Bay­ern baut Schutz­kon­zept für Kom­mu­nal­po­li­ti­ke­rin­nen und ‑poli­ti­ker aus

Mün­chen. Bay­erns Justiz­mi­ni­ster Georg Eisen­reich hat heu­te (11. Sep­tem­ber 2020) im Münch­ner Justiz­pa­last mit Ver­tre­tern der kom­mu­na­len Spit­zen­ver­bän­de den Start­schuss für das neue Online-Mel­de­ver­fah­ren für Online-Straf­ta­ten gegeben.

Hass und Het­ze gegen Amts- und Man­dats­trä­ge­rin­nen und ‑trä­ger haben im Netz ein erschrecken­des Aus­maß ange­nom­men. Sie wer­den beschimpft, bedroht, in Ein­zel­fäl­len kör­per­lich attackiert. Bay­erns Justiz­mi­ni­ster Georg Eisen­reich warnt: „Gei­sti­ge Brand­stif­ter, Dem­ago­gen und ihre Mit­läu­fer ver­gif­ten das gesell­schaft­li­che Kli­ma. Immer wie­der schla­gen auch Poli­ti­ke­rin­nen und Poli­ti­kern Belei­di­gun­gen, Dro­hun­gen und Ver­leum­dun­gen ent­ge­gen. Aus Wor­ten kann Gewalt entstehen.“

Im ver­gan­ge­nen Jahr gab es laut Bun­des­in­nen­mi­ni­ste­ri­um ins­ge­samt 1674 poli­tisch moti­vier­te Straf­ta­ten gegen Amts- und Man­dats­trä­ger in Deutsch­land. Das hat Fol­gen für die Betrof­fe­nen, aber auch für das poli­ti­sche Leben in uns­rem Land. Eisen­reich: „Angrif­fe auf Kom­mu­nal­po­li­ti­ke­rin­nen- und poli­ti­ker sind auch Angrif­fe auf unse­re Demo­kra­tie. Bay­ern steht sei­nen Kom­mu­nal­po­li­ti­kern zur Seite.“

Justiz- und Innen­mi­ni­ste­ri­um haben in den ver­gan­ge­nen Mona­ten weit­rei­chen­de auf­ein­an­der abge­stimm­te Maß­nah­men­pa­ke­te erar­bei­tet. Ein wich­ti­ger Bau­stein des Schutz­kon­zepts der Justiz ist ein neu­es Online-Mel­de­ver­fah­ren für Online-Straf­ta­ten, das heu­te gestar­tet wur­de. Eisen­reich: „Amts- und Man­dats­trä­ger, die wegen ihres Amtes oder Man­dats im Inter­net Ziel von Straf­ta­ten gewor­den sind, kön­nen künf­tig Anzei­gen und Prüf­bit­ten schnell und unkom­pli­ziert online an die Justiz über­mit­teln. Geprüft wer­den die Mel­dun­gen durch den Hate­speech-Beauf­trag­ten der baye­ri­schen Justiz, Ober­staats­an­walt Klaus-Die­ter Hartleb.“

Der Prä­si­dent des Baye­ri­schen Land­kreis­tags, Chri­sti­an Bern­rei­ter: „Das Pro­jekt ist Teil eines umfang­rei­chen Maß­nah­men­pa­ke­tes der Baye­ri­schen Staats­re­gie­rung zum Schutz kom­mu­na­ler Man­dats­trä­ger und zeigt uns vor allem eines: Wert­schät­zung! Ver­ro­hung und Gewalt dür­fen nicht tole­riert wer­den. Dro­hun­gen gegen Kom­mu­nal­po­li­ti­ker, aber auch gegen unse­re Mit­ar­bei­ter in den Behör­den müs­sen tabu sein. Daher ist es rich­tig und wich­tig, dass wir uns alle gemein­sam der ‚Hass­kri­mi­na­li­tät‘ im kom­mu­nal­po­li­ti­schen Bereich ent­ge­gen­stel­len. Das Online-Mel­de­ver­fah­ren lei­stet dazu einen wert­vol­len Bei­trag. Es hilft Betrof­fe­nen, Bewei­se schnell und ver­wert­bar zu sichern, was eine unver­zicht­ba­re Vor­aus­set­zung für den Erfolg einer Anzei­ge ist.“

