Bay­reu­ther Phy­si­ker ent­wickeln Grund­la­gen für Mini-Labo­ra­to­ri­en auf Chips

Symbolbild Bildung

„Gesteu­er­te Dyna­mik von Kolloidstäbchen“

Kol­lo­ida­le Par­ti­kel sind als Vehi­kel bio­che­mi­scher Wirk­stof­fe für die For­schung immer wich­ti­ger gewor­den. Künf­tig lässt sich ihr Bewe­gungs­ver­hal­ten viel effi­zi­en­ter als bis­her stu­die­ren, wenn man sie auf einem magne­ti­sier­ten Chip plat­ziert. Über die­se neu­en Erkennt­nis­se berich­tet ein For­schungs­team der Uni­ver­si­tät Bay­reuth in der Zeit­schrift „Natu­re Com­mu­ni­ca­ti­ons“. Die Wis­sen­schaft­ler haben her­aus­ge­fun­den, dass kol­lo­ida­le Stäb­chen ähn­lich wie Schach­fi­gu­ren schnell und prä­zi­se in ver­schie­de­ne Rich­tun­gen auf dem Chip bewegt wer­den kön­nen. Ein vor­pro­gram­mier­tes Magnet­feld ermög­licht dabei die Gleich­zei­tig­keit die­ser gesteu­er­ten Bewegungen.

Das For­schungs­team unter der Lei­tung von Prof. Dr. Tho­mas Fischer, Pro­fes­sor für Expe­ri­men­tal­phy­sik an der Uni­ver­si­tät Bay­reuth, hat bei der jetzt ver­öf­fent­lich­ten Stu­die mit Part­nern an der Uni­ver­si­tät Poz­nán und der Uni­ver­si­tät Kas­sel eng zusam­men­ge­ar­bei­tet. Ein­zel­ne kugel­för­mi­ge kol­lo­ida­le Par­ti­kel bil­de­ten zunächst die Bau­stei­ne für Stäb­chen unter­schied­li­cher Län­ge. Die Par­ti­kel wur­den dabei so zusam­men­ge­fügt, dass die Stäb­chen in der Lage sind, sich wie auf­ge­rich­te­te Figu­ren auf einem magne­ti­sier­ten Chip in ver­schie­de­nen Rich­tun­gen zu bewe­gen – schein­bar wie von selbst, tat­säch­lich aber in Abhän­gig­keit von den Eigen­schaf­ten des Magnetfelds.

In einem wei­te­ren Schritt ist es den Wis­sen­schaft­lern gelun­gen, unter­schied­lich gerich­te­te Bewe­gun­gen so zu steu­ern, dass sie simul­tan ver­lau­fen. Ent­schei­dend war hier­für die „Pro­gram­mie­rung“ des Magnet­felds mit Hil­fe eines mathe­ma­ti­schen Codes, der in ver­schlüs­sel­ter Form alle von den Figu­ren aus­zu­füh­ren­den Bewe­gun­gen vor­zeich­net. Wer­den die­se Bewe­gun­gen zeit­gleich aus­ge­führt, neh­men sie bis zu zehn Mal weni­ger Zeit in Anspruch, als wenn sie wie die Schach­zü­ge auf einem Schach­brett nach­ein­an­der aus­ge­führt werden.

„Die Simul­ta­ni­tät ver­schie­den gerich­te­ter Bewe­gun­gen macht die Erfor­schung der kol­lo­ida­len Par­ti­kel und ihrer Dyna­mik erheb­lich effi­zi­en­ter“, sagt Adri­an Ernst, Dok­to­rand im Bay­reu­ther For­schungs­team und Ko-Autor der Ver­öf­fent­li­chung. „Minia­tu­ri­sier­te Labo­ra­to­ri­en auf klei­nen, weni­ge Zen­ti­me­ter gro­ßen Chips wer­den in der phy­si­ka­li­schen Grund­la­gen­for­schung immer öfter ange­wen­det, um Erkennt­nis­se über die Eigen­schaf­ten und die Dyna­mik von Mate­ria­li­en zu gewin­nen. Unse­re neu­en For­schungs­er­geb­nis­se wer­den die­sen Trend ver­stär­ken. Weil sich kol­lo­ida­le Par­ti­kel in vie­len Fäl­len sehr gut als Vehi­kel von Wirk­stof­fen eig­nen, kön­nen unse­re For­schungs­er­geb­nis­se ins­be­son­de­re auch für die Bio­me­di­zin und die Bio­tech­no­lo­gie von Nut­zen sein“, sagt die Erst­au­torin und Bay­reu­ther Dok­to­ran­din Mahla Mirzaee-Kakhki

Ver­öf­fent­li­chung:

Mahla Mir­zaee-Kakhki, Adri­an Ernst, Dani­el de las Heras, Maciej Urba­ni­ak, Feliks Sto­biecki, Jen­drik Gör­des, Mei­ke Regin­ka, Arno Ehres­mann, and Tho­mas M. Fischer: Simul­ta­neous poly­di­rec­tion­al trans­port of col­lo­idal bipeds. Natu­re Com­mu­ni­ca­ti­ons 11 4670 (2020), DOI: https://doi.org/10.1038/s41467-020–18467‑9