pu­ter­si­mu­la­tio­nen model­lie­ren. Das Ziel ist es, die­se Pro­zes­se bes­ser zu ver­ste­hen und damit auch die Risi­ken für die Bevöl­ke­rung im Umkreis von Vul­ka­nen redu­zie­ren zu können.

For­schungs­för­de­rung:

Die For­schungs­ar­bei­ten am Baye­ri­schen Geo­in­sti­tut (BGI) wur­den von der Deut­schen For­schungs­ge­mein­schaft (DFG) gefördert.