Sonntagsgedanken: „Erschütternd“

Symbolbild Religion
Pfarrer Dr. Christian Fuchs

Pfarrer Dr. Christian Fuchs

Als ich vor Jahren in meinem Heimatdorf unterwegs war, sprach mich ein Senior an: „Du, Christian, Du bist doch Pfarrer, wie ist denn das.?“ Dann erzählte er mir eine aufwühlende Geschichte. Als junger Bursche musste er in den Krieg ziehen wie Millionen andere auch. Da wurde er einem Kommando zugeteilt, dass einen zum Tode Verurteilten zu erschießen hatte. Der Mann, ebenfalls ein Soldat, hatte seine Freundin getötet. Sie war von ihm schwanger geworden und machte während eines Spaziergangs am Fluss eine heftige Szene. Da schlug er sie, so dass sie in die Fluten stürzte und ertrank. Deswegen wurde er verurteilt, und nun fragte sich der Senior, ob er damals recht gehandelt hatte. Vielleicht hatte er auch Angst vor dem „Jüngsten Gericht“. Ich versuchte ihm zu erklären, dass die Todesstrafe der damaligen Rechtslage entsprach, lange auch dem Moralempfinden der Leute und selbst der kirchlichen Lehre. Moralvorstellungen ändern sich durch kritisches Nachdenken, mehr noch durch persönliche Erfahrung, und damit langfristig auch die Paragraphen des Strafrechts.

Wir sollten Gott danken, dass wir in einer liberalen, human eingestellten Gesellschaft leben dürfen, die wir verteidigen und weiterentwickeln sollten.

Zugleich sollten wir nicht selbstgerecht den Stab brechen über Menschen, die vor hundert oder vor tausend Jahren lebten, die Ansichten vertraten und Dinge taten oder tun mussten, die uns unbegreiflich erscheinen, denn jeder ist ein Kind seiner Zeit.

Umso mehr sollten wir Menschen bewundern, die gegen den Strom schwammen und in dunklen Zeiten ein Zeichen der Mitmenschlichkeit, ja der Liebe Gottes taten. Ich denke z. B. an diejenigen, die in der Nazizeit Juden versteckten; und wo können wir heute dem Hass entgegentreten?

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Pfarrer Dr. Christian Fuchs, www.neustadt-aisch-evangelisch.de

Infos zu Christian Karl Fuchs:

  • geb. 04.01.66 in Neustadt/Aisch
  • Studium der evang. Theologie 1985 – 1990 in Neuendettelsau
  • Vikariat in Schornweissach-Vestenbergsgreuth 1993 – 1996
  • Promotion zum Dr. theol. 1995
  • Ordination zum ev. Pfarrer 1996
  • Dienst in Nürnberg/St. Johannis 1996 – 1999
  • seither in Neustadt/Aisch
  • blind