Der Prä­si­dent des Baye­ri­schen Bezir­ke­tags, Franz Löff­ler: „Die Anony­mi­tät, die das Inter­net bie­tet, wird lei­der zuneh­mend dazu genutzt, auch kom­mu­na­le Man­dats­trä­ge­rin­nen und ‑trä­ger ver­bal anzu­grei­fen, zu belei­di­gen und zu bedro­hen. Sol­che Online-Delik­te müs­sen kon­se­quent zur Anzei­ge gebracht wer­den. Dank der Initia­ti­ve des Justiz­mi­ni­sters kön­nen sich betrof­fe­ne Poli­ti­ke­rin­nen und Poli­ti­ker künf­tig bes­ser zur Wehr set­zen. Denn das neu ein­ge­führ­te Online-Mel­de­ver­fah­ren trägt dazu bei, dass Täte­rin­nen und Täter im Netz in Zukunft häu­fi­ger mit den Mit­teln des Rechts­staats zur Rechen­schaft gezo­gen wer­den kön­nen. Das ist auch ein wich­ti­ges Signal gegen die zuneh­men­de Ver­ro­hung der Spra­che im Inter­net und zum Schutz unse­rer Demokratie.“

Der erste stell­ver­tre­ten­de Vor­sit­zen­de des Baye­ri­schen Städ­te­tags, Dr. Tho­mas Jung: „Der Baye­ri­sche Städ­te­tag begrüßt es sehr, dass mit dem neu­en Online-Mel­de­ver­fah­ren bei Online-Straf­ta­ten kom­mu­na­len Amts- und Man­dats­trä­gern die Stel­lung einer Straf­an­zei­ge erleich­tert wird. Dies zeigt, dass Staats­re­gie­rung, Justiz und Poli­zei den Schutz kom­mu­na­ler Amts- und Man­dats­trä­ger vor Belei­di­gun­gen und Bedro­hun­gen ernst­haft in Angriff neh­men und Straf­ta­ten kon­se­quent ver­fol­gen. Nun sind auch die Ver­tre­ter der Kom­mu­nal­po­li­tik auf­ge­ru­fen, bei Hate-Speech und Bedro­hun­gen Anzei­gen oder Prüf­bit­ten über das Ver­fah­ren an die Justiz zu stel­len, damit die Behör­den die Taten wirk­sam ver­fol­gen können.“

Der Vize­prä­si­dent des Baye­ri­schen Gemein­de­tags, Tho­mas Zwin­gel: „Bay­erns Gemein­den und Städ­te sind froh und dank­bar, dass die Baye­ri­sche Staats­re­gie­rung ein kla­res und unmiss­ver­ständ­li­ches Zei­chen gegen Hass und Het­ze gegen kom­mu­na­le Man­dats­trä­ger setzt. Durch das neue Online-Mel­de­ver­fah­ren soll­te dem unse­li­gen Trei­ben im Inter­net, aber auch im rea­len Leben ein Rie­gel vor­ge­scho­ben wer­den. Jedem poten­ti­el­len Straf­tä­ter soll­te künf­tig bewusst sein, dass der Rechts­staat Gren­zen der Mei­nungs­frei­heit zieht und kon­se­quent ein­schrei­tet, wenn die­se über­schrit­ten wer­den. Vor vier Jah­ren war ich selbst von rech­ter Het­ze im Netz und auf der Stra­ße betrof­fen. Ich weiß daher, wie wich­tig es für Betrof­fe­ne ist, eine kon­kre­te Anlauf­sta­ti­on zu haben, an die man sich hil­fe­su­chend wen­den kann.“

Bay­erns Justiz­mi­ni­ster Eisen­reich setzt sich auch auf der Bun­des­ebe­ne rechts­po­li­tisch ein. Der Mini­ster: „Ber­lin hat mit dem Gesetz zur Bekämp­fung des Rechts­extre­mis­mus und der Hass­kri­mi­na­li­tät wich­ti­ge Maß­nah­men ergrif­fen und dabei auch baye­ri­sche Vor­schlä­ge über­nom­men. Doch z.B. im Belei­di­gungs­straf­recht wur­den die zen­tra­len Straf­be­stän­de seit 150 Jah­ren kaum ver­än­dert. Eine Moder­ni­sie­rung ist drin­gend not­wen­dig.“ Belei­di­gun­gen, üble Nach­re­de und Ver­leum­dung sol­len in schwer­wie­gen­de­ren Fäl­len här­ter bestraft wer­den kön­nen. Auch die Arbeit der Straf­ver­fol­ger muss nach dem Wil­len Eisen­reichs erleich­tert wer­den: „Wir kön­nen die Urhe­ber von Straf­ta­ten nur effek­tiv ver­fol­gen und bestra­fen, wenn wir sie iden­ti­fi­zie­ren kön­nen. Aus­kunfts­er­su­chen unse­rer Behör­den müs­sen daher von den Betrei­bern sozia­ler Netz­wer­ke ohne Wenn und Aber beant­wor­tet wer­den.“ Die Bun­des­ju­stiz­mi­ni­ste­ri­en sei zudem gefor­dert, die deut­sche Rats­prä­si­dent­schaft zu nut­zen, um sich in der EU für die Wie­der­be­le­bung der fak­tisch aus­ge­setz­ten Ver­kehrs­da­ten­spei­che­rung einzusetzen.

Hin­ter­grund:

Das Schutz­kon­zept der baye­ri­schen Justiz basiert auf fol­gen­den Punkten:

  • Ver­ein­fach­tes Online-Ver­fah­ren für Online-Straftaten
    Wer als Kom­mu­nal­po­li­ti­ker wegen sei­nes Amts oder Man­dats Ziel von Straf­ta­ten im Inter­net gewor­den ist, kann künf­tig Anzei­gen und Prüf­bit­ten schnell und ein­fach online an die Justiz über­mit­teln. Dies kön­nen vor allem Hass­kom­men­ta­re auf öffent­lich ein­seh­ba­ren Foren sowie bedroh­li­che oder belei­di­gen­de Direkt­nach­rich­ten per Email sein. Damit wird den Betrof­fe­nen erspart, ihre Anzei­gen schrift­lich zu for­mu­lie­ren oder Daten­trä­ger und Aus­drucke bei­zu­fü­gen. Geprüft wer­den die Mel­dun­gen durch den Hate­speech-Beauf­trag­ten der baye­ri­schen Justiz, Ober­staats­an­walt Klaus-Die­ter Hart­leb. Die­ses Amt wur­de Anfang des Jah­res neu geschaf­fen und bei der Zen­tral­stel­le zur Bekämp­fung von Extre­mis­mus und Ter­ro­ris­mus (ZET) bei der Gene­ral­staats­an­walt­schaft Mün­chen angesiedelt.
  • Spe­zi­al-Staats­an­wäl­te übernehmen
    Für Anfein­dun­gen in der ana­lo­gen Welt gibt es bei jeder der 22 Staats­an­walt­schaf­ten im Frei­staat einen Ansprech­part­ner für Kom­mu­nal­po­li­ti­ke­rin­nen und ‑poli­ti­ker. Die­se bera­ten, sor­gen für eine mög­lichst zügi­ge Ermitt­lung des Sach­ver­halts und ver­mit­teln den Kon­takt zur Polizei.
  • Nach­drück­li­che Strafverfolgung
    Ver­wei­sun­gen auf den Pri­vat­kla­ge­weg kom­men in aller Regel nicht in Betracht, die Staats­an­wäl­te über­neh­men die Strafverfolgung.